Zwanglose Blätter, Nr. 58, vom 4. Oktober 1848

244 wendigkeit einer solchen und auf die schlimmen Folgen der Lücke aufmerksam gemacht hätten. Wie leicht wäre es ge¬ wesen ein provisorisches Ministerium von einem oder zwei dem kaiserlichen Hause ergebenen Männern zu bilden und durch ihre Gegenzeichnung wenigstens die Form zu retten! Die unsichtbaren Rathsmanner haben dieß verschmäht. Wir haben somit ein ernstes Recht zu fragen, wer steht dieser auswärtigen Politik im Innern Oesterreichs vor? Wer ist dieser spiritus familiaris, dessen Staatsstreiche die uns Allen so nothwendige Ordnung im Staatsleben erschüttern?“ Aler. Jul. Schindler. Der Erzbischof von Paris und Louis Philipp. Der Erzbischof von Paris, d’Affre war einer jener schlauen und hartnäckigen Anhänger jener jesuitischen Par¬ thei, welche um jeden Preis die Kirche, oder vielmehr die Geistlichen, vom Staate unabhängig sehen wollten, damit die alte Zeit mit ihren Ketzergerich¬ ten, mit ihrem dummen Fanatismus, mit ihren plum¬ pen Wundern und andern einträglichen Volksbetrügereien, wo nicht gar mit den Bannstrahlen, die selbst Fürsten kirrten wiederkehre. Louis Philipp ebenso volksfeindlich und herrschsüchtig wie der Erzbischof, lag in beständigem Kriege mit diesem Kirchenfürsten. Der letzte Zusammenstoß beider geschah in einer Audienz, die kurz vor der Februar¬ revolution die bekanntlich dem Könige von Frankreich die Krone kostete, stattfand. In den Jahrbüchern der Philo¬ sophie schildert eine Stimme der obigen Parthei diese Au¬ dienz in folgender Weise: „Die Stunde der Audienz ward festgesetzt und der Prälat war pünktlich auf dem Rendezvous. Der König, erzählte der Erzbischof, empfing mich in seinem Salon und führte mich, wie es in seiner Gewohnheit war, in eine Fensternische, wo er mich zum Sitzen einlud. Eine Zeit lang beobachteten wir Beide das Stillschweigen; endlich aber ergriff ich das Wort und sprach: Da ich erfahren habe, daß der König mich zu sehen wünscht. ... „Ich“, rief der König aus, „ich habe ihnen nichts zu sagen. Man hat mir vielmehr gesagt, daß Sie mich zu sprechen wün¬ schen, und ich bin bereit, Sie zu hören.“— Wohlan, der König wird die Veranlassung meines Besuches kennen; da ich mich nicht noch einmal einer Beschimpfung aus¬ setzen will so ist es meine Absicht, an der Namensfeier Euer Majestät an der Spitze meines Clerus zu erscheinen, ohne indessen eine Rede zu halten. — „Ich begreife; das ist ein neuer Angriff, den Sie gegen mich im Schilde führen; ich glaubte, unsere Discussionen hätten ein Ende gefunden, aber es scheint, daß Sie sie wieder anfangen wollen. Wenn ich die Publikation Ihrer Rede verhindert habe, so geschah es, weil Sie sich unpassende Rathschläge in derselben erlaubt hatten.“ — Ich bitte den König um Verzeihung, aber weder meine Absichten, noch meine Worte konnten diesen Sinn haben; die Freiheit fordern und nicht die Protektion, ist vielleicht die bescheidenste Bitte, welche die Kirche aussprechen kann. „Und ich will davon nichts hören; Sie rufen mit Ihren Forderungen und Ihren Jour¬ nalen überall Verwirrung hervor.“ — Und zu einer andern Frage übergehend setzte Ludwig Philipp hinzu: „So Der entlarv Die Pesther Amtszeitung „Közlöny“ theilte folgende, einem Jellachich'schen Courier abgenommenen Briefe mit, wovon der erste beweist, daß Jellachich ganz im Einver¬ ständnisse mit dem vortrefflichen Volksfreund und Kriegs¬ minister Latour handelt, und von diesem mit ungeheuren Summen zur Fortsetzung seines eigenmächtigen und mithin rebellischen Krieges unterstützt wird der zweite zeigt wie der Banus kaiserliche Truppen an sich zu ziehen und daher zum Verrath an der gesetzlichen Gewalt zu verleiten trachtet, weiß ich z. B., daß Sie vor kurzem ein Concil zu Saint Das war kein Concil Germain versammelt haben.“ Wohl aber sind mehrere Bischöfe, meine Freunde, zu mir gekommen, und der Gegenstand unsers Gespräches waren mehrere Punkte der Kirchen=Disciplin. — „O! ich wußte es wohl, daß Sie ein Concil berufen hatten; aber ver¬ gessen Sie nicht, daß Sie dazu kein Recht haben.“ Bis zu diesem Augenblicke, erzählte der Erzbischof, hatte ich dem Könige mit großer Zurückhaltung und fast ohne ihn anzublicken geantwortet; aber bei jenem Worte heftete ich meine Blicke auf ihn und sagte ihm mit fester Stimme Verzeihung, Sire, wir haben das Recht dazu, denn die Kirche war zu jeder Zeit befugt, ihre Bischöfe zu versam¬ meln, um die Angelegenheiten ihrer Diöcesen zu bespre¬ „Das sind ihre Prätensionen, aber ich werde das chen. — zu verhindern wissen; auch hat man mir gesagt, daß Sie einen Abgeordneten an den Papst geschickt haben. Zu wel¬ chem Zwecke?“ — Wenn dieß mein Geheimniß wäre so würde ich es auf der Stelle dem Könige mittheilen, aber es ist auch das meiner Collegen, und ich kann es daher Euer Majestät nicht anvertrauen. Bei diesen Worten erhob sich der König, roth vor Zorn, und rief aus: Erzbischof, denken Sie daran, daß man mehr als eine Mitra zerbro¬ chen hat.“ — Das ist wahr Sire; aber möge Gott die Krone des Königs in seinen Schutz nehmen, denn man hat auch viele Kronen zertrümmert. Das war meine letzte Audienz bei Lud¬ wig Philipp.“ Wenn es auch nicht mit dürren Worten ausgespro¬ chen ist, so ist doch die alte Manier jener Parthei allzu bekannt, um nicht auf den ersten Blick zu erkennen, daß sie durch diese Darstellung jener Audienz dem Falle Louis Philipps den Anschein eines Strafgerichtes dafür geben will, daß er den Uebergriffen der Geistlichkeit sich entge¬ genstellte. Ich meine wenn Gott den König der Fran¬ zosen stürzen wollte, so fand er dazu andere Ursachen ge¬ nug; um aber beiden Theilen gerecht zu werden, moge man ja nicht vergessen, daß auch der Erzbischof d'Affre wenige Wochen nach dem Sturze seines mächtigen Feindes tödtlich verwundet auf das Straßenpflaster von Paris hinsank. Aber lassen wir diese fatalistischen Betrachtungen, fürwahr es wäre einmal Zeit, daß die Partheien ihre Todten und ihre Irrthümer beweinten und sich zu einem Alles beglückendem Frieden die Hand böten. eJellachich. und der dritte unwiderleglich darthut, daß Jellachich mit Mißachtung aller Befehle des Kaisers auf seine eigene Faust den Kaiserstaat in einen Verfassungszustand zu ver¬ setzen trachtet der von ihm und der Camarilla der wünschenswertheste erscheint. Namentlich der Inhalt des dritten Briefes beweist, daß Jellachich, trotz allen sanft klingenden Floskeln, doch die Souveränität des Kaisers ebensowenig achtet als die konstitutionelle Frei¬ heit des Volkes, daß er der frechste Rebell im öster¬

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