Zwanglose Blätter, Nr. 58, vom 4. Oktober 1848

Diese Blätter er¬ scheinen wie bis wöchentlich 2 mal in groß Quart auf schönem Maschin¬ papier, und zwar jeden Mittwoch und Samst ein halber bogen, und dieser wenn es die Anhäu¬ fung interessan¬ ten Materials er¬ fordert, noch miter¬ ner Beilage, nebst einer wöchenttichen olitrsiben Wochenschau. Zwanglose Blätter aus Oberösterreich. Preis für den hal¬ ben Jahrgang I.S. M., viertel¬ jährig 1 fl. C. M. Für Auswärtige: pr. Post unter Con¬ pert: Halbjährig 42 kr., viertel¬ jährig 1 fl. 21 kr. CM. Inserate al¬ ler Art werden auf¬ genommen bei Un¬ terzeichnetem, der Raum einer Zeile mit nur 2 kr. be¬ rechnet. „ero. 58. Steyr am 4. Oktober 1848. Hört ihr's dumpf in Osten klingen? Er möcht' euch gar zu gern verschlingen, Der Geier, der nach Beute kreist. Geibel. Die ungarische Katastrophe. Der Ban von Kroatien rückt mit seiner Armee gegen Buda=Pesth, weil er die Grundgesetze des Reiches, das vom Kaiser eingesetzte Ministerium und die Eristenz eines konstitutionellen österreichischen Kaiserthrones nicht nach sei¬ nem Geschmacke findet. Der österreichische Kriegsminister unterstützt seine rebellischen Truppen mit Geld — da sie wenn auch Rebellen — doch nicht verhungern können. Oder befindet sich der Ban etwa im Stande der Noth¬ wehr? Briefe des Banus werden aufgefangen, welche seine eigenmächtigen, absolutistischen Absichten beweisen, trotz allen Winkelzügen der Wienerzeitung. Es erscheint ein Manifest des Kaisers an die Ungarn, ohne von einem Minister contrasignirt zu sein und ernennt den Grafen Lamberg zum General=Militär= und Pacifikationskommissär in Ungarn sammt allen Nebenländern. Die Vertreter des ungarischen Volkes erklären das Manifest, gestützt auf ihre Grundgesetze, für ungültig — nun kommt das Unglück in Gestalt eines verbrecherischen Volkshaufens, der den Grafen Lamberg auf der Pesther Brücke auf abscheuliche Weise mordet. Inzwischen rückt der Banus unter Kanonendonner näher, in Buda=Pesth ist ein Sicherheitsausschuß unter Kossuths Vorsitz errichtet. Das Weitere liegt in Gottes Hand. Aus dieser Saat von Blut und Schrecken sollen die Halme unseres Friedens sprossen!? Ich wälze die Schuld alles dieses Unheils auf Jene, welche den Ban zur Rebellion verleiteten und ihn in seinem fluchwürdigen Unternehmen unterstützten, die es den Ungarn zum Verbrechen machten, daß sie mit Stolz jene alten Rechte ausübten, die ihnen der Kaiser unmittelbar nach den Märztagen und spät nach der Ungunst despotisch drücken¬ der Jahre mit eben der Freiheit des Willens zugestand, mit der er auf sein absolutes Herrscherrecht in den übrigen Provinzen verzichtete. Hätten die Ungarn durch Uebergriffe die Eristenz der Monarchie in Frage gestellt, so hätte Oesterreich gewiß noch gesetzliche Kräfte zum Schutze seiner Selbständigkeit zu Gebote gehabt, und wäre meiner Meinung nach durchaus nicht in der Lage gewesen sich einem Manne in die Arme zu werfen, der längst den Boden des Gesetzes verlassen hat, und den Kaiser wie ein Kind zu bevormunden sich anmaßt. Wir sind Bürger eines freien Staates, wir stehen Mann an Mann um den konstitutionellen Thron, von dem ein geliebter Kaiser in Uebereinstimmung mit unserem Willen uns beherrscht wir werden unserem Vaterlande Ordnung, Recht und Blüthe verschaffen, und brauchen keinen pflicht¬ vergessenen und eidbrüchigen Mann, der uns mit dem Brande unschuldiger Städte und Dörfer und mit dem Blute unserer Mitbrüder — von uns gleich geliebt, mögen sie Slaven oder Magyaren sein — den Weg weisen zu müssen vermeint, auf dem wir glücklich werden sollen. Die Wienerzeitung, ein charakterloses und leider nur allzu verbreitetes Blatt, klagt für den Mord des Grafen Lamberg die Ungarn an. Es ist schändlich, wenn man von einer gewissen Seite Völker gegen Völker hetzt und die Nationen an einen gegenseitigen Haß glauben machen will. Nein, die Völker Oesterreichs hassen sich nicht, aber es steht eine Parthei an der Spitze unserer Heere, be¬ dauerlich nahe an der Person unseres Kaisers, welche die Völker haßt, weil und so lange sie frei sind Ich will hier zum Schlusse eine Stelle aus Kuranda's Ost=deutscher Post anführen, die zeigen soll, wie auch er¬ probte Politiker das unglückselige Manifest an die Ungarn und das, für die Dynastie und den Staat gleich verderb¬ liche Treiben der Camarilla und ihres Feldherrn beurtheilen. „Das kaiserliche Manifest an die Ungarn — ohne Contrasignatur eines verantwortlichen Ministers muß die entschiedendste Mißbilligung auch Derjenigen erhalten, die mit der Politik und dem Inhalte des Manifestes einver¬ standen sind. Die eclatante Umgehung einer so wesent¬ lichen politischen Form in einem Augenblicke wo die Gemüther im Gesammtstaate noch voll entzündbarem, ge¬ fährlichem Mißtrauen gegen die freie Gestaltung unserer zukünftigen Verfassung sind konnte bei den sonst so scharf¬ sinnigen und feinberechnenden Urhebern und Verfassern jenes Manifestes unmöglich als eine bloße Vernachläßigung geschehen sein. Wer ist der unbekannte Verfasser dieses Aktenstückes? Wer sind die unsichtbaren Rathgeber der Krone, die so vortrefflich schreiben, so zäh handeln, so machiavellistisch denken? Keiner kennt sie, Niemand weiß sie zu nennen. Ein glaubwürdiger Offizier versicherte uns, Graf Latour habe in einem Privatkreise mit aller Bestimmt¬ heit versichert, er habe keine Ahnung, wer der eigentliche Verfasser des Manifestes ist. Wer sind also jene unsicht¬ baren Götter, welche die sichtbaren beherrschen? Wer sind jene Herren über die Herren? Wir glauben der Ehrfurcht, die wir für die Mitglieder der kaiserlichen Familie hegen, nicht nahe zu treten, wenn wir behaupten, es sei Keiner unter ihnen, der das pub¬ lizistische Talent hat, ein solches Aktenstück zu verfassen. Wir glauben andererseits, daß die kaiserliche Familie viel zu vorsichtig, viel zu versöhnlichen ung'vermittelnden Sinnes ist, um nicht die Contrasignatur eines Ministers zu ver¬ langen, wenn die unsichtbaren Rathgeber sie auf die Noth¬

244 wendigkeit einer solchen und auf die schlimmen Folgen der Lücke aufmerksam gemacht hätten. Wie leicht wäre es ge¬ wesen ein provisorisches Ministerium von einem oder zwei dem kaiserlichen Hause ergebenen Männern zu bilden und durch ihre Gegenzeichnung wenigstens die Form zu retten! Die unsichtbaren Rathsmanner haben dieß verschmäht. Wir haben somit ein ernstes Recht zu fragen, wer steht dieser auswärtigen Politik im Innern Oesterreichs vor? Wer ist dieser spiritus familiaris, dessen Staatsstreiche die uns Allen so nothwendige Ordnung im Staatsleben erschüttern?“ Aler. Jul. Schindler. Der Erzbischof von Paris und Louis Philipp. Der Erzbischof von Paris, d’Affre war einer jener schlauen und hartnäckigen Anhänger jener jesuitischen Par¬ thei, welche um jeden Preis die Kirche, oder vielmehr die Geistlichen, vom Staate unabhängig sehen wollten, damit die alte Zeit mit ihren Ketzergerich¬ ten, mit ihrem dummen Fanatismus, mit ihren plum¬ pen Wundern und andern einträglichen Volksbetrügereien, wo nicht gar mit den Bannstrahlen, die selbst Fürsten kirrten wiederkehre. Louis Philipp ebenso volksfeindlich und herrschsüchtig wie der Erzbischof, lag in beständigem Kriege mit diesem Kirchenfürsten. Der letzte Zusammenstoß beider geschah in einer Audienz, die kurz vor der Februar¬ revolution die bekanntlich dem Könige von Frankreich die Krone kostete, stattfand. In den Jahrbüchern der Philo¬ sophie schildert eine Stimme der obigen Parthei diese Au¬ dienz in folgender Weise: „Die Stunde der Audienz ward festgesetzt und der Prälat war pünktlich auf dem Rendezvous. Der König, erzählte der Erzbischof, empfing mich in seinem Salon und führte mich, wie es in seiner Gewohnheit war, in eine Fensternische, wo er mich zum Sitzen einlud. Eine Zeit lang beobachteten wir Beide das Stillschweigen; endlich aber ergriff ich das Wort und sprach: Da ich erfahren habe, daß der König mich zu sehen wünscht. ... „Ich“, rief der König aus, „ich habe ihnen nichts zu sagen. Man hat mir vielmehr gesagt, daß Sie mich zu sprechen wün¬ schen, und ich bin bereit, Sie zu hören.“— Wohlan, der König wird die Veranlassung meines Besuches kennen; da ich mich nicht noch einmal einer Beschimpfung aus¬ setzen will so ist es meine Absicht, an der Namensfeier Euer Majestät an der Spitze meines Clerus zu erscheinen, ohne indessen eine Rede zu halten. — „Ich begreife; das ist ein neuer Angriff, den Sie gegen mich im Schilde führen; ich glaubte, unsere Discussionen hätten ein Ende gefunden, aber es scheint, daß Sie sie wieder anfangen wollen. Wenn ich die Publikation Ihrer Rede verhindert habe, so geschah es, weil Sie sich unpassende Rathschläge in derselben erlaubt hatten.“ — Ich bitte den König um Verzeihung, aber weder meine Absichten, noch meine Worte konnten diesen Sinn haben; die Freiheit fordern und nicht die Protektion, ist vielleicht die bescheidenste Bitte, welche die Kirche aussprechen kann. „Und ich will davon nichts hören; Sie rufen mit Ihren Forderungen und Ihren Jour¬ nalen überall Verwirrung hervor.“ — Und zu einer andern Frage übergehend setzte Ludwig Philipp hinzu: „So Der entlarv Die Pesther Amtszeitung „Közlöny“ theilte folgende, einem Jellachich'schen Courier abgenommenen Briefe mit, wovon der erste beweist, daß Jellachich ganz im Einver¬ ständnisse mit dem vortrefflichen Volksfreund und Kriegs¬ minister Latour handelt, und von diesem mit ungeheuren Summen zur Fortsetzung seines eigenmächtigen und mithin rebellischen Krieges unterstützt wird der zweite zeigt wie der Banus kaiserliche Truppen an sich zu ziehen und daher zum Verrath an der gesetzlichen Gewalt zu verleiten trachtet, weiß ich z. B., daß Sie vor kurzem ein Concil zu Saint Das war kein Concil Germain versammelt haben.“ Wohl aber sind mehrere Bischöfe, meine Freunde, zu mir gekommen, und der Gegenstand unsers Gespräches waren mehrere Punkte der Kirchen=Disciplin. — „O! ich wußte es wohl, daß Sie ein Concil berufen hatten; aber ver¬ gessen Sie nicht, daß Sie dazu kein Recht haben.“ Bis zu diesem Augenblicke, erzählte der Erzbischof, hatte ich dem Könige mit großer Zurückhaltung und fast ohne ihn anzublicken geantwortet; aber bei jenem Worte heftete ich meine Blicke auf ihn und sagte ihm mit fester Stimme Verzeihung, Sire, wir haben das Recht dazu, denn die Kirche war zu jeder Zeit befugt, ihre Bischöfe zu versam¬ meln, um die Angelegenheiten ihrer Diöcesen zu bespre¬ „Das sind ihre Prätensionen, aber ich werde das chen. — zu verhindern wissen; auch hat man mir gesagt, daß Sie einen Abgeordneten an den Papst geschickt haben. Zu wel¬ chem Zwecke?“ — Wenn dieß mein Geheimniß wäre so würde ich es auf der Stelle dem Könige mittheilen, aber es ist auch das meiner Collegen, und ich kann es daher Euer Majestät nicht anvertrauen. Bei diesen Worten erhob sich der König, roth vor Zorn, und rief aus: Erzbischof, denken Sie daran, daß man mehr als eine Mitra zerbro¬ chen hat.“ — Das ist wahr Sire; aber möge Gott die Krone des Königs in seinen Schutz nehmen, denn man hat auch viele Kronen zertrümmert. Das war meine letzte Audienz bei Lud¬ wig Philipp.“ Wenn es auch nicht mit dürren Worten ausgespro¬ chen ist, so ist doch die alte Manier jener Parthei allzu bekannt, um nicht auf den ersten Blick zu erkennen, daß sie durch diese Darstellung jener Audienz dem Falle Louis Philipps den Anschein eines Strafgerichtes dafür geben will, daß er den Uebergriffen der Geistlichkeit sich entge¬ genstellte. Ich meine wenn Gott den König der Fran¬ zosen stürzen wollte, so fand er dazu andere Ursachen ge¬ nug; um aber beiden Theilen gerecht zu werden, moge man ja nicht vergessen, daß auch der Erzbischof d'Affre wenige Wochen nach dem Sturze seines mächtigen Feindes tödtlich verwundet auf das Straßenpflaster von Paris hinsank. Aber lassen wir diese fatalistischen Betrachtungen, fürwahr es wäre einmal Zeit, daß die Partheien ihre Todten und ihre Irrthümer beweinten und sich zu einem Alles beglückendem Frieden die Hand böten. eJellachich. und der dritte unwiderleglich darthut, daß Jellachich mit Mißachtung aller Befehle des Kaisers auf seine eigene Faust den Kaiserstaat in einen Verfassungszustand zu ver¬ setzen trachtet der von ihm und der Camarilla der wünschenswertheste erscheint. Namentlich der Inhalt des dritten Briefes beweist, daß Jellachich, trotz allen sanft klingenden Floskeln, doch die Souveränität des Kaisers ebensowenig achtet als die konstitutionelle Frei¬ heit des Volkes, daß er der frechste Rebell im öster¬

245 reichischen Kaiserstaate ist. Was soll denn der Satz im dritten Briefe: „Mein Ziel ist, den Kaiser wieder auf seinem Throne festzusetzen,“ in dieser Zeit und in dem Zusammenhange wie er dort erscheint, anders bedeuten als: „Ich will aus dem konstitutionellen Throne wieder einen absoluten machen!" Der edle Ban ist entlarpt, und er wird mit seinen Helfers¬ helfern seinem Schicksale nicht entgehen. Uebrigens bietet der dritte Brief ein anziehendes Bild von der Offiziersherrschaft die an den Ufern des Platten¬ sees herrscht. Aber es gibt, Gott sei Dank, in Oester¬ reich nur wenige Menschen, welche sich die Staatsver¬ fassung und die Gesetze nicht lieber von frei vom Volke gewählten Vertretern, als von irgend einem Offiziercorps diktiren ließen. Hier folgen die Briefe: 1. An Se. des k. k. Herrn Kriegsministers und General¬ Feldzeugmeisters, militärischen Marien Theresien= und meh¬ rerer andern Ordens Ritters wirklichen geheimen Rathes und Kämmerers Theodor Graf Baillet von Latour Excellenz! Hauptquartier Killity am Plattensee, am 23. September 1848. „So sehr ich für die hochgeneigte Sorge bezüglich der Zuwendung eines neuerlichen Geldverlages Euer Excellenz dankbar bin, eben so angelegentlich muß ich Euer Ercellen, wiederholt um die baldigste Zuwendung eines hinreichenden Verlags=Quantums für die beihabende Feldoperations¬ Kasse bitten. Ich befinde mich nunmehr mit meinen Truppen in dem ungarischen Gebiete, um für die allgemeine gute Sache Oesterreichs zu handeln; ohne blutendem Herzen kann ich dem theilweise schuldlosen Volke keine noch größeren Lasten aufbürden, als sie ohnehin der Durchmarsch einer so be¬ deutenden Truppenzahl mit sich zieht, — ohne dem nöthigen Gelde kann ich aber auch nicht einen Schritt weiter treten, daich theilweise die gute Stimmung des Land¬ volkes, sowie der Soldaten erhalten muß was jedoch ohne Geld, ohne der pünktlichen Zahlung der Verpflegsgebühren nicht mög¬ lich ist. Einen Gelderforderniß=Aufsatz ist es mir dießmal un¬ möglich vorzulegen, da ich bei dem alle Tage sich vermeh¬ renden Stande meiner Armee, und dem noch nicht er¬ folgten Zusammenstoße mit den slavonischen Truppencorps, einen solchen selbst nicht genau angeben kann, hierauf sich aber das Gelderforderniß allein stützt. Nach meiner Berechnung dürfte jedoch der reine Ver¬ pflegsbedarf am Gelde für den Monat Oktober d. I wenigstens auf 200,000 Gulden und jener für das Na¬ tural=Verpflegsgeschäft auf 400,000 Gulden somit in Allem auf 600,000 Gulden sich belaufen, und ich erlaube mir Euer Ercellenz ergebenst zu bitten, diese Summen mir längstens bis 1. künftigen Monats zuverläßig zu dispo¬ niren indem ich bei den nunmehr begonnenen Operationen für die gute Sache Oesterreichs von dem k. k. Kriegs¬ ministerium auf jede Hülfe rechnen kann, und zu rechnen berechtigt bin, dann von Hochdemselben um so weniger verlassen werden darf, als dieß mitten im ungarischen Lande, von den schrecklichsten Folgen für dieses Land, die Armee und die Gesammtmonarchie Oesterreichs sein würde. Sobald die Truppen=Vereinigung erfolgt werde ich nicht säumen, den Erforderniß= Aufsatz sogleich nachzutragen. Jellachich, m. p. 2. Abschrift eines an das Regiment Creß=Che¬ veaurlegers dto. Lengyetoti am 20. Sept. 1848 Nr. 188/Dsk. erlassenen Armeebefehls. Im Interesse des allerhöchsten Kaiserhauses und für die Rettung der Einheit unserer Gesammtmonarchie bin ich mit meinen mir untergeordneten Truppen bereits bis hieher vorgerückt Schon habe ich die Freude gehabt zu sehen, daß mein redliches (?) offenes (22) Streben erkannt daß von ehren¬ werthen, ritterlichen Männern auch anderer Truppen die Aufgabe, die jetzt die österreichische Armee zum Heile un¬ serer erlauchten Dynastie und des gemeinsamen Vaterlandes auszuführen hat, im richtigen Sinne aufge¬ faßt wurde. Herr Oberst von Sedlmider hat sich mit dem ganzen Regimente Graf=Hardegg=Kürassier, Herr Major Kaminsky mit einer Division von Creß=Chevaurlegers an mich an¬ geschlossen. Das Regiment Erzherzog=Johann=Dragoner ist end¬ lich im Anmarsche. Ich setze das Regiments=Kommando von der That solch' wackerer Männer zur eigenen Wissenschaft mit dem Beifügen in die Kenntniß, daß ich mit Vertrauen auf den bekannten ausgezeichneten Geist in der Armee mit freu¬ diger Zuversicht darauf zähle, wienach auch das Regiment seine loyale Denkungsweise bewähren, und seine Marsch¬ richtung auf der kürzesten Route nach Stuhlweißenburg nehmen wird, um sich mit meinen Truppen ehestens ver¬ einigen zu können. Jellachich, m. p., Feldmarschall. 3. H. O. Szemes, am 21. September Ein ewig denkwürdiger Tag. Es sollte heute richtig eine Unterredung zwischen dem Ban und dem Palatin statt¬ finden und zwar am Plattensee. Am halben Wege zwischen Leu. T. und hier wurde gerastet. Da sprach uns der Ban von der bevorstehenden Konferenz. Er sagte beiläufig Fol¬ gendes: „Heute werde ich eine Unterredung mit dem Pa¬ latin von Ungarn haben. Bringt mir derselbe nicht die Nachricht und die Garantie, daß das ungarische Mini¬ sterium mit dem österreichischen vereinigt sei, so wird die Konferenz ganz ohne Folgen sein. Mein Ziel ist die Her¬ stellung eines einigen kräftigen Oesterreichs. Mein Ziel ist, den Kaiser wieder auf seinen Thron fest¬ zusetzen. Mein Ziel ist, daß wir Alle friedlich neben einander leben sollen. Der Deutsche sei deutsch (?) der Ungar bleibe Ungar, (?) der Slave — Slave! Nichts soll mich von dem Wege, den ich betreten habe, ablenken. Ich habe von S. M. dem Kaiser seit meiner Ernennung zum Ban 21 Handbillete erhalten, die ich leider nicht in der Lage war zu befolgen. S. M. haben end¬ lich meine Handlungsweise gebilligt, doch S. M. der Kaiser kann mir noch 21 Handbillete senden, welche mich von meinem Ziele weglenken wol¬ len, ich würde sie nicht befolgen. Ich muß für S. M. handeln, wäre es auch wider deren Wil¬ len. Mißlingt mein Plan, zerfällt Oesterreich dann meine Herren, können Sie noch leben, wenn Sie wollen; ich aber — ich nicht! Ich kann nicht sagen, wie glücklich ich mich schätze in der Nähe eines solchen Mannes zu sein. Gegen Mittag kamen wir hier an. Irr' ich nicht, so hatte der Ban beschlossen, dem Dampfboote in einem Kahn entgegen zu fahren und zu warten, bis der Pa¬ latin ihm ebenfalls auf einem Boote entgegen kommen werde. Doch dieß konnte nicht sein, denn am ganzen

246 Ufer war kein Kahn zu finden. Gegen 2 Uhr, als ge¬ meldet wurde man erblicke bereits das Dampfboot, begab sich der Ban zu Pferde, begleitet von seinem General¬ Adjutanten und den beiden Flügel=Adjutanten: Major Hompesch und Platner (von Preußen Inft.) an den Strand des Sees. Wir Uebrigen der Suite begaben uns als Zu¬ seher dahin, und bald gesellten sich Offiziere aller Trup¬ pengattungen, besonders Kürassiere zu uns, so daß wir gewiß bei 60 Offiziere versammelt waren. — In der Nähe lagerten Seressaner= und Banderial=Husaren. Das Ganze bot eine imposante Staffage zur schönen Gegend. —Was Fernröhre hatte, zog sie hervor. Der Dampfer war schon so nahe, daß man auf demselben vier Flaggen unterschei¬ den konnte. Wir alle spähten gespannt nach den Farben; man konnte sie noch nicht unterscheiden. Plötzlich durch¬ drang ein Ruf der Entrüstung unsere ganze Gruppe; wir hatten die Farben entdeckt! — Laut rief Alles: „Vier Flaggen und keine kaiserlich!“ *) — „Alle Flaggen sind ungarisch! und ein kaiserl. Prinz ist am Bord! Pfui! schändlich!“ Das Dampfboot blieb außer Kanonenschußweite stehen. — Ich besah es mit einem Fernrohre sein Name war „Kisfaludy,“ — eben fuhr das kleine Boot zur Leiter des Dampfers, und ein Mann, es schien mir, der Schiffs¬ Kapitän stieg in dasselbe, es stieß vom Dampfer ab und ruderte auf unser Ufer. — Den Erzherzog sah ich ganz deutlich am Bord des Kisfaludy mit zwei Herren in bürgl. Kleidung auf= und abgehen.. Sonst war Niemand am Ver¬ deck zu sehen. — Kaum hatten alle erfahren, daß der Erz¬ herzog am Dampfer geblieben war, als alles untereinan¬ der rief: „Der Ban darf nicht auf das Schiff, sie würden ihn wider Willen des Erzherzoges fortführen.“ Ein Kü¬ rassier=Offizier wurde an den beiläufig sechzig Schritt weit von uns stehenden Ban gesendet, mit der Bitte, derselbe soll nicht das Land verlassen. Ferner wurde beschlossen, ihn, wenn er doch auf das Schiff wolle, thätlich daran zu hindern. Der Ban versprach am Ufer zu bleiben. Das Boot landete, und unsere beiden Flügeladjutanten bestiegen es um den Palatin einzuladen, an's Ufer zu kommen. Das Boot kehrte mit dem Major Platner zuruck, welcher *) Nach der Meinung des Briefstellers hätte auch der Kaiser selbst schändlich gehandelt, als er in seiner Burg eigenhändig die schwarzrothgoldne und nicht die schwarzgelbe Fahne aufpflanzte. Oh!! berichtete, der Palatin möchte gerne an's Ufer kommen, doch gebe es seine Suite nicht zu. Wir alle hatten uns, als Major P. landete, schnell dem Ban bis auf 30 Schritte genähert, um ihn zu hindern, das Boot zu besteigen; doch dieß war überflussig, denn der Kommandirende gab zur Antwort, es thue ihm leid, in der nämlichen Lage zu sein, und Major P. fuhr allein ab. Als wir dieß sahen, wurde dem Ban ein gewaltiges Zivio gebracht, welches auf dem Kisfaludy sehr gut gehört wurde, wie wir später erfuhren. Wir waren alle sehr aufgeregt, und in großer Spannung. Abermals stieß das Boot vom Dampfer ab, dießmal kehrte Major Hompesch mit einem Husaren=Offi¬ zier zurück. Als sie sich dem Ufer näherten, erkannten wir in dem Husaren=Offizier Majoren Zichy. Er sprach einige Worte mit unserm Ban, worauf dieser sich zu uns wandte, und mit lauter Stimme rief: „Offiziere der kaiserlichen Armee! Soll ich das Ufer verlassen!“ Wir stürzten alle mit wildem Ungestüm vor, einige schwänkten den Csäkö andere hatten die Faust am Säbel, und alle riefen, man konnte sagen wüthend: „Nein!“ „Nein! Nein! — Nein!“ viele stürzten auf Zichy zu, wor¬ unter auch ich, und riefen: „Das Schiff führt keine kaiser¬ liche Flagge! Keine kaiserliche Flagge, es kann kein k. k. Prinz auf demselben sein, es wäre zu schmachvoll!!!“ Andere schrieen: „Se. k. k. Hoheit sind am Schiffe gefan¬ gen, er komme zu uns wir sind seines Kaisers Armee!“ Graf Zichy, der Ehrenmann sein soll, wurde blässer als dieß Blatt, und Thränen traten ihm in die Augen. „Ich sehe, sagte er, Seine Ercellenz haben Recht, ich kann nicht anders, als unverrichteter Dinge zurückkehren.“ Es war ein großer Augenblick, die Aufregung vom Ban bis zum jüngsten Offizier ungeheuer. Noch einmal kehrte das Boot mit Majoren Platner zurück, und wir verließen alle das Ufer, ehe noch der Dampfer sich zur Abfahrt in Bewegung setzte. Ich gönne dem Palatin die armselige Rolle, die er gespielt. Vom Volk und seiner Freiheit ist in allen diesen Brie¬ fen keine Rede. Jellachich ist wohl nicht nur geheimer Rath, sondern auch geheimer Völkerfreund. Wie steht er mit den Russen? Kennt er den Herzog von Leuchtenberg? Was macht der Panslavismus? Zur Geschichte des Tages. Es ist uns neulich von einer, dem Ministerium nahe¬ stehenden Person versichert worden, daß die Wienerzeitung zwar Amtsblatt, keineswegs aber ministerielles Blatt sei. (?) Ist dem wirklich so, dann rathen wir dem Ministerium sich ein anderes Blatt zum Amtsblatt zu wählen, da schon der Verdacht, als seien die anrüchigen, mit aller Partheiwuth, Ungeschicklichkeit und Roheit geschriebenen Artikel der alten Wienerin unter dem Einflusse des Mini¬ steriums geschrieben, diesem nur den größten Nachtheil bringen könnte. Wir empfehlen ihm Kuranda's kluge und reinliche Feder. Aus Wien. Gestern Nachts wollte man in der Gumpendorfer Kaserne mehrere Soldaten mit Stockstreichen abstrafen lassen, weil sie sich bei dem letzten Fackelzuge be¬ theiligt haben. Dieß gab Anlaß zu bedeutenden Krawallen. Der König von Württemberg soll zu Gunsten seines Sohnes abgedankt haben. A. Z. Grätz wird jetzt der Aufenthaltsort vieler kroatischer Familien; die Gasthöfe sind täglich voll von Neuangekom¬ menen. Es scheinen doch nicht alle Kroaten mit Jellachich Gr. Sch. zu harmoniren. Herr Vacano behauptet öffentlich, diese Blätter hätten in Nr. 55 ein Faktum, Hrn. Strobach und sein Verlassen des Präsidentenstuhles im Reichstage über einen Antrag Löhners betreffend, entstellt gebracht. In dem betref¬ fenden Aufsatze bin ich ganz dem Kammerberichte der Wiener¬ zeitung gefolgt, und trifft Jemand in dieser Sache den Vorwurf der Entstellung, so kann er nur die Wienerzeitung treffen. Was aber meine Behauptung betrifft: „der kon¬ stituirende Reichstag habe sich nur mit der Konstitution des Vaterlandes und mit nichts Anderem zu befassen,“ so ist sie zwar schon von vielen Seiten widersprochen, von keiner aber wider¬ Aler. Jul. Schindler. legt worden. Mit einem Anzeiger Nr. 30. . Schindler; Mitredaetar F. W. Keming. Druck und Verlag von Haas in Steyr.

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