Zwanglose Blätter, Nr. 57, vom 30. September 1848

242 Zur Geschichte des Tages. Dem Vernehmen nach bereitet sich in Wien eine De¬ putation aus den geachtesten Kreisen der Residenz vor, welche sich ungeachtet aller Schrankbäume und Barrikaden der Camarilla zum Kaiser begeben und ihn mit klaren Worten bitten will, er möge eine energische Einladung an den Reichstag ergehen lassen, dieser wolle sich unversäumt und fortan mit nichts Anderem als mit der Berathung und sofortigen vertragsmäßigen Feststellung des Grund¬ gesetzes der Monarchie beschäftigen. Nur ein Grundgesetz — ich beschreibe es nicht näher, denn nur ein freisinniges ist möglich — kann den unseligen Wirren unseres Vater¬ landes ein Ende machen; nur ein Grundgesetz, auf welches nach den allgemeinsten Begriffen eines konstitutionellen Staates sowohl der Herrscher als die gesammte Armee, dazu jeder volljährige Staatsbürger, mithin auch alle kaiserlichen Prinzen, beeidet werden müssen. Denn ein Gesetz muß sein, und wenn der Staat in Frieden bestehen soll, müssen Alle, die in ihm leben wollen, diesem Gesetze Gehorsam geloben. Alle aber, denen ein unver¬ besserliches, unbeugsames Von=Gottes=Gnaden=Blut durch die Adern rinnt, und Alle, denen Gesetzlosigkeit die einzig¬ wahre Freiheit scheint, mögen die Marken unseres Vater¬ landes meiden und ihren Stab dahin setzen, wo die schwarz¬ gelbe oder eine andere Fahne des Absolutismus oder das blutgetränkte Banner der „rothen Republik“ in den stür mischen, nie beruhigten Lüften flattert. 6 Ich habe in der letzten Nummer dieser Blätter ein offenes Schreiben der Gemeinde Laakirchen*) an den Bi¬ schof Gregorius Thomas in Linz abgedruckt, in dem das unheilige Treiben des dortigen Pfarrvikars geschildert und die Bitte um dessen Abberufung bestimmt ansgesprochen war. Eine mir befreundete Stimme hat gegen mich ihr Bedauern über die Aufnahme dieses Schreibens insofern ausgesprochen, als der würdige, alte Bischof sich dadurch gekränkt fühlen könnte. Ferne sei es von mir einen Mann kränken zu wollen, der, er mag so orthodor wie immer sein, mir dennoch stets als ein ehrlicher Mann von seltener Herzensgüte voll Wohlthätigkeit, Nächstenliebe und Fried¬ fertigkeit erschienen ist. Alle von Feuersbrunst oder anderen größeren Elementarschäden heimgesuchten Gemeinden der Diöcöse wissen von ihm zu erzählen. Heuer, als es in der höchst wichtigen Stadt Steyr galt, die Volkswehre (Nationalgarde) auszurüsten, war er bis jetzt, nebst den oberösterreichischen Ständen, die ihm spät und im Verhältnisse nur kärglich nachfolgen, der Einzige und auch der Erste, der ohne alle Aufforderung mit einem nam¬ haften Geschenke die gute Sache unterstützte. Alle übrigen notablen Personen und Korporationen des Landes und zu¬ nächst des Traunkreises sind seinem ehrenvollen Beispiele bis jetzt nicht gefolgt, ja das Benediktinerstift Kremsmünster schonte in Folge einer allgemeinen, in gleicher Richtung andeutungsweisen Aufforderung in diesen Blättern seine so sehr geschwächten Finanzen so wenig, daß es so¬ gar bedeutende Insertionsgebühren daran wendete, in den Zeitungen seine Armuth, seinen Nothstand zu beweisen und *) Ueber Aufforderung der Gemeindevorstände. sich so in jeder Hinsicht bemitleidenswerth zu zeigen. Jenes offene Schreiben darf aber den greisen Bischof um so weniger kränken, als seiner bekannten überhand¬ nehmenden Altersschwäche willen die Consistorial= Ge¬ schäfte sich leider theilweise in Händen befinden, welche in der Diöcöse zwar wohl bekannt, aber durchaus nicht ge¬ priesen sind. Die Wienerblätter vom 27. September bringen keine Reichstagsberichte. Den Grund daran theilt nachfolgende Erklärung aus Wien mit, die zugleich beweist, wie hoch die Ordner des Reichstages die freie Presse ehren. „Warum morgen in allen Journalen Wiens die heu¬ tige Reichstagssitzung nicht besprochen werden wird mö¬ gen diese wenigen Worte dienen. Ich enthalte mich jedes Urtheils, und gebe bloß das Faktum. Schon vor 14 Tagen wurden die Sitze der Journa¬ listen erhöht, damit sie ja nicht von den Gallerien als Deputirte angesehen werden und nicht auf die Deputirten influenziren konnten. Mit unserer Erhebung waren wir zufrieden. Als wir aber heute in die Loge gehen wollten, wurde uns bedeutet, daß wir einen besondern Eingang und zwar vom Burgtheater aus hätten. Ich begab mich dorthin, mußte durch einen feuchten, finstern Gang meine Schritte in die Loge lenken. Dort angelangt hörte ich, daß sämmtliche Redakteure und Journalisten alsogleich den Reichstag verlassen, und keine Besprechung über die heu¬ tige Sitzung liefern werden. Kaum begann Präsident Strohbach seine gewöhnliche Eingangs=Floskel, als auf ein gegebenes Zeichen sämmt¬ liche Journalisten den Saal verließen. Wir verfügten uns 60 an der Zahl in das Kaffee¬ haus in der Herrngasse, und beschlossen nach längerer De¬ batte, nicht eher Berichte über die Reichsverhandlungen zu geben, bis der status quo unseres Einganges herge¬ stellt sein werde, wie auch nachstehenden Protest von sämmt¬ lichen Redakteuren und Referenten Wiens, gefertigt, den Reichstag zu übergeben. Der Protest, redigirt von Dr. Tausenau, Zang, Niederhuber, Uhl, Dr. Rapper, wurde bereits von Dr. Landsteiner, Dr. Becher und Niederhuber der Kammer übergeben. Er lautet: „Der bisherige Zugang zu den Journalistenbänken des konstituirenden Reichstages wurde den Vertretern der Presse am 26. September entzogen. Der neu angeordnete Eintritt ist nicht nur unanständig, sondern scheint auch die Verhinderung einer Communication der Journalisten mit den Deputirten zu beabsichtigen. Wir protestiren feierlich im Namen der Tagespresse, welche das Verbindungsglied zwischen Volk und Reichstag ist, gegen diese Maßregel. Sie verletzt Stellung und Würde der Journalistik eines freien Staates. Sie kränkt selbst die Ehre des Reichstages, weil sie ihn jedem bestimmen¬ den Einflusse zugänglich und somit für unselbstständig er¬ klärt. In der unerschütterlichen Ueberzeugung, daß in diesem Falle nicht nur unsere beleidigte persönliche Ehre, sondern dem Rechte der Presse selbst volle Rechnung ge¬ tragen werden muß, erwarten wir die Zurücknahme dieser Maßregel.“ Wien, am 26. September 1848. Mit einem Ergänzungsblatt Nr. 13. Verantwortlicher Redacteur Alex. Jul. Schindler; Mitredacteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Sandbök und Haas in Steyr.

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