Zwanglose Blätter, Nr. 59, vom 7. Oktober 1848

248 Es wird hier zugleich bemerkt, daß jeder Paragraph und jeder Theil eines solchen, der in dieser kleinen Ab¬ handlung ohne Bemerkung abgedruckt erscheint, dem Ver¬ fasser insofern die Kürze der Zeit und seine Fähigkeiten eine gründliche Untersuchung zuließen, mit dem Prinzipe einer solchen Monarchie vollkommen übereinstimmend er¬ scheinen. §. 4. Die österreichische Staatsbürgerschaft wird nach den Bestimmungen dieser Konstitutions=Urkunde und eines be¬ sonderen Gesetzes erworben, ausgeübt und verloren. §. 5. Vor dem Gesetze sind alle Staatsbürger gleich. Alle Standesvorrechte und alle Arten von Adelsbezeichnungen sind abgeschafft, und dürfen nicht mehr verliehen werden. Alle Staatsbürger haben ein gleiches Recht zu allen öffentlichen Aemtern. Zu öffentlichen Auszeichnungen oder Belohnungen berechtigt nur das persönliche Verdienst; keine Auszeichnung ist vererblich. Es scheint demnach den bisherigen Fürsten Grafen u. dgl. das unschuldige und unschädliche Vergnügen unge¬ schmälert zu bleiben, sich von seinesgleichen oder seinen Reitknechten u. s. f. Fürst oder Graf nennen zu lassen. Von andern Staatsbürgern, in Taufbüchern oder anderen öffent¬ lichen Urkunden kann er aber diese Bezeichnung nicht for¬ dern. Jedenfalls würde aber der Adel sein Recht auf Militärfreiheit, auf einen privilegirten Gerichtsstand u. dgl. verlieren, sowie der Kaiser Niemand in Zukunft den Adel verleihen könnte. §. 6. Die Freiheit der Person ist gewährleistet. Niemand darf wider seinen Willen dem ordentlichen Richter entzogen werden; privilegirte und Ausnahmsgerichte dürfen nicht bestehen. Niemand darf anders verhaftet werden, als kraft eines richterlichen, mit Gründen versehenen Befehles, den Fall der Betretung auf der That ausgenommen. Der Verhaftungsbefehl muß dem Verhafteten sogleich oder spätestens 24 Stunden nach der Verhaftung zugestellt werden. Jeder von den Organen für die öffentliche Sicherheit Verhaftete muß binnen 24 Stunden an sein ordentliches Gericht abgeführt oder freigelassen werden. Wenn gegen einen Angeschuldigten nicht dringende Anzeigen eines schweren Verbrechens vorliegen, so ist er gegen eine vom Gerichte nach dem Gesetze zu bestimmende Bürgschaft oder Caution auf freiem Fuße zu untersuchen Nach dem ersten Absatze dieses Paragraphes würde das Landrecht für Adelige, Geistliche, landesfürstliche Be¬ amte 2c., die sich eines Verbrechens schuldig gemacht haben, und sonst als Personalinstanz, die Kreisämter in Bezug auf dieselben Personen, wenn sie einer schweren Polizei¬ übertretung schuldig erscheinen, ferner die Gefälls= (Ca¬ meral=) Gerichte, endlich die Berggerichte, auch alle Mi¬ litär= und Seegerichte ihre Personal=Jurisdiktion ver¬ lieren. Die Trefflichkeit dieser Verfügung darf nicht erst erörtert werden. Es ist nicht zu vermuthen, daß hier unter dem Ausdruck „ordentlicher Richter“ nicht auch der Civilrichter verstanden ist, da die Grundrechte nicht nur den strafrechtlichen, sondern auch den civilrechtlichen Be¬ ziehungen der Person des Staatsbürgers Rechnung tragen müssen (Beweis §. 22—26). Es wäre daher an dieser Stelle eine deutliche prinzipielle Verfügung über die Real¬ gerichtsbarkeit und über die etwaige Zulässigkeit von Han¬ dels= und Wechselgerichten wünschenswerth. Im zweiten Absatze dieses Paragraphes sollte der meh¬ reren Sicherheit willen nach dem Wörtchen „eines“ das Beiwort „schriftlichen“ stehen. Ein erheblicher Nutzen der in eben diesem Absatze enthaltenen Verfügung, daß der Verhaftbefehl mit Gründen versehen sein muß, ist aber nicht einzusehen. Denn in dringlichen Fällen verursacht diese Motivirung einen, der öffentlichen Sicherheit eben nicht ersprießlichen Aufenthalt, während man dem zu Ver¬ haftenden gewiß bei der Verhaftung selbst nicht Zeit lassen wird die gegen sein ferneres Belassen in der Freiheit gel¬ tend gemachten Gründe zu widerlegen oder durch einen Sachwalter widerlegen zu lassen. Bei der längstens binnen 24 Stunden zu erfolgenden Stellung des Verhafteten vor sein ordentliches Gericht kann diese Motivirung besser statt¬ finden. Es wäre vielleicht besser statt „mit Gründen“ „mit der Bezeichnung der Ursache des Ver¬ haftes“ zu setzen. S. 7. Das Gerichtsverfahren ist öffentlich und mündlich. Im Strafverfahren hat der Anklage=Prozeß mit Schwurgerichten als Regel zu gelten. Die Ausnahmen von dieser Regel werden durch die besonderen Gesetze be¬ stimmt. Niemand darf wegen einer strafbaren Handlung, rück¬ sichtlich deren er bereits durch das Geschwornengericht für nicht schuldig erklärt wurde, nochmals in Untersuchung ge¬ zogen, noch auch wegen derselben Uebertretung zweimal verurtheilt werden; eben so wenig soll Jemand genöthigt werden, gegen sich selbst auszusagen, oder gegen seine Aeltern, Kinder, Geschwister oder seinen Ehegatten Zeug¬ niß zu geben. Die in den ersten beiden Absätzen dieses Paragraphes ausgesprochenen Prinzipien sind nothwendige Attribute jeder freien Verfassungen, dagegen kann man sich mit der Ver¬ fügung, die am Anfange des dritten Absatzes dieses Para¬ graphes steht, durchaus nicht einverstanden erklären. Es wird nämlich dort beantragt, daß Niemand (sollte wieder heißen: kein österreichischer Staatsbürger) wegen einer straf¬ baren Handlung, deren ihn das Schwurgericht bereits ein¬ mal nichtschuldig erklärt hat, neuerdings in Untersuchung gezogen werden darf. Es ist dieß eine prächtige Verfügung für schlaue Spitzbuben. Wenn sie ihren Streich recht fein angelegt und sich bei Gericht selbst oder durch einen Ver¬ treter pfiffig hinausgelogen haben, so können sie, mögen auch durch die gerechte Fügung des Schicksals die schlagendsten Beweise gegen sie vorkommen, doch nie wieder derselber

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