Zwanglose Blätter, Nr. 62, vom 18. Oktober 1848

260 stets zu ihren heiligsten Pflichten rechnen wird. Die Ge¬ fahr ist gemeinschaftlich, welche die Freiheit beider Nationen bedroht. Ungarn weist entschieden von sich jeden Traktat mit der Camarilla und ihren eidbrüchigen Söld¬ nern, bekennt sich aber vor Gott und der Welt zum tief¬ verpflichteten Freunde, treuen Bundesgenossen und Bruder der österreichischen Nationen, und erklärt sich un¬ wandelbar geneigt, die gegenseitigen Interessen zur beider¬ seitigen Zufriedenheit auf der breitesten Basis des Rechtes, der Billigkeit und der treuen Bruderliebe regeln zu wollen, und bietet hiezu seine treue Bruderhand. Ungarn erklärt zugleich seinen wärmsten Dank der hohen Reichsversammlung für die kräftigen Maßregeln zur Verhinderung des Anmarsches von einer reaktionären Soldateska, bestimmt, die räuberischen Horden Jel¬ lachichs zu unterstützen; findet sich aber auch zugleich veranlaßt, die hohe Reichsversammlung zu benachrichtigen, daß die ungarische Regierung Kunde bekommen habe, daß trotz der vorbemerkten Maßregeln dem Empörer Jellachich es doch gelungen sei, gegen 13,000 Mann Verstärkung aus Oesterreich an sich zu ziehen, und daß unserem armen verlassenen Vaterlande auch von dem in Gallizien statio¬ nirten Militär eine Invasion droht. Die ungarische Nation ersucht die edeln Vertreter Oesterreichs hiegegen kräftig ein¬ schreiten zu wollen, und so, wie wir jeden Ungar für einen Landesverräther erklären, der seine unheilige Hand gegen die Freiheit Oesterreichs erhebt, eben so jeden Unterthan der österreichischen Monarchie für einen Lan¬ desverräther zu erklären, der dem Empörer Jel¬ lachich, dem eidbrüchigen Werkzeuge, dassich die Camarilla zur Unterdrückung der Frei¬ heit Oesterreichs und Ungarns auserlesen, die mindeste Unterstützung gewähren würde. Der Empörer Jellachich treibt seine Horden mit Kartätschen in den Kampf gegen die Freiheit. Es ist höchst wahrscheinlich, daß er, von unsern tapfern Truppen gedrängt, seine räuberischen Horden auf das Gebiet Oester¬ reichs wirft und wo möglich selbst Wien zu bedrohen beab¬ sichtigt. Die ungarische Nation ist fest überzeugt, daß er in diesem Falle unter dem Racheschwerte der Freiheitssöhne Oesterreichs unrettbar fallen wird; doch erachtet es die ungarische Nation für ihre heiligste Pflicht der Dankbarkeit gegen Wien und Oesterreich, in diesem Falle Jellachich nachzujagen, und in dem Werke seiner wohl¬ verdienten Vernichtung das edle Volk Oester¬ reichs zu unterstützen. Darum haben die Repräsentanten der ungarischen Nation den Befehl an die ungarische Armee ertheilt: Jel¬ lachich zu verfolgen, wohin er sich wenden möge. Doch betheuert die ungarische Nation vor Gott und der Welt: daß, wenn ihre Truppen den fliehenden Feind nach Oesterreich zu verfolgen bemüssigt wären, hiermit nicht nur keine Gebietsverletzung Oesterreichs beabsichtigt würde, sondern daß in diesem Falle die ungarische Nation auch dem Triebe der Dankbarkeit folgt, welcher ihr es zur Eh¬ renpflicht macht, die edeln Bewohner Wiens nicht ohne Unterstützung zu lassen gegen den ge¬ meinsamen Feind. Möge die hohe Reichsversammlung diese aufrichtig ge¬ meinte Erklärung mit gleicher Bruderliebe entgegen neh¬ men. Die ungarische Nation erklärt, daß ihre Truppen in dem nämlichen Augenblicke Halt machen, und sich nach Ungarn zurückwenden werden, wo die edeln Vertreter des tapfern Oesterreichs dem kommandirenden Generale der ungarischen Armee die Weisung zukommen lassen, daß die Entwaffnung des gemeinsamen Feindes, durch eigene Kräfte bewirkt, und die Mitwirkung unserer Truppen zum Siege der gemeinschaftlichen Freiheit nicht mehr nöthig sei. Ungarns Regierung hat die strengsten Befehle erlassen, daß, im Falle die ungarische Armee vorrückt, ihre Ver¬ pflegung selbst auf dem uns heiligen öster¬ reichischen Boden, von Ungarn aus verab¬ folgt, und dem edeln Volke Oesterreichs nicht die min¬ deste Last aufgebürdet werde. Gruß, Hochachtung und Bruderliebe. Pesth den 10. Oktober 1848. Des ungarischen Reichstages Unterhauses erster Vicepräsident Oberhauses erster Vicepräsident B. Sigm. v. Perenj, m. p. Johann Pallfy, m. p. Möge die Adresse an den Reichstag der Bruderkuß sein, den die Magyaren auf die Lippen des österreichischen Volkes zu dauernder Freundschaft und innigem Einver¬ ständnisse drücken!! F. Prag, 11. Oktober. Reichstagspräsident Dr. Strobach, und mit ihm rium volle unbeschränkte Erecutivgewalt verbleibe, könne die Abgeordneten Dr. Cejka und Hawelka, sind heute, der Anarchie vorgebeugt, die Schreckensherrschaft darnie¬ Morgens wohlerhalten hier angekommen. Ihre Reise war, dergehalten werden. — Strobach begab sich in's Kriegsmi¬ über Linz und Budweis gegangen. — Schon am 13. Sep=, nisterialgebäude, wo ein Ministerrath gehalten werden tember hatte bekanntlich Strobach sich dagegen ausgespro=, sollte, doch mußte er gar bald, weil bewaffnete Massen chen, die erecutive Gewalt dem Ministerium zu entziehen, heranstürmten, sich von da durch unbekannte Gänge und den Pferdestall flüchten. Er eilte in den Reichstagssaal. und dieselbe dem legislativen Reichstag zu übertragen und aus demselben Grunde weigerte er sich auch am 6. Auf dem Wege wurde er mehrmal angehalten, und nur Oktober, als der Aufstand in Wien losbrach, die Reichs=, dadurch, daß er sich so viel als möglich unkenntlich machte, tagssitzung zu eröffnen. Nur dadurch, daß dem Ministe=, entging er dem angedrohten Schicksale der Schwarzgelben.

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