Zwanglose Blätter, Nr. 57, vom 30. September 1848

240 der kühne Schiffer hinab — aber niemals mied er die Klippeninseln, von deren Rand die silbernen Stimmen der Sirenen sangen und lockten. Aus weichen Armen glitt er in die Hitze des Kampfes, und die Eitelkeit des Damen¬ lieblings nahm er nebst dem Muthe des Mannes, der die Gefahr verachtet, mit auf die Rednerbühne, von der er nur zu oft mit allzu großem Uebermuthe sprach. An seinen übermüthigen Worten schärften seine Feinde ihre Waffen, von denen er fiel. Seine Lebensgeschichte ist bunt und reizend, sein Ende entsetzlich. Lichnowsky ist ein tragischer Charakter, da er — wenn auch von den Händen gemeiner Verbrecher — hochbegabt ein Opfer seiner Irrthümer fiel, die in seinem Hochmuthe und seiner Sinnlichkeit gründeten. Seine Erscheinung ist in der Geschichte eine Episode voll Blut und Rosen, er wird den Dichtern künftiger Tage einen Romanhelden abgeben, der den Frauen viele Thrä¬ nen kosten wird und den Männern manch ein ernstes Wort. Fürst Felir Lichnowsky, Graf zu Werdenberg, Edler Herr von Woschütz, Herr der vier bevorrechteten Fidei¬ commißherrschaften Kuchelna u. s. w., wie auch der Herr¬ schaft Gratz, k. k. Kämmerer, ehemaliger Brigade=General und General=Adjutant des Infanten Don Carlos von Spanien, wurde geboren am 15. April 1814. Seine Er¬ ziehung und wissenschaftliche Vorbildung erhielt er größten¬ theils — in Ollmütz, wo er die Universität besuchte - später in Wien. Im preußischen Staatsdienste, in den er sich zunächst begab, fand sein jugendlicher und lebendiger Geist, zumal in so polizeilich überwachten Zuständen, wie sie in Deutschland nach der französischen Juli=Revolution eintraten, keine angemessene Beschäftigung. Er ging deßwegen im Jahre 1837 nach Spanien und nahm Dienst im Heere des Don Carlos. Daß er hier nicht nur Muth und Tapferkeit, sondern auch kriegerischen Sinn an den Tag gelegt, beweist, daß er erst dreiund¬ zwanzig Jahre alt, auf dem Schlachtfelde beim Uebergang über die Aega zum Brigade=General erhoben wurde. Später übernahm er auch mehrfach diplomatische Missionen für den Infanten. Ehrenvolle Anerbietungen, die ihm gemacht wurden, in persische Dienste zu treten, schlug er aus, weil er durch die seit dem Jahre 1840 hervorgerufene politische Bewegung in seinem Vaterlande Gelegenheit zur Anwen¬ dung seiner Fähigkeiten zu finden hoffen durfte. Er wid¬ mete sich deßwegen ganz den staatswissenschaftlichen und parlamentarischen Studien und lebte zu diesem Zwecke ab¬ wechselnd in Berlin, Paris und London. In diese Zeit fällt auch die Herausgabe seiner „Erinnerungen aus den Jahren 1837, 1838 und 1839“ (Frankfurt a. M. bei Sauerländer, zwei Theile.) Nachdem ihm wegen seiner freien und unabhängigen Geistesrichtung von mehreren deutschen Regierungen der Aufenthalt in ihren respectiven Ländern untersagt war (begreiflicher Weise, da die Frei¬ heit, nach der die Aristokraten vor den Märztagen für sich rangen, den Fürsten nicht minder verhaßt war, als jene, die sie jetzt den siegreichen Völkern nicht mehr ent¬ reißen können), trat er 1841 in portugiesische Dienste. Auch über seinen Aufenthalt in diesem Lande hat er eine bei v. Zabern in Mainz erschienene Schrift herausgegeben. Von hier zurückgekehrt lebte er seit 1842 auf seinen Gütern in Schlesien. Er beschäftigte sich jetzt ununterbrochen mit den Interessen und Bedürfnissen seiner Provinz. Daß er es mit Anerkennung that, geht daraus hervor, daß er zum Direktor der Wilhelmseisenbahn erwählt wurde, daß die schlesische Ritterschaft ihn zum Landesältesten und ein Jahr später zum provisorischen Landschaftsdirektor von Ober¬ schlesien machte. So vorbereitet begann er 1847 seine parlamentarische Laufbahn als Mitglied der Herrencurie des vereinigten Landtags in Preußen. Es ist bekannt, daß er in dieser Versammlung der Opposition, oder, wenn man den ge läufigern Ausdruck gebrauchen will, der Linken angehört und mit Geschick und Beredtsamkeit nicht nur die Regie¬ rungsmaßregeln bekämpft, sondern sich auch mit Liebe der Interessen der arbeitenden Klasse angenommen hat. Er hatte sö große Popularität gewonnen, daß er bei der Wahl zur deutschen Reichsversammlung, also nach der Märzre¬ volution, welche so viele Größen zum Falle gebracht, von mehreren Kreisen zu ihrem Abgeordneten gewählt wurde. Seine Wirksamkeit in derselben ist Jedermann bekannt; er war ein entschiedenes Mitglied der Rechten. So viel aber darf gesagt werden, daß der Haß, welchen er sich zuzog, nicht sowohl seinen Ansichten, als vielmehr seinem Stande und dem Muthe und der Freimüthigkeit, wie nicht weniger dem Geschicke, der Zuversichtlichkeit und, wenn ich mich so ausdrücken darf, der oft zum Kampfe herausfordernden Art galt, mit welcher er seine Ansichten verfocht. Als man mit den Aufrührern des 18. September eine kurze Waffenruhe verabredet hatte ritt Lichnowsky, be¬ gleitet von dem General von Auerswald zum Friedberger Thore hinaus, nach dem unfern von Frankfurt gelegenen Bornheim zu. Die Reiter waren nur erst wenige Schritte von der Stadt entfernt, als von einem Haufen von Be¬ waffneten auf sie gefeuert wurde. Schnell lenkten sie um und sprengten auf demselben Wege zurück. Aber auch hier wurden sie mit Kugeln empfangen. Rechts ausbiegend scheinen sie sich nun in den vielfach sich durchkreuzenden Wegen zwischen den Gärten verirrt zu haben. Da sie überall sich von Bewaffneten umringt sahen, stiegen sie von den Pferden und verbargen sich im Hause des Kunstgärtners Schmitt, der General von Auerswald auf dem Boden, der Fürst in dem Keller. Die ihnen nach¬ setzenden Aufständischen verfolgten sie, und nachdem sie lange im Hause umher gesucht, fanden sie zuerst den Ge¬ neral von Auerswald. Diesen schleppten sie unter Schim¬ pfen und Mißhandlungen vor den Garten wo sie ihn auf eine grausame Weise tödteten. Mit Knütteln und Kolben hat man einen wehrlosen Mann, dazu einen Vertreter des Volkes, meuchlings erschlagen. Dann kehrten die Uebel¬ thäter wieder in das Haus zurück und fanden nun auch nach nochmaligem Suchen den Fürsten Lichnowsky. Unter barbarischem Gejubel und Frohlocken und mit gröblichen Mißhandlungen brachten sie ihn ebenfalls vor den Garten, führten ihn aber weiter nach der Vornheimer Heide, nach¬ dem sie ihm zuvor ein Plakat auf den Rücken gebunden. Hier angelangt, versetzte ihm Einer aus der entmenschten

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