250 ich seinen Inhalt Andern bekannt werden lassen wollte. Gleichwie ich den Inhalt eines geheimen Gespräches gleich¬ gültig mit mir herumtragen kann und erst nach Jahren zu dem Entschlusse gelange, dieses Geheimniß Jemanden mitzutheilen, so kann ich es auch mit einem Briefe halten. Es muß daher auch bei der gerichtlichen Durchsuchung einer Wohnung und der Papiere von dem Willen des Eigenthümers abhängig gemacht werden, ob er seine, von ihm eröffneten Briefe, vorlegen will. Ich würde daher statt der obigen Fassung dieses Paragraphes, die an alle Schmach des zertrümmerten, schwarzgelben Polizeistaates mahnt, diese beantragen: Das Briefgeheimniß darf nicht verletzt werden, selbst nicht vom Gesetze. Aler. Jul. Schindler. (Fortsetzung folgt.) Zur Geschichte des Tages. Die Nachrichten aus Ungarn sind ungewiß und schwan¬ kend. Bald ist die Armee Jellachichs total aufgerieben, bald nur zurückgedrängt, bald hat der Banus durch eine Kanonenkugel ein Bein verloren, bald ist er siegreich in Ofen eingerückt. Was ist das Wahre? Gewiß das, daß er bis jetzt keinen entscheidenden Sieg erfochten hat, denn diesen hätte er gewiß mit Eilboten dem edlen Kriegs¬ minister mitgetheilt, der nicht ermangelt haben würde Wien mit diesem definitiven Reaktionstriumphe zu allarmiren. Die Wienerzeitung hat die Stirne im A. B. Nr. 122 zu behaupten „die Schandthat der Ermordung Lambergs laste mit nie zu tilgender Schmach auf der Ehre — der Ungarn!!“ Der Mord Lambergs lastet gewiß mit nie zu tilgender Schmach auf Jenen, die ihn verübten haben aber alle Ungarn daran Theil — die Ungarn, das ganze ungarische Volk? Dieses Benehmen der Wie¬ nerzeitung stellt entweder ihren Geist oder ihre Ehrenhaf¬ tigkeit in Frage. Diese Behauptung bin ich bereit, wie Alles was ich schreibe, zu vertreten. Ein neues, contrasignirtes Manifest des Kai¬ sers sichert allen Theilnehmern der Revolution im lombar¬ Pfeffe Auf der Tagesordnung des Reichstages stehen nach wie vor noch immer Geschäfte, die in den Ressort des pro¬ visorischen Ministeriums gehören. Vom Konstituiren noch immer keine Spur. Es ist recht drollig: der Reichstag verrichtet die Geschäfte der Minister und die Minister thun was der Reichstag thun sollte! Die Akademie der Wissenschaften in Petersburg hat namhafte Preise auf die Lösung folgender Aufgaben gestellt: 1) Beweis, daß es Jellachich mit der Freiheit und dem Wohle der Gesammtmonarchie ehrlich meine. 2) Beweis, daß es der Minister und General Latour mit der Freiheit und dem Wohle u. s. w. 3) Beweis, daß es der Minister u. s. w. bis 6) Beweis, daß es die Erzherzogin Sophie u. s. w.; endlich 7) 10,000 Stück Silberrubel für ein Lobgedicht auf das muthige und ausdauernde Benehmen des Erzherzogs und Palatins Stephan in der ungarischen Sache. disch=venetianischen Königreiche vollkommene Amnestie, dem Lande selbst aber eine abgesonderte, von selbst gewählten Volksvertretern entworfene Verfassung. O du alte liebe lothringische Vorliebe für die mit altem, unveränderlichem Hasse gegen deutsches Blut behafteten Italiener! Wie unverkennbar erhebst du dich wieder, um Italien, das treue Welschland, zu beglücken. Was man den durch uralte beschworene Grundgesetze dazu vollberechtigten Ungarn durch blutige Ränke, deren Urheber die Geschichte für immer brandmarken wird, zu entreißen trachtet, das trägt man den von Radetzky gebändigten Italienern auf rothen Kissen entgegen. Oder sieht es mit der Bändigung vielleicht win¬ dig aus? Nachdem Hawliczek mit seinem revolutionären Bundes¬ genossen aus Oberungarn verjagt worden ist, sitzt er wieder im Reichstage — und Niemand stellt ihn zur Rede. Der Reichstag hat es bei der Prüfung der Wahlen bewiesen, daß es ihm ganz gleichgültig ist, wie man Deputirter wird — es scheint ihm leider auch in jeder Hinsicht gleichgültig zu sein, was die Deputirten treiben. 6 körner. Man schreibt uns aus Wien, daß Jellachich vom Kaiser durch ein Manifest zum Civil= und Militärgouver¬ neur von Ungarn ernannt sei. Wir können das nicht glauben, wer würde ein solches Manifest contrasigniren! Es ist wahr, in diesen betrübten Zeiten nehmen Ge¬ walt und Unrecht überhand — noch mehr aber die Dumm¬ heit. So behauptete neulich ein berühmter Statistiker, der Kaiser werde wenn Jellachich gesiegt hat, Ungarn als erobertes Land betrachten und demselben nach seinem Ge¬ fallen eine Verfassung geben. Also: der König von Ungarn wird durch den Sieg eines, gegen die von ihm selbst be¬ schworene Verfassung kämpfenden Rebellen heeres, sein eigenes Reich, das seinen konstitutionellen Befehlen nie den Gehorsam verweigerte, erobern und nach Willkür da¬ mit schalten. Wenn Sie solche Politik traktiren, mein Herr Statistiker, so könnten Sie höchstens bei Ihren beliebten nordamerikanischen Wilden ein Auditorium finden das Sie nicht auslacht. 6 Mit einer politischen Wochenschau Nr. 1. Vermnngsicher Rehaeienr Alex. Iul. Schindler; Murchnenr F. A5. Arming. Druck und Verlag von Haas in Steyr.
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