Zwanglose Blätter, Nr. 59, vom 7. Oktober 1848

er¬ Diese Blätte scheinen wie bishe wöchentlich 2 ma in groß Quart au schönem Maschin¬ papier, und zw jeden Mittwoch und Samstag ein halber Druck¬ bogen, und dieser, wenn es die Anhä fung interessan¬ ten Materials er¬ fordert, noch mit ei¬ ner Beilage, nebst einer wöchentlichen politischen Wochenschau. Zwanglose Blätter Oberösterreich. Preis für den hal¬ ben ährgang iertel¬ fährig 7 ft. 6. M Für Auswärtige: pr. Post unter Con¬ ert: Halbjährig ? iertel¬ 42 h 21 kr. äbrig ! CM. Inserate al¬ ler Art werden auf¬ genommen bei Un¬ terzeichnetem, der Raum einer Zeile mit nur 2 kr. be¬ rechnet. „ero. Steyr am 3. Oktober 1848. 59* Grau, theurer Freund, ist alle Theorie, Und grün des Lebens goldner Baum. Goethe. Der vom Konstitutions=Ausschusse dem Reichs¬ tage vorgelegte Entwurf der Grundrechte. Mit kurzen Erörterungen. §. 1. Alle Menschen haben gleiche angeborene und unver¬ äußerliche Rechte, deren wichtigste sind: das Recht auf Selbsterhaltung, auf persönliche Freiheit, auf Unbescholtenheit und auf Förderung des eigenen geistigen und materiellen Wohles. Die Ausübung dieser Rechte findet nur in den gleichen Rechten jedes Andern ihre natürliche und nothwendige Be¬ schränkung. Da der konstituirende Reichstag berufen ist, ein Grund¬ gesetz für den österreichischen Staat, nicht aber für die ge¬ sammte Menschheit zu Stande zu bringen, so dürfte wohl dieser Paragraph statt mit den Worten „Alle Menschen“ füglicher so: „Alle österreichischen Staatsbürger“ anfangen. Alles was dieser Paragraph außer dem ersten so zu verbessernden Satze „Alle österreichischen Staatsbürger haben gleiche, angeborene und unveräußerliche Rechte“ ent¬ hält, ist überflüssig. Das Hervorheben der vier wichtigsten angeborenen Rechte ist ganz ungehörig und unpraktisch. Die angeborenen Rechte des Menschen sind nicht nur sub¬ jektiv, sondern auch objektiv einander gleich, oder will die österreichische Konstitution eine Rangordnung unter ihnen feststellen? Was insbesondere das Recht auf Unbescholtenheit an¬ belangt, so kann ein solches doch nur dem unbescholtenen und nicht jedem Staatsbürger zustehen. Der überwiesene Dieb oder Betrüger z. B. hat dieses gewiß verwirkt. Wenn der zweite Absatz dieses Paragraphes meint, man könne die Ausübung der Eingangs erwähnten Rechte nur in den gleichen Rechten jedes Andern ihre natürliche und nothwendige Beschränkung suchen lassen, so erschiene die Konstituirung eines Staates überhaupt ganz über¬ flüssig, da eine solche Beschränkung sich auch außerhalb des Staatsverbandes ganz gewiß einstellen, wenn auch nicht auf einer rechtlichen Grundlage feststellen wird. Es wäre demnach dieser letzte Absatz, wenn er schon beibehalten werden soll, so zu stylisiren: „Die Ausübung dieser Rechte findet im Gesetze seine Beschränkung.“ S. 2. Diese Rechte wirksam zu schützen und zu fördern, ist die Aufgabe des Staates; die einzelnen Staatsbürger über¬ tragen von der Gesammtheit ihrer Rechte nur so viel an den Staat, als zu dessen Zwecke nothwendig ist. Den ersten Satz dieses Paragraphes möchte ich lieber so lesen: „Dieses Recht in Uebereinstimmung mit diesem Grundgesetze zu schützen und zu fördern, ist der Zweck des Staates.“ Jellachich meint zum Beispiele unser Recht auf Förderung des eigenen Wohles durch seine Schilderhebung zu schützen und zu fördern, er kann in dieser Meinung und in seiner bekannten wirksamen Weise, auch ohne contrasignirten Befehl des Kaisers, über die Leitha und vor Wien rücken. Der Beisatz „in Ueberein¬ stimmung mit diesem Grundgesetze“ dürfte vor solchen Heim¬ suchungen schützen. Der Ausdruck „Zweck“ statt „Aufgabe“ ist darum vor¬ zuziehen, weil im §. 22 ebenfalls der Ausdruck „Staats¬ zweck“ und nicht „Staatsaufgabe“ gebraucht wird die wichtige Wechselwirkung beider Paragraphen unverkennbar ist und die möglichste Uebereinstimmung und Deutlichkeit wünschenswerth macht. Der Satz „die einzelnen Staats¬ bürger u. s. w.“ wäre ganz wegzulassen. Er gehört mit seinesgleichen in eine Theorie der Staatswissenschaft, aber in kein Gesetz. Ueberdieß ist derselbe Gedanke, und zwar praktisch angewandt, im zweiten Satze des nächsten Para¬ graphes zu lesen. §. 3. Die Gesammtheit der Staatsbürger ist das Volk; alle Staatsgewalten gehen vom Volke aus, und werden auf die in der Konstitution festgesetzte Weise ausgeübt. Der erste Satz gehört mit dem letzten des vorigen Paragraphes in dieselbe Kategorie, wäre daher ebenfalls wegzulassen. Der übrige Theil dieses Paragraphes ist ganz ge¬ nügend und der wahre Grundpfeiler der entsprechenden Verfassung einer demokratisch=konstitutionellen Monarchie.

248 Es wird hier zugleich bemerkt, daß jeder Paragraph und jeder Theil eines solchen, der in dieser kleinen Ab¬ handlung ohne Bemerkung abgedruckt erscheint, dem Ver¬ fasser insofern die Kürze der Zeit und seine Fähigkeiten eine gründliche Untersuchung zuließen, mit dem Prinzipe einer solchen Monarchie vollkommen übereinstimmend er¬ scheinen. §. 4. Die österreichische Staatsbürgerschaft wird nach den Bestimmungen dieser Konstitutions=Urkunde und eines be¬ sonderen Gesetzes erworben, ausgeübt und verloren. §. 5. Vor dem Gesetze sind alle Staatsbürger gleich. Alle Standesvorrechte und alle Arten von Adelsbezeichnungen sind abgeschafft, und dürfen nicht mehr verliehen werden. Alle Staatsbürger haben ein gleiches Recht zu allen öffentlichen Aemtern. Zu öffentlichen Auszeichnungen oder Belohnungen berechtigt nur das persönliche Verdienst; keine Auszeichnung ist vererblich. Es scheint demnach den bisherigen Fürsten Grafen u. dgl. das unschuldige und unschädliche Vergnügen unge¬ schmälert zu bleiben, sich von seinesgleichen oder seinen Reitknechten u. s. f. Fürst oder Graf nennen zu lassen. Von andern Staatsbürgern, in Taufbüchern oder anderen öffent¬ lichen Urkunden kann er aber diese Bezeichnung nicht for¬ dern. Jedenfalls würde aber der Adel sein Recht auf Militärfreiheit, auf einen privilegirten Gerichtsstand u. dgl. verlieren, sowie der Kaiser Niemand in Zukunft den Adel verleihen könnte. §. 6. Die Freiheit der Person ist gewährleistet. Niemand darf wider seinen Willen dem ordentlichen Richter entzogen werden; privilegirte und Ausnahmsgerichte dürfen nicht bestehen. Niemand darf anders verhaftet werden, als kraft eines richterlichen, mit Gründen versehenen Befehles, den Fall der Betretung auf der That ausgenommen. Der Verhaftungsbefehl muß dem Verhafteten sogleich oder spätestens 24 Stunden nach der Verhaftung zugestellt werden. Jeder von den Organen für die öffentliche Sicherheit Verhaftete muß binnen 24 Stunden an sein ordentliches Gericht abgeführt oder freigelassen werden. Wenn gegen einen Angeschuldigten nicht dringende Anzeigen eines schweren Verbrechens vorliegen, so ist er gegen eine vom Gerichte nach dem Gesetze zu bestimmende Bürgschaft oder Caution auf freiem Fuße zu untersuchen Nach dem ersten Absatze dieses Paragraphes würde das Landrecht für Adelige, Geistliche, landesfürstliche Be¬ amte 2c., die sich eines Verbrechens schuldig gemacht haben, und sonst als Personalinstanz, die Kreisämter in Bezug auf dieselben Personen, wenn sie einer schweren Polizei¬ übertretung schuldig erscheinen, ferner die Gefälls= (Ca¬ meral=) Gerichte, endlich die Berggerichte, auch alle Mi¬ litär= und Seegerichte ihre Personal=Jurisdiktion ver¬ lieren. Die Trefflichkeit dieser Verfügung darf nicht erst erörtert werden. Es ist nicht zu vermuthen, daß hier unter dem Ausdruck „ordentlicher Richter“ nicht auch der Civilrichter verstanden ist, da die Grundrechte nicht nur den strafrechtlichen, sondern auch den civilrechtlichen Be¬ ziehungen der Person des Staatsbürgers Rechnung tragen müssen (Beweis §. 22—26). Es wäre daher an dieser Stelle eine deutliche prinzipielle Verfügung über die Real¬ gerichtsbarkeit und über die etwaige Zulässigkeit von Han¬ dels= und Wechselgerichten wünschenswerth. Im zweiten Absatze dieses Paragraphes sollte der meh¬ reren Sicherheit willen nach dem Wörtchen „eines“ das Beiwort „schriftlichen“ stehen. Ein erheblicher Nutzen der in eben diesem Absatze enthaltenen Verfügung, daß der Verhaftbefehl mit Gründen versehen sein muß, ist aber nicht einzusehen. Denn in dringlichen Fällen verursacht diese Motivirung einen, der öffentlichen Sicherheit eben nicht ersprießlichen Aufenthalt, während man dem zu Ver¬ haftenden gewiß bei der Verhaftung selbst nicht Zeit lassen wird die gegen sein ferneres Belassen in der Freiheit gel¬ tend gemachten Gründe zu widerlegen oder durch einen Sachwalter widerlegen zu lassen. Bei der längstens binnen 24 Stunden zu erfolgenden Stellung des Verhafteten vor sein ordentliches Gericht kann diese Motivirung besser statt¬ finden. Es wäre vielleicht besser statt „mit Gründen“ „mit der Bezeichnung der Ursache des Ver¬ haftes“ zu setzen. S. 7. Das Gerichtsverfahren ist öffentlich und mündlich. Im Strafverfahren hat der Anklage=Prozeß mit Schwurgerichten als Regel zu gelten. Die Ausnahmen von dieser Regel werden durch die besonderen Gesetze be¬ stimmt. Niemand darf wegen einer strafbaren Handlung, rück¬ sichtlich deren er bereits durch das Geschwornengericht für nicht schuldig erklärt wurde, nochmals in Untersuchung ge¬ zogen, noch auch wegen derselben Uebertretung zweimal verurtheilt werden; eben so wenig soll Jemand genöthigt werden, gegen sich selbst auszusagen, oder gegen seine Aeltern, Kinder, Geschwister oder seinen Ehegatten Zeug¬ niß zu geben. Die in den ersten beiden Absätzen dieses Paragraphes ausgesprochenen Prinzipien sind nothwendige Attribute jeder freien Verfassungen, dagegen kann man sich mit der Ver¬ fügung, die am Anfange des dritten Absatzes dieses Para¬ graphes steht, durchaus nicht einverstanden erklären. Es wird nämlich dort beantragt, daß Niemand (sollte wieder heißen: kein österreichischer Staatsbürger) wegen einer straf¬ baren Handlung, deren ihn das Schwurgericht bereits ein¬ mal nichtschuldig erklärt hat, neuerdings in Untersuchung gezogen werden darf. Es ist dieß eine prächtige Verfügung für schlaue Spitzbuben. Wenn sie ihren Streich recht fein angelegt und sich bei Gericht selbst oder durch einen Ver¬ treter pfiffig hinausgelogen haben, so können sie, mögen auch durch die gerechte Fügung des Schicksals die schlagendsten Beweise gegen sie vorkommen, doch nie wieder derselber

249 That wegen vor Gericht gezogen werden. Noch schreiender stellt sich aber diese Anomalie heraus, wenn der von einem nicht klar sehenden oder irrenden Schwurgerichte freige¬ sprochene Verbrecher nachträglich in sich geht und sich frei¬ willig bei Gericht als Thäter jenes Verbrechens angibt, dessen er früher schon einmal nichtschuldig gesprochen wor¬ den ist. Auch dann dürfte er nicht einmal in Untersuchung gezogen werden. Wie absurd! Unser Reichstag ist recht unglücklich im Gesetzegeben und Gesetzeentwerfen, ohne daß sich Jemand darüber wundert. Uebrigens sollte der ganze dritte Absatz dieses Para¬ graphes besser wegbleiben, da er in Spezialitäten eingeht, die in den gesetzlichen Bestimmungen über das gerichtliche Verfahren im Strafprozesse ihre Erledigung finden müssen, durchaus aber in das Staatsgrundgesetz nicht gehören. §. 8. Eine Strafe kann nur durch gerichtlichen Spruch nach einem zur Zeit des Vergehens schon bestandenen Gesetze verhängt werden. Die Todesstrafe ist abgeschafft. Die Strafen der öffentlichen Arbeit, der öffentlichen Ausstellung, der körperlichen Züchtigung, der Brandmar¬ kung und der Vermögens=Einziehung dürfen nicht ange¬ wendet werden. Ich behalte mir vor meine Ansicht über die Abschaf¬ fung der Todesstrafe an einem anderen Orte gründlich zu entwickeln. Hier genüge die Bemerkung, daß überall die Majorität dafür stimmt. §. 9. Das Hausrecht ist unverletzlich. Eine Durchsuchung der Wohnung und der Papiere oder eine Beschlagnahme der letztern, kann nur über richterliche Verordnung in den vom Gesetze bestimmten Fällen und auf die vom Gesetze bestimmte Art vorgenommen werden. Die Unverletzlichkeit des Hausrechtes ist kein Hinderniß der Verhaftung eines gerichtlich Verfolgten. Gegen diesen Paragraph, der ganz so ist wie die entsprechenden Paragraphe in den freiesten Verfassungen, läßt sich vom theoretischen Standpunkte nichts einwenden, es wird aber immer eine der schwierigsten Aufgaben un¬ serer künftigen Gesetzgebung bleiben, die Durchwühlung und Durchschnüffelung aller Laden und Papiere, das nächt¬ liche, wenn auch durch schriftlichen und richterlichen Befehl gebotene Eindringen in friedliche Wohnungen u. dgl. mit dem einmal ausgesprochenen Prinzipe der Unverletzlichkei des Hausrechtes in Einklang zu bringen. Das neueste preußische Gesetz in dieser Richtung verdient als eine nicht schlecht gelungene Arbeit die Berücksichtigung unserer künf¬ tigen Gesetzgeber, obwohl auch es der herbsten Härten noch genug enthält. s. 10. Das Briefgeheimniß darf nicht verletzt, und die Be¬ schlagnahme von Briefen nur auf Grund eines richterlichen Befehles und nach den Bestimmungen des Gesetzes vor¬ genommen werden. Wer wird einem Manne Dank sagen, der mit einer Hand gibt und mit der anderen nimmt? Wer wird das Sammtpfötchen nicht scheuen, das plötzlich seine verwun¬ denden Krallen hervorstreckt? Aehnlicher Betrachtungen wird sich kein denkender Mann bei Durchlesung obigen Paragraphes erwehren können. Dieser Paragraph gleicht ganz den übertünchten Gräbern, die außen rein und blank und innen voll Moders sind, und von denen irgendwo in der Bibel die Rede ist. „Das Briefgeheimniß darf nicht verletzt werden!“ Wie beruhigend, wie ehrlich klingt dieß nicht. Aber gleich darauf ist die Beschlagnahme von Brie¬ fen zulässig erklärt (nicht von eröffneten die man schon zu Hause hat sondern von den versiegelten, die für uns noch auf der Post laufen). Was nutzen da alle Befehle, alle Bestimmungen des Gesetzes. Jede Beschlagnahme eines Briefes ist ein roher Eingriff der Gewalt in die Freiheit des Gedankens — und so viel sollten uns doch unsere glorreichen Revolutionen der März= und Maitage gebracht haben, daß man frei denken darf, ohne Jemand Rechen¬ schaft darüber geben zu müssen. Denn mein Brief, so lange er versiegelt ist, ist dasselbe wie der Gedanke in meinem Kopfe, der, wenn auch vollständig ausgebildet, von mir noch nicht mit Worten ausgesprochen ist. Sowie mich Niemand zwingen darf meine Gedanken gegen jemand Anderen auszusprechen, als gegen den, dem ich ihn mit¬ theilen will, ebenso ungerecht ist es, wenn meinen Brief jemand Anderer erbricht und liest, als der an den ich ihn geschrieben habe. Der unerbrochene Brief ist nichts als ein Gedanke, den noch Niemand kennt. Bricht ihn ein Anderer auf als der an den er gerichtet ist, so stört er den freien geistigen Verkehr zweier Menschen, denen Gewissens= Rede= und Preßfreiheit, obendrein Unverletzlichkeit des Briefgeheimnisses garantirt ist. Ein solcher widerrechtlicher Vorgang ist aber meistens ganz zwecklos. Denn wird ein Brief aufgefangen, der einen Dritten zum Verbrechen anreizt, so unterblieb die Anreizung, da sie dem, der verleitet werden sollte, gar nicht wahrnehmbar wurde, ebenso, als wenn sich der Brief¬ schreiber vorgenommen hätte jenen Dritten mündlich zu ver¬ führen und er wäre mit ihm nicht zu sprechen gekommen. Der Brief muß, bis er durch die Hände der Post in den Händen des Adressaten ist, frei und sicher sein, wie der Gedanke, der noch unausgesprochen in mir lebt. Hat der Adressat ihn erhalten, so muß er ihn ungehindert als sein Geheimniß lesen und nachdem er ihn gelesen hat, nach Wohlgefallen aufbewahren oder vernichten können, sowie es mir frei stehen muß, mit einem Dritten mich ohne Zeugen zu besprechen und den Inhalt des Gespräches für ewig ver¬ schwiegen in meiner Brust zu behalten, ohne daß man eine Gewalt, irgend eine Folter anwenden darf, mir ihn zu entreißen. Ich gehe aber noch weiter. Auch wenn ich den Brief nicht vernichtet habe und er schon jahrelang in meiner Schreibstube liegt, darf noch immer Niemand ohne mei¬ nen Willen davon Einsicht nehmen. Denn dadurch daß ich ihn nicht vernichtete, bewies ich noch nicht, daß

250 ich seinen Inhalt Andern bekannt werden lassen wollte. Gleichwie ich den Inhalt eines geheimen Gespräches gleich¬ gültig mit mir herumtragen kann und erst nach Jahren zu dem Entschlusse gelange, dieses Geheimniß Jemanden mitzutheilen, so kann ich es auch mit einem Briefe halten. Es muß daher auch bei der gerichtlichen Durchsuchung einer Wohnung und der Papiere von dem Willen des Eigenthümers abhängig gemacht werden, ob er seine, von ihm eröffneten Briefe, vorlegen will. Ich würde daher statt der obigen Fassung dieses Paragraphes, die an alle Schmach des zertrümmerten, schwarzgelben Polizeistaates mahnt, diese beantragen: Das Briefgeheimniß darf nicht verletzt werden, selbst nicht vom Gesetze. Aler. Jul. Schindler. (Fortsetzung folgt.) Zur Geschichte des Tages. Die Nachrichten aus Ungarn sind ungewiß und schwan¬ kend. Bald ist die Armee Jellachichs total aufgerieben, bald nur zurückgedrängt, bald hat der Banus durch eine Kanonenkugel ein Bein verloren, bald ist er siegreich in Ofen eingerückt. Was ist das Wahre? Gewiß das, daß er bis jetzt keinen entscheidenden Sieg erfochten hat, denn diesen hätte er gewiß mit Eilboten dem edlen Kriegs¬ minister mitgetheilt, der nicht ermangelt haben würde Wien mit diesem definitiven Reaktionstriumphe zu allarmiren. Die Wienerzeitung hat die Stirne im A. B. Nr. 122 zu behaupten „die Schandthat der Ermordung Lambergs laste mit nie zu tilgender Schmach auf der Ehre — der Ungarn!!“ Der Mord Lambergs lastet gewiß mit nie zu tilgender Schmach auf Jenen, die ihn verübten haben aber alle Ungarn daran Theil — die Ungarn, das ganze ungarische Volk? Dieses Benehmen der Wie¬ nerzeitung stellt entweder ihren Geist oder ihre Ehrenhaf¬ tigkeit in Frage. Diese Behauptung bin ich bereit, wie Alles was ich schreibe, zu vertreten. Ein neues, contrasignirtes Manifest des Kai¬ sers sichert allen Theilnehmern der Revolution im lombar¬ Pfeffe Auf der Tagesordnung des Reichstages stehen nach wie vor noch immer Geschäfte, die in den Ressort des pro¬ visorischen Ministeriums gehören. Vom Konstituiren noch immer keine Spur. Es ist recht drollig: der Reichstag verrichtet die Geschäfte der Minister und die Minister thun was der Reichstag thun sollte! Die Akademie der Wissenschaften in Petersburg hat namhafte Preise auf die Lösung folgender Aufgaben gestellt: 1) Beweis, daß es Jellachich mit der Freiheit und dem Wohle der Gesammtmonarchie ehrlich meine. 2) Beweis, daß es der Minister und General Latour mit der Freiheit und dem Wohle u. s. w. 3) Beweis, daß es der Minister u. s. w. bis 6) Beweis, daß es die Erzherzogin Sophie u. s. w.; endlich 7) 10,000 Stück Silberrubel für ein Lobgedicht auf das muthige und ausdauernde Benehmen des Erzherzogs und Palatins Stephan in der ungarischen Sache. disch=venetianischen Königreiche vollkommene Amnestie, dem Lande selbst aber eine abgesonderte, von selbst gewählten Volksvertretern entworfene Verfassung. O du alte liebe lothringische Vorliebe für die mit altem, unveränderlichem Hasse gegen deutsches Blut behafteten Italiener! Wie unverkennbar erhebst du dich wieder, um Italien, das treue Welschland, zu beglücken. Was man den durch uralte beschworene Grundgesetze dazu vollberechtigten Ungarn durch blutige Ränke, deren Urheber die Geschichte für immer brandmarken wird, zu entreißen trachtet, das trägt man den von Radetzky gebändigten Italienern auf rothen Kissen entgegen. Oder sieht es mit der Bändigung vielleicht win¬ dig aus? Nachdem Hawliczek mit seinem revolutionären Bundes¬ genossen aus Oberungarn verjagt worden ist, sitzt er wieder im Reichstage — und Niemand stellt ihn zur Rede. Der Reichstag hat es bei der Prüfung der Wahlen bewiesen, daß es ihm ganz gleichgültig ist, wie man Deputirter wird — es scheint ihm leider auch in jeder Hinsicht gleichgültig zu sein, was die Deputirten treiben. 6 körner. Man schreibt uns aus Wien, daß Jellachich vom Kaiser durch ein Manifest zum Civil= und Militärgouver¬ neur von Ungarn ernannt sei. Wir können das nicht glauben, wer würde ein solches Manifest contrasigniren! Es ist wahr, in diesen betrübten Zeiten nehmen Ge¬ walt und Unrecht überhand — noch mehr aber die Dumm¬ heit. So behauptete neulich ein berühmter Statistiker, der Kaiser werde wenn Jellachich gesiegt hat, Ungarn als erobertes Land betrachten und demselben nach seinem Ge¬ fallen eine Verfassung geben. Also: der König von Ungarn wird durch den Sieg eines, gegen die von ihm selbst be¬ schworene Verfassung kämpfenden Rebellen heeres, sein eigenes Reich, das seinen konstitutionellen Befehlen nie den Gehorsam verweigerte, erobern und nach Willkür da¬ mit schalten. Wenn Sie solche Politik traktiren, mein Herr Statistiker, so könnten Sie höchstens bei Ihren beliebten nordamerikanischen Wilden ein Auditorium finden das Sie nicht auslacht. 6 Mit einer politischen Wochenschau Nr. 1. Vermnngsicher Rehaeienr Alex. Iul. Schindler; Murchnenr F. A5. Arming. Druck und Verlag von Haas in Steyr.

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