252 b. Absetzung Jellachichs. c. Amnestie. Diese Deputation kehrt zurück. Der Kaiser hat die Bildung eines neuen Ministeriums bewilligt, sonst Nichts. Am 7. Oktober verläßt der Kaiser abermals, obwohl die Wiener und der Reichstag nicht eine De¬ monstration gegen seine Person gemacht ha¬ ben, die Stadt und eilt unter starker Militärbedeckung man sagt nach Brünn oder Ollmütz. In einem Manifest erklärt er Wien verlassen zu müssen und er werde anderswo!?! Mittel suchen, die unterjochte Wiener¬ bevölkerung zu befreien. Minister Kraus, der vom Hofe aufgefordert ist dieses Manifest zu contrasigniren, übergibt es dem Reichstage mit der Erklärung: Da es gegen alle konstitutionellen Grundsätze verstoße, werdeer esnicht unterzeichnen. Darauf beschließt der Reichstag eine Denkschrift über die Lage des Staates an den Kaiser und an die Provinzen zu erlassen. Die Versammlung blieb bis 8 Uhr Morgens (Sam¬ stag) beisammen, und suspendirte um diese Zeit auf eine Stunde. 7. Oktober. Abends 7 Uhr. — Die Stimmung ist gedrungen, fest. Die Garde ist von einer bewunde¬ rungswürdigen Einigkeit beseelt — sie steht und fällt mit der Freiheit. Man zählt bis jetzt ungefähr 150 Todte und 400 Verwundete. — Die Reichsversammlung genießt das volle Vertrauen der Bevölkerung. An ihrer Macht und Größe, an den großartigen Maßregeln zur Verthei¬ digung der Stadt stählt sich das Bewußtsein und die Hal¬ tung der Bevölkerung. Dem Reichstag hat man zunächst zu verdanken, daß die Abreise des Kaisers wohl eine schmerzliche, aber keineswegs entmuthigende Wirkung, wie am 18. Mai, hervorbrachte. Auf den Wällen leuchten Wachtfeuer durch die Nacht. Ringsherum bivouakiren un¬ sere Garden. Es sind Männer von Besitz und Intelligenz Doktoren, Hausherren, Beamte, Kaufleute 2c., Männer mit grauen Haaren, aber mit jungen Herzen, von denen schon viele seit 36 Stunden auf dem Posten unabgelöst stehen, und sich nicht vom Flecke rühren. — Einen schmerz¬ lichen Eindruck macht es allgemein, daß das Landvolk der Hauptstadt nicht zu Hülfe eilt. Da wo die Reichsver¬ sammlung tagt, und wo die Männer ihr Blut vergießen, die den Bauern die Freiheit errungen, da ist jetzt die höchste Gefahr, und die Bauern, die uns versprachen, in jeder Gefahr an unserer Seite zu stehen, sie bieten keinen Land¬ sturm auf. Das ist traurig und enttäuscht uns sehr. — — Sämmtliches Militär, das die Kasernen in der Stadt und in den Vorstädten verlassen hat, bivouakirt auf der Höhe des Belvederes. Von dort aus soll die Stadt bombardirt werden. Es mögen an 10000 Mann dort lie¬ gen, doch dürfte es ihnen an nöthigem Geschütz fehlen, da wir die Kanonen aus den Zeughäusern im Besitze ha¬ ben, und das Militär nur das wenige Geschütz besitzt, welches sie aus den Vorstadt=Kasernen mitgeführt haben. Wie wir aus zuverlässigen Quellen hören, würden minde¬ stens 14 Tage dazu gehören, um Wien belagern zu können. Bis jetzt feht es dem Militär an Allem. Ein Straßen¬ kampf ist nun eine Unmöglichkeit. Am Hof haben gestern 200 Mann alles Militär in die Flucht geschlagen, und sechs Kanonen erobert! Die Gloggnitzer und Bruckerbahn ist vom Militär be¬ setzt. Die Mödlingergarde stieg in Meidling ab, und marschirte in die Stadt. — In den hiesigen Gesandschafts¬ kreisen kam die drohende Stellung des Militärs gegen die Stadt zur Sprache. Der englische Gesandte soll geäußert haben, daß es gegen das Völkerrecht wäre, wenn eine Stadt beschossen würde welche die Repräsentanten der Großmächte Europa's in ihren Mauern hat, und daß ein Angriff auf dieselbe die bedeutendsten Folgen nach sich zie¬ hen könnte. 8 Uhr Abends. Beruhigende Nachrichten. Das Miltär hat sich zu seiner eigenen Sicherheit im Schwarzenberg=Garten verbarrikadirt. Das vor der Ta¬ borlinie stehende Militär hat sich zum Abmarsche bereit erklärt. Die Stadt ist ruhig. Ueberblicken wir die ganze Bewegung, so sehen wir einen Kampf des Volkes gegen die entlarvte Reaktion früher hoch privilegirter Klassen, welche durchaus mit ihren Mit¬ bürgern nicht gleich sein wollen vor dem Gesetze. Von Pöbelrevolten und Pöbelherrschaft ist keine Rede, der Reichstag und alle Glieder des jetzigen, mit Anerken¬ nung des Kaisers bestehenden Cumulativ=Ministeri¬ ums haben sich für die Sache des Volkes erklärt. Es handelt sich darum, ob die konstitutionelle Freiheit Oesterreichs eine Wahrheit werden, oder eine süßliche Hof¬ lüge bleiben soll. Was hat das für unsere Freiheit bewaffnete Wien zu fürchten? Eine Belagerung durch jene Theile der Ar mee, die unter dem Einflusse der Camarilla stehen, deren Führer den gemeinen Mann so zu täuschen und zu belügen wissen, daß er, indem er auf seine Brüder feuert, gegen sein eigenes Fleisch, sein eigenes Glück, seine eigene Frei¬ heit wüthet und ganz dabei vergißt, daß er den Sol¬ datenrock nur gezwungen und meist für rei¬ chere und bevorzugtere Leute trägt, die sich begünstigt durch die alte Ordnung der Dinge, für deren Herstellung er jetzt kämpfen muß, dem Dienste entzogen, den er statt ihrer ver¬ richten muß. Was sollen die Provinzen jetzt thun? 1. Alle Nationalgardekörper und Gemeinden sollen Adressen an den Reichstag und die Wiener senden, wo sie beide ihres unwandelbaren Beharrens bei dem kon¬ stitutionellen Prinzipe ihres Vertrauens und ihres Dankes, endlich ihrer thätige Hülfe im Falle der Noth versichern. 2. Der Landeshauptmann oder ständische Präsident soll den Landtag unverweilt zusammenberufen. 3. Sollen die Landtage in Adressen an den Kaiser ihn der alten Treue versichern und bitten a. Er möge die Camarilla desavouiren und von sich entfernen.
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