Zwanglose Blätter, Nr. 63, vom 21. Oktober 1848

Zwanglose Blätter aus Oberösterreich. Nro. Steyr am 21. Oktober 1848. 63. Sey getreu bis in den Tod, und ich will dir die Krone des Lebens geben! Unser Zustand! Von meiner Reise nach Wien zurückgekommen, beeile ich mich meinen Lesern den Zustand der edeln Feste der deutschen — was sage ich — der europäischen Freiheit: der Stadt Wien, die Lage und Absichten des Reichstages, die Stellung und das Benehmen der Belagerungstruppen darzustellen. Wien ist mit Bewaffneten aller Art angefüllt, einhei¬ mische Garden in allen Uniformen bis an die Zähne be¬ waffnet haben alle Wachtposten inne. Zuzüge aus fremden Provinzen unterstützen sie, ebenso das zur Volkssache über¬ gegangene Militär. Aus Gratz und dem übrigen Steier¬ mark sind ein paar tausend Schützen, aus Brünn mehrere Kompagnien Garden eingerückt — beides Kerntruppen. Die Seele des militärischen Lebens ist die akademische Le¬ gion. Sie ist unter alle Truppengattungen zur Leitung der einzelnen Abtheilungen vertheilt. Die Techniker leisten dem Generalstabe die wicbtigsten Dienste. Die geringe Ka¬ vallerie wird meist zu Ordonnanzen verwendet. Das Trei¬ ben im Hauptquartiere in der Stallburg, jetzt im Belve¬ dere, wo ein großes, festes Lager bezogen wurde, gibt das vollkommenste und reizendste Bild des Kriegslebens¬ ich muß es ein verklärtes Bild nennen, denn Bildung und Bürgertugend tragen da die Waffen, gegenüber einem er¬ bitterten, irregeleiteten Heere, das seine Brüder, sein ei¬ genes Interesse schmerzlich verkennt. Oder glaubt der ge¬ meine Soldat wirklich, daß der österreichische Staat nur bestehen müsse, um Hofschranzen, Präsidenten und Offiziere zu nähren und zu schmücken? Der fröhliche Muth der Männer ist bewunderungs¬ werth. Die gefangenen Kroaten behandeln sie mit Milde, geben ihnen Wein, Brod, Ruhe, ärztliche Hülfe und Pflege, während im kroatischen Lager fast alle gefangenen Wiener, namentlich Studenten, auf's Grausamste ermordet werden. Der Wiener sagt, er wisse durchaus nicht, warum er von so feindlichen Truppen belagert werde. Wien befindet sich in der Lage der Nothwehr, der Reichstag mit an der Spitze, der mit Wien stehen und fallen wird. Der Kaiser verlangt immer Wiederherstellung der Ordnung und Gesetz¬ lichkeit in Wien und Alles in Wien ist ruhig und sicher, nur die Vertheidigungsmaßregeln gegen den Feind vor den Evang. Thoren unterscheiden die Physiognomie der Stadt von der fröhlichen, welche die Kaiserstadt bisher trug. Schlimm würde es um Ordnung und Gesetzlichkeit in Wien stehen, wenn man die Barrièren nicht gegen die Truppen des Ban verwahren würde; ihre Grausamkeit gegen Gefangene, selbst gegen Unbewaffnete, ihr brutales Entwaffnen der konstitutionellen Garden um Wien beweist nebst vielen an¬ dern Fakten, daß ihnen weder die Personen, noch die Frei¬ heiten des Volkes heilig sind. Und sind die Waffen der Garden vielleicht nicht das Eigenthum — wenigstens der Gemeinden, und haben die Truppen kein Eigenthumsrecht verletzt, als sie diese mit sich wegführten? Wien erwartet stündlich die Ungarn — sie, die ihre Rettung einzig den Wienern verdanken — zögern noch immer. Sollte die Hochherzigkeit der ungarischen Nation auch nur eine leere Phrase sein, gleich gewissen Versprechungen, von den zu¬ gestandenen Errungenschaften nichts abbrechen zu wollen? Der Reichstag steht fest und unerschütterlich auf gesetzlichem Boden, er garantirt nicht, wie der Kaiser im Manifest vom 15. Oktober — blos dem Bauer die Befreiung von Zehent, Robot u. s. w. — er garantirt auch dem Gewerbstande und der Intelligenz, auch dem Proletariate die Errungenschaften, und wenn man schon in unseliger Verblendung den Kampf her¬ vorrufen wollte, so werden diese drei Mächte den Reichs¬ tag zu schützen wissen vor den Schrecken der Bajonnete sowohl, als vor denen der Dreschflegel. Dieses merkwür¬ dige Manifest lautet: An meine Völker! Angekommen in Olmütz, wo ich vor der Hand zu verweilen gesonnen bin, ist es meinem väterlichen Herzen Bedürfniß, die wohlthuenden Beweise treuer Anhänglich¬ keit, welche ich auf meiner Hieherreise von dem Volke al¬ lenthalben erhalten habe, anzuerkennen. Wenn ich in Mitte meiner Soldaten reiste, so geschah es darum, weil Uebelgesinnte das Land durchziehen, und ich nicht allenthalben mich von meinem treuen Volke um¬ geben finden konnte. Landleute meiner Staaten! vertrauet auf eueren Kai¬ ser — euer Kaiser vertraut auf Euch! Die Befreiungen, welche das bereits erlassene Gesetz bezüglich der früheren

264 unterthänigen auf Grund und Boden gehafteten Leistun¬ gen, als: Robot, Zehent 2c. Euch zugesagt hat, sind Euch gesichert, und ich erneuere Euch dießfalls mein kaiserliches Wort so wie ich es während meiner Reise mehreremal mündlich kund gegeben habe. Es ist mein fester Entschluß Euch diese Befreiungen zu wahren. Seid daher ruhig und unbesorgt, meine treuen Landleute! und wenn es Menschen gibt, welche das Wort Eures Kaisers in Euren Augen zu verdächtigen suchen, so sehet sie als Verräther an mir und an Euerem eigenen Wohle an, und benehmet Euch hiernach. Olmütz am 15. Oktober 1848. Wessenberg. Ferdinand. Das Manifest sagt „er konnte sich nicht allenthalben von seinem treuen Volke umgeben finden.“ Dieser Satz hat durch das ganz bedeutungslos hier stehende Zeit¬ wort „konnte“ gar keinen Sinn. Es ist somit jene Soldatenflucht gar nicht gerechtfertigt, und sie bleibt als ein unveranlaßtes aufreizendes Beispiel auf einem dunkeln Blatte der Weltgeschichte stehen. Das Verletzendste des Manifestes bleibt aber, daß nach der bombastischen Aufschrift „An meine Völker“ doch nur von den „Landleuten meiner Staaten“ die Rede ist. Ihnen wird die Befreiung von Zehent und Robot garan¬ tirt, dem Gewerbestand, der Intelligenz und den Arbeitern wird nichts garantirt. Preßfreiheit, Natio¬ nalgarde, gleichmäßige Selbstbesteurung und Selbstgesetzgebung, zeitgemäße Gewerbe= und Gemeinde=Ordnungen, ein neues Rekruti¬ rungsgesetz u. s. f. sind jenen drei Ständen nicht ga¬ rantirt — sie mögen zusehen, wie sie es erhalten. Nur eine Frage stelle ich an die Bauern: Die Be¬ freiung von den unterthänigen Leistungen ist euch garan¬ tirt, ist euch auch garantirt, daß ihr sie um ei¬ nen wohlfeilen Preiswerdet ablösen können?? Diese Garantie kann euch nur ein frei aus dem Volke ge¬ wählter Reichstag geben und ist euch ein solcher Reichstag garantirt? Ihr antwortet mir darauf: „O ja — das geschah durch frühere Versprechungen!“ Hat man euch in Bezug auf Zehent und Robot das gegebene Wort erneuert, wa¬ rum erneuert man es nicht auch in Bezug auf den Reichs¬ tag, der euch noch viele Lasten vom Halse nehmen, der euch noch von Vielem bewahren kann — ich nenne nur: die Ungerechtigkeit des alten Rekrutirungsgesetzes, eine un¬ verhältnißmäßige Besteurung, Finanzwachplackereien u. s. f. Auch wir, die wir keine Landleute sind, blieben bis jetzt dem Kaiser treu und werden ihm auch fürder treu bleiben — bleibt nur auch er uns treu. Was der Ackersmann fordert das fordert auch der Schmied, der Kaufmann, der Gelehrte: vernünftige Freiheit, nur beschränkt durch die Nothwendigkeit des Staatsverbandes und unbedingte Gleichheit vor dem Gesetze. Man sieht, es hat blutige Früchte getragen, Nationen gegen Nationen zu hetzen, man säete Drachenzähne, als man das Militär in einer gehässigen Stellung gegen das Civile erhielt, und nun beginnt man Stände gegen Stände aufzureizen. „Wer anders spricht als dieses Manifest, den seht als Verräther an und benehmt euch darnach!!" Ich wage es nicht niederzuschreiben, an welche Politik des Jahres 1846 mich diese Stelle mahnt. Nein das kann der Wille des Kaisers nicht sein, solches Verderben herabzurufen, über „meine Völker.“ Du großer weiser Weltenkaiser, da oben! Sind wir denn nicht auch deine Völker — willst auch du uns verlassen, uns Männer des Hammers und der Feder. O lange herab mit Deinem schützenden Arm und säubere Du unsere Gefilde von unseren Feinden. Schütze Du die Konstitution, die wir von Dir haben, schütze Du die Berechtigung zur Freiheit, die Du mit Flammenzügen in unserem Herzen geschrieben hast. Jede Welle unseres Blutes, jedes Atom unseres Fleisches schreit Recht und Freiheit im Namen Gottes un¬ seres Schöpfers. Ferdinand, vor 200 Jahren ein Kaiser des Habsbur¬ gischen Stammes, war einst von der rohen Gewalt der großen Herren seines Reiches in seiner Freiheit arg bedroht. Flehend um Hülfe warf er sich vor einem Christusbilde nieder und betete und das Bild sprach: „Ferdinand — ich werde dich nicht verlassen.“ Ferdinand, Kaiser noch an diesem Tage, du bewahrst noch in deinen Familienschätzen jenes wunderthätige Bild. Lasse es dir nach Olmütz bringen, und stelle es auf deinen Betschemel. Die Großen deines Reiches bedrohen deine Freiheit zu Handeln mit roher Gewalt, sie führen dich auf falsche Pfade, auf falschen Pfaden führen böse Or¬ denssterne dich weit ab von der Liebe deines Volkes, das seit Jahrhunderten bis heute noch treu blieb deinem Stamme. Kniee hin vor jenes Kreuzesbild und bete wie dein Ur¬ ahn um Rettung aus der Noth. Und du tröstender Gott, wunderthätiger Geist der Liebe, öffne deine Lippen und senke mit allmächtiger Gewalt in das Herz unseres Kai¬ sers die Worte: „Ferdinand — verlasse dein Volk nicht, dann werde auch ich dich nicht verlassen!“ Aler. Jul. Schindler. Die stehenden Heere und die neue Zeit. Eine Interpellation von Dr. Reyer. Das Verhältniß der stehenden Heere gegenüber den in Entwicklung begriffenen Zuständen ist schon vielfach Ge¬ genstand der Besprechung, leider oft leidenschaftlicher Bespre¬ chung gewesen. Wenn ich heute diesen Gegenstand zu erörtern unternehme, so geschieht es mit dem aufrichtigen Wunsche, zur friedlich en Entwicklung unabweisbarer Neuerungen beizutragen. Ich gehe hierbei von der Ueber¬ zeugung aus, daß keine Empfindlichkeit so groß ist, daß

265 sie unantastbar wäre, und daß jede anständige und ge¬ mäßigte Besprechung gerechtfertigt ist. Ich glaube mich innerhalb des Gebietes von That¬ sachen zu bewegen, wenn ich behaupte, daß die Regierungen fast ohne Ausnahme den gegenwärtigen Bewegungen selbst dort entgegentreten, wo selbe die Monarchie nicht anta¬ sten, aber eine solche auf volksthümlichen Grundlagen be¬ gehren. Die Idee, daß Könige dem Volkswillen ihre Stellung als erste Beamten des Staates verdanken ist den Regierungen der alten Welt nicht genehm. Sie mühen sich ab, Majestätsrechte zu retten, und gewaltig sind die Mittel, die ihnen zu Gebote stehen. Es wäre unverantwortlich, der Bureaukratie das Verdienst absprechen zu wollen, wesentlich für Zurückfüh rung von Zuständen zu wirken, die sich von den früheren nur dem Namen und der Form, nicht aber dem Wesen nach unterscheiden. Es muß auch anerkannt werden, daß die Hierarchie eine namhafte Thätigkeit in gleichem Sinne entwickelt, nicht ohne vernünftiger Berücksichtigung der Vergrößerung ihrer Macht und der Sicherung ihrer Reich¬ thümer. Still aber stetig sind die Bestrebungen dieser geheimnißvollen Gewalten, und wenn sie hie und da un¬ verdiente Schwierigkeiten finden, so liegt der Grund hier¬ von allein darin, daß das Wort eine Waffe ist, der sie nicht Stand halten. (Fortsetzung folgt.) Der konstitutionelle Jubel der Wiener Zeitung. Die Wiener Zeitung von gestern meldet aus Olmütz: „der Empfang des Kaisers war ein konstitutioneller.“ Was ist das für ein Empfang? Ist das Jubel? ist das Schweigen? Wir möchten das Letztere glauben, denn die¬ selbe Nummer der Wiener Zeitung meldet aus Znaim die Begrüßungen des Volkes in einer Weise und in Aus¬ drücken, wie wir sie zur Zeit des seligen Absolutismus schon als „offizielle Phrasen“ belächelten und nicht glaub¬ ten. Die Wiener Zeitung hat aber auch Berichterstatter, wie wir arme Volksblätter sie zu haben nie so glücklich sein werden. Der Schreiber des Berichtes aus Znaim ist kein Anderer, als der hochgeborene Herr Herr Graf Leo¬ pold Lazansky, k. k. mährisch=schlesischer Gubernial=Vice¬ präsident. Es wäre uns interessant zu wissen, ob er schon das Großkreuz des Leopoldordens besitzt, ob nicht? und ob er, ob ein Gubernialpraktikant für ihn den Bericht abgefaßt hat, zu dem er nur gnädigst seinen Namen setzte. Wir konnten nur Einen beklagen, als wir den Bericht lasen, und das ist der „konstitutionelle“ Redakteur der pri¬ vilegirten Wiener Zeitung, Herr Eitelberger, der sich sonst regelmäßig noch von Edelberg nannte. Wir glauben seinen Namen zuerst in den Sonntagsblättern gelesen zu haben, und lernten in ihm einen gelehrten Kunstkenner achten, der stets unpartheiisch und gesinnungsvoll war, und nun?! Czechisches Als vor vier Monaten Fürst Windischgrätz seine Ka¬ nonen auf den Höhen des Belveders von Prag aufführte, da predigten die Allgemeine Zeitung von Augsburg aus, und andere Zeitungen ihres halbliberalen Kalibers der edle Held sei der Retter des deutschen Elementes in Böh¬ men. Die Czechen aber riefen, er sei weder der Retter des Deutschthums, noch der Vernichter des Slaventhums, sondern ein Reaktionär vom reinsten Wasser, dem die Frei¬ heit der Völker zu viel wäre, und der die Spitze des Ba¬ jonnetes an die Stelle der Spitze des Szepters, der auf¬ gehört hat absolut zu sein, zu setzen sich vorgenommen. Windischgrätz lehnte es ab, für die Deutschen gefochten zu haben, und sprach nur von einer tiefverzweigten Verschwö¬ Was konnte den Mann bewegen, all das zu vertreten, was er in die privilegirte Wiener Zeitung aufzunehmen gezwungen ist? Erröthet er nicht, wenn er seinen bis zur Wiener Zeitung unbescholtenen Namen jetzt täglich an die¬ sem Pranger sieht? Was konnte ihn veranlassen, so zu müssen? „Kein Mensch muß müssen!“ Um aber ein Gegenbild zu liefern zu dem konstitu¬ tionellen „Empfange in Olmütz“ und zu der Art und Weise, wie das souveräne Volk von Znaim sich „aller¬ gnädigst beglücken“ ließ, können wir erzählen, daß z. B. in St. Pölten der Durchzug eher einem Leichenzug glich. Der Kaiser sah sehr bleich aus, die Kaiserin, die neben ihm im Wagen saß, weinte, die Prinzen ritten um den Wagen, und die Bevölkerung blieb stumm. Aber noch eine Frage an den Herrn Leopold Grafen Lazansky, mäh¬ risch=schlesischen Gubernial=Vicepräsidenten. Es heißt im Berichte: „Se. Majestät geruhten die wiederholten Glück¬ wünsche gnädigst aufzunehmen.“ Glückwünsche? Wozu, Herr Graf? Zur Flucht? oder weil so großes Heil uns bereitet worden ist? Oder — Wir wissen nicht Ihre Phrase zu deuten. Befleißigen Sie sich eines besseren Gedanken¬ ganges und Styles, sonst verlieren Sie die gewiß einträg¬ liche Korrespondenz der privilegirten Wiener Zeitung. F. A. B. Farbenspiel. rung, um derentwillen die Regierung in Wien Alles gut¬ heißen müsse, was er unternähme. Bis vor wenigen Tagen konnten noch die deutschen und czechischen Blätter Prags nicht des Witzes genug und nicht der Schmähungen zu viel über das Haupt dieses Junihelden schütten, und heute bringen ihm dieselben Bewohner Prags, denen er vor vier Monaten die Dächer über den Häuptern angezündet, die er in monatlanger Gefangenschaft schmachvoll festgehalten, und die er mit dem Namen Verschwörer, Empörer und Verräther gebrandmarkt, einen Fackelzug, und schwingen ihm freudig die Tücher aus den Fenstern zu, da er gen Wien zieht, die herrliche Stadt der Freiheit, die zuerst das Wort ergriffen, und die Parthei für Prag in jenen Tagen

266 des Schreckens und des Bajonnetkommando's. Wer kann nach solchen Inkonsequenzen fortan auch nur die geringste Sympathie für den czechischen Namen fühlen? Entweder hatten die Czechen im Juni Windischgrätz gegenüber Recht oder Unrecht. Hatten sie Recht, dann war Windischgrätz ein blutiges Werkzeug der Reaktion, und die, die ihn da¬ mals verdammten, müssen ihn noch verdammen. Thun sie es nicht, dann sind sie elende Heuchler, Feiglinge, nieder¬ trächtig so sondergleichen, daß die Geschichte keinen schlechten Ausdruck genug haben wird, sie zu bezeichnen — denn sie frohlocken, wenn der Held der Reaktion, den sie einst selbst verdammt, eine Stadt zu vernichten auszieht, die durch ihre Stimmenerhebung gegen die Eigenmächtigkeit desselben Reaktionärs, als er Prag bedrohte, diese Schadenfreude nicht verdient hat. Die Czechen heucheln somit doppelt; sie heucheln jetzt dem Fürsten Verehrung und Anbetung, oder sie haben damals gegen ihn Entrüstung geheuchelt. Hatten sie im Juni Unrecht, dann hatte Windischgrätz wahr gesprochen, daß sie Verschwörungspläne hegen, die nichts weniger als den Ruin der Monarchie bezwecken. Und diese Leute, diese Empörer sprechen jetzt von ihren loyalen Gesinnungen? Diese tragen jetzt den Spruch auf ihrem Banner: Wir wollen die Gesammtmonarchie er¬ halten! O es wäre zum Lachen, wenn es nicht zu elend wäre! Ob die Czechen im Juni Recht hatten, oder Un¬ recht — es ist ein Trauriges, ihnen haarklein beweisen zu können, daß sie heute in beiden Fällen heucheln, und sich und die Gesammtmonarchie betrügen. Die damals sich gegen Oesterreich verschworen hatten, kriechen heute im Schlamme der loyalsten Gesinnung! — Glaubten wir da¬ mals nicht an eine Verschwörung, so glauben wir heute daran! Doch mögen die zusehen, die sich gegen Oester¬ reichs Freiheit verschwören, daß sie sich nicht verrechnen. Es müßte mit Wunder zugehen, wenn es nicht geschähe; denn der erste Paragraph des geheimen Verschwörungs¬ vertrages ist — wechselseitige Heuchelei und wechselseitiger Betrug. Obernberg Heute wollten von hier 30 Finanzaufseher mit einem Respicienten als Freiwillige für die Sache Wiens dahin eilen, es sollte jedoch durch die Cameralbehörde in Ried die Sache rückgängig gemacht werden. Volk und Garden von Obernberg wollten so eben nach Ried, um die Loslassung des Respicienten, den man nach Gerüchten dahin vorge¬ fordert und eingesperrt hatte, zu veranlassen; so eben er¬ scheint jedoch fraglicher Respicient hier, und das Letztere hat sich nun behoben. Oert m Inn 1848. So eben lese ich von Serbensky einen Aufruf zur Ordnung, Gesetzlichkeit 2c., während Wikenburg in der Steiermark den Landsturm unterstützen soll, zwei sonder¬ bare Gegensätze. Sagen sie mir aufrichtig: Glauben Sie, daß es Serbensky mit der Freiheit des Volkes ehrlich meint und daß es nicht besser wäre, er hätte in dieser Zeit längst seinen Platz verlassen?“ *) Er wird wohl selbst gehen! D. Red. iches. Ich beeile mich nachstehendes Schreiben meinen Lesern, zumal in Steyr, mit der Versicherung mitzutheilen, daß die freundschaftliche Einigung mit Hrn. Vacano mir zur auf¬ richtigsten Freude gereicht. Mögen sich Alle, die sich in Steyr gegenüber stehen, so männlich in diesen Tagen der Gefahr verbinden. Aler. Jul. Schindler. Geehrtester Herr! Die drohende Gefahr, welche nicht allein über die Stadt Wien, sondern auch über die noch junge Freiheit Oesterreichs hereingebrochen ist, muß jeden Freund dieser Freiheit, worunter ich auch Sie und gewiß mit Recht zähle, vom Worte zur That rufen; sie muß alle andern Verhält¬ nisse und persönlichen Zerwürfnisse in den Hintergrund drängen, ja gänzlich vergessen lassen. Ich wende mich daher mit aller Zuversicht an Sie und Alle, welche mir bisher wohl nur aus formellen Rück¬ sichten Ihr Vertrauen noch nicht zuwendeten, in der sichern Hoffnung, daß Sie, denselben Zweck mit mir anstrebend, Ihren Eifer und Ihre Kräfte nicht vereinzelnen, sondern nach der bereits mündlich erfolgten Verständigung mich mit Ihrer Einsicht und Thatkraft kräftigst unterstützen werden. Ihr ergebenster Vacano. An das löbliche Nationalgarde=Kommando der Stadt Steyr. Die muthigen und wahre Freiheitsliebe beurkundenden Worte welche die hochherzige Nationalgarde der Stadt Steyr in ihrer Adresse vom 11. Oktober aussprachen, haben in der Reichsversammlung volle Anerkennung gefunden. Da sich jedoch der Reichstag in seiner Wirkungssphäre nicht mit den Vertheidigungsmaßregeln unmittelbar befaßt, sondern dieselben dem Nationalgarde=Oberkommando im Vereine mit dem Gemeinderathe übertragen hat, so wurde die Adresse sogleich diesem Oberkommando zu¬ gewiesen. Auf dessen Ruf wird die mannhafte National¬ garde der Stadt Steyr gewiß nicht säumen, zum Schutze der Volksfreiheit und des konstitutionellen Thrones, denn Beides ist gefährdet, schleunigst heranzuziehen, und vereint mit den tapfern Wienern ihr Blut einzusetzen. Wien am 14. Oktober 1848. Vacano, Abgeordneter der Stadt Steyr. Mit einer politischen Wochenschau Nr. 3. Verantwortlicher Redakteur Alex. Jul. Schindler; Mitredakteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Haas in Steyr.

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