Diese Blätter er¬ scheinen wie bisher wöchentlich 2 mal in groß Quart au schönem Maschin¬ papier und zwar von jetzt an, jed Mit kt woch un Samstag ei halber Druckbogen, und dieser, wenn es die Anhäufung in teressanten Ma¬ terials erforbert noch mit einer Bei¬ lage vermehrt. Zwanglose Blätter Oberösterreich. Preis für den hal¬ Jahrgang den M. viertel¬ jährig 1 fl. C. M. Auswärtige: Filr pr. Post unter Gon¬ pert: Halbjährig viertel¬ Abrig 1 f. 21 10. CM Inserate al¬ ler Art werden au genommen bei Un¬ terzeichnetem, der Raum einer Zeile mit nur 2 kr. be¬ rechnet. Nero. Steyr am 30. September 1848. 57. Ihm naht der Freiheit wehender Flügelschlag. Platen. Was sollen wir vom Reichstag fordern! Der Reichstag war vom Erzherzoge Johann eröffnet und begann seine Thätigkeit. Er begann sie unter keinem glücklichen Sterne. Nach einer allzu langen unheilvollen Zögerung war er berufen worden, statt eines freiheitbe¬ geisterten, starken, gesetzwilligen Staates traf er ein er¬ mattetes, zerrüttetes, gesetzloses Reich. Die junge Saat der Freiheit war zerstampft von den Rossen der zügellosen Partheien, die Ränke der Camarilla mit ihrem Gefolge von Aristokraten, Offizieren und Pfaffen, die Wühlereien der Anarchisten lagen wie giftiger Thau auf allen Blüthen. Der Reichstag begann unter keinem glücklichen Sterne, und die Abwesenheit des Kaisers stellte seine Wirksamkeit, sowie das Wohl des Vaterlandes immer mehr in Frage. Wir kennen die Deputationen, die nach Innsbruck reisten und die nichtssagenden schnöden Bescheide, mit denen man sie abwies. Da erhob sich der Reichstag wie ein Mann und forderte vom Kaiser Rückkehr und Pflichterfüllung. Und der Kaiser kam und ergriff die Zügel der Regierung. Neue Hoffnung belebte alle Gemüther. Vom unbe¬ drohten Reichstage erwartete man die ungesäumte Berathung und Feststellung des Grundgesetzes und wie die Rückkehr des Kaisers den bösen kaiserlosen Tagen ein Ende gemacht hatte, so erwartete man vom Reichstage das Ende der noch böseren recht= und gesetzlosen Zeit. Der Reichstag hat diesen Erwartungen nicht ent¬ sprochen. Er hat für die Konstituirung des Vaterlandes noch nichts gethan, als sich für das Prinzip der Aufhebung des dominikalen Unterthanverbandes entschieden, diesen Ent¬ schluß aber in der gänzlich verunglückten Form eines Ge¬ setzes in's Leben treten lassen, das unklar und unpraktisch zugleich die Begriffe über Mein und Dein verwirrt, und die Ausübung der Gerichtsbarkeit außer den Mauern der Städte in Frage stellt. Wir sind eine schrankenlose Schaar. Nun herrschen Hof und Armee, das Volk, der Reichstag und die Mi¬ nister — alle ohne Gesetze, ohne Segen, ohne Heil. Und der Quell, aus dem das erquickende Gesetz fließen sollte, ist verdorrt und kein Tropfen fällt in die Eimer des dürsten¬ den Volkes. Darum wäre es für dieses an der Zeit sich zu erheben wie ein Mann und vom Reichstag zu fordern, was dieser vor wenig Wochen unter dem Jubel von Millionen vom Kaiser forderte: die Erfüllung seiner Pflicht. Der Reichstag hat dieser Forderung des Volkes durch un¬ gesäumte That zu entsprechen. Ich frage ihn — was hätte er gethan, wenn der Kaiser der letzten Deputation die Rückkehr in die Residenz und zur Herrscherpflicht verweigert hätte? Die Hand auf's Herz! — gewiß, er hätte bis zur Schlichtung des unseligen Zwiespaltes die oberste Re¬ gierungsgewalt in andere Hände zu legen gesucht. So würde es auch unsere Pflicht sein, wenn der Reichstag in den Engpässen der Inkompetenz verharrt und in die inneren Gemächer der Interpellationen sich hart¬ näckig zurückzieht, Sorge zu tragen, daß die Volksver¬ tretung in andere Hände gelegt werde. Der Reichstag ermanne sich, übe seine Pflicht und die freudige Unter¬ stützung jedes freiheitliebenden Mannes wird ihm im voll¬ sten Maße zu Theil werden. Eines aber wird ihm selbst das versöhnlichste Gemüth nie vergessen können: daß sein starres Mißverstehen seiner Aufgabe und seine seltene Geschäftsuntüchtigkeit uns seit Monden an dem Rande eines Abgrundes voll Blut und Schrecken hielt, und daß seine Zusammensetzung und sein Walten eine dunkle Stelle — wenigstens in der Bil¬ dungs geschichte Oesterreichs bleiben wird. Aler. Jul. Schindler. Leben und Tod des Fürsten Lichnowsky. Auch das Schicksal ist ein Aristokrat. Das Leben der und ein Schooßkind dieses aristokratischen Schicksales. Sein wie man bisher zu sagen pflegte — hochgeborenen Leben war eine Ulyssesfahrt, deren Ziel die goldenen Ufer Menschen schmückt es mit allen Farben, Flittern und Ge=, des gelobten Landes der Bevorrechtung. Reich an Stür¬ nüssen der Romantik. Fürst Lichnowsky war ein Aristokrat men, reich an Kämpfen, ringend mit Haß und List trieb
240 der kühne Schiffer hinab — aber niemals mied er die Klippeninseln, von deren Rand die silbernen Stimmen der Sirenen sangen und lockten. Aus weichen Armen glitt er in die Hitze des Kampfes, und die Eitelkeit des Damen¬ lieblings nahm er nebst dem Muthe des Mannes, der die Gefahr verachtet, mit auf die Rednerbühne, von der er nur zu oft mit allzu großem Uebermuthe sprach. An seinen übermüthigen Worten schärften seine Feinde ihre Waffen, von denen er fiel. Seine Lebensgeschichte ist bunt und reizend, sein Ende entsetzlich. Lichnowsky ist ein tragischer Charakter, da er — wenn auch von den Händen gemeiner Verbrecher — hochbegabt ein Opfer seiner Irrthümer fiel, die in seinem Hochmuthe und seiner Sinnlichkeit gründeten. Seine Erscheinung ist in der Geschichte eine Episode voll Blut und Rosen, er wird den Dichtern künftiger Tage einen Romanhelden abgeben, der den Frauen viele Thrä¬ nen kosten wird und den Männern manch ein ernstes Wort. Fürst Felir Lichnowsky, Graf zu Werdenberg, Edler Herr von Woschütz, Herr der vier bevorrechteten Fidei¬ commißherrschaften Kuchelna u. s. w., wie auch der Herr¬ schaft Gratz, k. k. Kämmerer, ehemaliger Brigade=General und General=Adjutant des Infanten Don Carlos von Spanien, wurde geboren am 15. April 1814. Seine Er¬ ziehung und wissenschaftliche Vorbildung erhielt er größten¬ theils — in Ollmütz, wo er die Universität besuchte - später in Wien. Im preußischen Staatsdienste, in den er sich zunächst begab, fand sein jugendlicher und lebendiger Geist, zumal in so polizeilich überwachten Zuständen, wie sie in Deutschland nach der französischen Juli=Revolution eintraten, keine angemessene Beschäftigung. Er ging deßwegen im Jahre 1837 nach Spanien und nahm Dienst im Heere des Don Carlos. Daß er hier nicht nur Muth und Tapferkeit, sondern auch kriegerischen Sinn an den Tag gelegt, beweist, daß er erst dreiund¬ zwanzig Jahre alt, auf dem Schlachtfelde beim Uebergang über die Aega zum Brigade=General erhoben wurde. Später übernahm er auch mehrfach diplomatische Missionen für den Infanten. Ehrenvolle Anerbietungen, die ihm gemacht wurden, in persische Dienste zu treten, schlug er aus, weil er durch die seit dem Jahre 1840 hervorgerufene politische Bewegung in seinem Vaterlande Gelegenheit zur Anwen¬ dung seiner Fähigkeiten zu finden hoffen durfte. Er wid¬ mete sich deßwegen ganz den staatswissenschaftlichen und parlamentarischen Studien und lebte zu diesem Zwecke ab¬ wechselnd in Berlin, Paris und London. In diese Zeit fällt auch die Herausgabe seiner „Erinnerungen aus den Jahren 1837, 1838 und 1839“ (Frankfurt a. M. bei Sauerländer, zwei Theile.) Nachdem ihm wegen seiner freien und unabhängigen Geistesrichtung von mehreren deutschen Regierungen der Aufenthalt in ihren respectiven Ländern untersagt war (begreiflicher Weise, da die Frei¬ heit, nach der die Aristokraten vor den Märztagen für sich rangen, den Fürsten nicht minder verhaßt war, als jene, die sie jetzt den siegreichen Völkern nicht mehr ent¬ reißen können), trat er 1841 in portugiesische Dienste. Auch über seinen Aufenthalt in diesem Lande hat er eine bei v. Zabern in Mainz erschienene Schrift herausgegeben. Von hier zurückgekehrt lebte er seit 1842 auf seinen Gütern in Schlesien. Er beschäftigte sich jetzt ununterbrochen mit den Interessen und Bedürfnissen seiner Provinz. Daß er es mit Anerkennung that, geht daraus hervor, daß er zum Direktor der Wilhelmseisenbahn erwählt wurde, daß die schlesische Ritterschaft ihn zum Landesältesten und ein Jahr später zum provisorischen Landschaftsdirektor von Ober¬ schlesien machte. So vorbereitet begann er 1847 seine parlamentarische Laufbahn als Mitglied der Herrencurie des vereinigten Landtags in Preußen. Es ist bekannt, daß er in dieser Versammlung der Opposition, oder, wenn man den ge läufigern Ausdruck gebrauchen will, der Linken angehört und mit Geschick und Beredtsamkeit nicht nur die Regie¬ rungsmaßregeln bekämpft, sondern sich auch mit Liebe der Interessen der arbeitenden Klasse angenommen hat. Er hatte sö große Popularität gewonnen, daß er bei der Wahl zur deutschen Reichsversammlung, also nach der Märzre¬ volution, welche so viele Größen zum Falle gebracht, von mehreren Kreisen zu ihrem Abgeordneten gewählt wurde. Seine Wirksamkeit in derselben ist Jedermann bekannt; er war ein entschiedenes Mitglied der Rechten. So viel aber darf gesagt werden, daß der Haß, welchen er sich zuzog, nicht sowohl seinen Ansichten, als vielmehr seinem Stande und dem Muthe und der Freimüthigkeit, wie nicht weniger dem Geschicke, der Zuversichtlichkeit und, wenn ich mich so ausdrücken darf, der oft zum Kampfe herausfordernden Art galt, mit welcher er seine Ansichten verfocht. Als man mit den Aufrührern des 18. September eine kurze Waffenruhe verabredet hatte ritt Lichnowsky, be¬ gleitet von dem General von Auerswald zum Friedberger Thore hinaus, nach dem unfern von Frankfurt gelegenen Bornheim zu. Die Reiter waren nur erst wenige Schritte von der Stadt entfernt, als von einem Haufen von Be¬ waffneten auf sie gefeuert wurde. Schnell lenkten sie um und sprengten auf demselben Wege zurück. Aber auch hier wurden sie mit Kugeln empfangen. Rechts ausbiegend scheinen sie sich nun in den vielfach sich durchkreuzenden Wegen zwischen den Gärten verirrt zu haben. Da sie überall sich von Bewaffneten umringt sahen, stiegen sie von den Pferden und verbargen sich im Hause des Kunstgärtners Schmitt, der General von Auerswald auf dem Boden, der Fürst in dem Keller. Die ihnen nach¬ setzenden Aufständischen verfolgten sie, und nachdem sie lange im Hause umher gesucht, fanden sie zuerst den Ge¬ neral von Auerswald. Diesen schleppten sie unter Schim¬ pfen und Mißhandlungen vor den Garten wo sie ihn auf eine grausame Weise tödteten. Mit Knütteln und Kolben hat man einen wehrlosen Mann, dazu einen Vertreter des Volkes, meuchlings erschlagen. Dann kehrten die Uebel¬ thäter wieder in das Haus zurück und fanden nun auch nach nochmaligem Suchen den Fürsten Lichnowsky. Unter barbarischem Gejubel und Frohlocken und mit gröblichen Mißhandlungen brachten sie ihn ebenfalls vor den Garten, führten ihn aber weiter nach der Vornheimer Heide, nach¬ dem sie ihm zuvor ein Plakat auf den Rücken gebunden. Hier angelangt, versetzte ihm Einer aus der entmenschten
2 Rotte einen Kolbenschlag in das Genicke. Der Fürst, über diese schmachvolle Mißhandlung empört, kehrte sich um und verwies ihnen ihr feiges Benehmen. Da traten sie aus¬ einander und schossen zu wiederholten Malen auf ihn. Als er schon im Todeskampfe auf der Erde lag, versetzte man ihm noch mehrere Sensenhiebe nach dem rechten Arme. Einen Arzt, welcher sich bei ihnen befand und sich ihrem unmenschlichen Thun widersetzte, mißhandelten sie und waren noch damit beschäftigt, ihrem Schlachtopfer eine Straf¬ predigt als Sterbesegen zu halten, als sie vor der heran¬ kommenden bewaffneten Bürgerwehr die Flucht ergriffen. Lichnowsky wurde noch lebend gefunden und zunächst nach dem Hause des Gärtners Schmitt, später in die Gartenwohnung eines angesehenen Frankfurter Bürgers und sodann nach der Stadt gebracht, wo er im Hospital „zum heiligen Geist“ unter heftigen Schmerzen, aber bei klarem Bewußtsein bis zu seinem Ende, um Mitternacht verschied nachdem er noch letztwillig über seine Hinter¬ lassenschaft verfügt hatte. „ Der Unglückliche war Aristokrat mit Leib und Seele - schönkund stolz, und eine Locke seiner Haare, die er auf das Dufkendste salbte, dünkte ihm ein größeres Meisterstück der Natur als ein braver Bürgersmann, der 6 Kinder ernährt. Er war ein Freund des Volkes — auf einsamen Spaziergängen und auf Reisen, wo es galt eine nette Scene in einer verschwie¬ genen Laube zu spielen, oder über Landesbrauch und Sitte eine ursprüngliche und verläßliche Kunde für das Reisebuch zu erhalten. Uebrigens machte er aus seinen Ueberzeugungen nie ein Hehl, händelsüchtig stellte er sie überall in den Vordergrund. In Spanien und Portugal focht er tapfer für den Absolutismus, und als in Deutschland das Volk gegen seine lieblosen Fürsten aufgestanden war stand er auf der Rednerbühne und vertheidigte unerschrocken das Interesse volksfeindlicher Kronen. Er suchte den Kampf wie ein Mann, aber ach — für keine gute Sache. Traf darum den Unbewehrten ein ruhmloser Tod? Wer Lichnowskys Persönlichkeit, seine Schicksale und seine Schriften genau kannte, wird mir zugestehen müssen, daß diese Zeilen ihn treffend gezeichnet haben. Er war unbestritten einer der Besten und Ehrlichsten in den Reihen unserer Feinde. Wenn man auch nicht mit Lorbern seinen Sarg schmückt, so möge man doch nicht vergessen einen Kranz von Rosen mit versöhnten Herzen darauf hinzulegen. Denn wie Jesus von Magdalena, so darf man von ihm sagen: Ihm wird viel vergeben — denn er hat viel geliebt. Aler. Jul. Schindler. Ein Wort an den Wiener konstitutionellen Verein. Zur Beherzigung und zur Warnung. Gegenwärtig kursirt in zahlreichen Abdrücken in den Provinzen ein Aufruf „des Wiener konstitutionellen Ver¬ eins“ der zur Bildung von Filialvereinen einladet. Nach diesem Aufrufe stellt es sich der sogenannte Wiener kon¬ stitutionelle Verein zur Aufgabe, das konstitutio¬ nell=monarchische Prinzip im wahren Sinne des Wortes zum Besten des gesammten Kaiserstaates aufrecht zu erhalten und in gesetzlichem Wege weiter auszubilden, so¬ mit jedem Rückschritt zum Absolutismus und jedem Ueber¬ griff zur Republik mit allen (Vereins?)=Kräften entgegen zu arbeiten. Zugleich werden die Provinzstädte aufgefor¬ dert zuerst Filialvereine zu bilden und deren Auftreten dem Centralvereine anzuzeigen, dann will dieser ih¬ nen erst seine Statuten schicken. Oh! mein lieber konstitutioneller Wiener Verein! mit Leim fängt man Sper¬ linge, aber keine Politiker. Mit dem Ausdruck konsti tutionell=monarchisches Prinzip, mit dem du uns Provinzleute da hinten zu ködern wähnst, hast du so viel wie gar Nichts gesagt. Eine Konstitution ist jedes Grundgesetz eines Staates, es mag nun lauten wie es will. Konstitutionell=monarchisch im weiteren Sinne war auch das Prinzip, nach dem man uns vor dem März zu regieren beliebte; an Grundgesetzen fehlte es gar nicht - nur waren sie alle miserabel. Wir wollen nach einem demokratisch= konstitutionell=monarchischen Prinzip regiert werden, das ist uns versprochen und das verlangen wir mit allem Rechte. Zwischen den altfrän¬ kischen Wasserkünsten des Absolutismus und dem klaren, länderbereichernden Strome der demokratischen Monarchie liegt der eckle Sumpf des Louis Philipp'schen Konstitutio¬ nalismus, in seine ecklen Untiefen scheinst du uns mit dei¬ nem konstitutionell=monarchischen Prinzipe mit deinem „Besten des gesammten Kaiserstaates“ führen zu wollen. Die Marsfelder der Republik liegen weit von beiden. Flattere hin du lustiger Irrwisch, besonnene Wanderer wirst du nie irre führen. Meinst du es mit uns Ober¬ österreichern ehrlich, so sende uns deine Statuten und deine bisher erlassenen Plakate und gepflogenen Verhandlungen früher, bevor wir uns durch halbe und vieldeutige Ausdrücke verleiten ließen, in einer uns nicht klar be¬ stimmten Richtung aufzutreten, deren wir uns vielleicht später vor unserem Jahrhunderte, ja vor der Weltgeschichte zu schämen haben. Sage uns Oberösterreichern offen, welche Farbe du trägst; sage uns mit Wahrheit ob du nach der friedlichen und daher segensreichen Feststellung der demokratisch=konstitutionellen Monarchie nach der Selbstständigkeit und Einheit Deutschlands trachtest, dann reichen wir dir mit Freuden unsere Hand denn auch wir wollen weder den Absolutismus, noch die Republik. Bis dahin aber, wo du uns über diese Fragen befriedigenden Aufschluß gegeben hast, verzeihe uns unser gerechtes Mißtrauen. Denn es gehen Propheten unter uns herum, die Außen wie sanfte Läm¬ mer, von Innen aber reißende Wölfe sind. Aler. Jul. Schindler.
242 Zur Geschichte des Tages. Dem Vernehmen nach bereitet sich in Wien eine De¬ putation aus den geachtesten Kreisen der Residenz vor, welche sich ungeachtet aller Schrankbäume und Barrikaden der Camarilla zum Kaiser begeben und ihn mit klaren Worten bitten will, er möge eine energische Einladung an den Reichstag ergehen lassen, dieser wolle sich unversäumt und fortan mit nichts Anderem als mit der Berathung und sofortigen vertragsmäßigen Feststellung des Grund¬ gesetzes der Monarchie beschäftigen. Nur ein Grundgesetz — ich beschreibe es nicht näher, denn nur ein freisinniges ist möglich — kann den unseligen Wirren unseres Vater¬ landes ein Ende machen; nur ein Grundgesetz, auf welches nach den allgemeinsten Begriffen eines konstitutionellen Staates sowohl der Herrscher als die gesammte Armee, dazu jeder volljährige Staatsbürger, mithin auch alle kaiserlichen Prinzen, beeidet werden müssen. Denn ein Gesetz muß sein, und wenn der Staat in Frieden bestehen soll, müssen Alle, die in ihm leben wollen, diesem Gesetze Gehorsam geloben. Alle aber, denen ein unver¬ besserliches, unbeugsames Von=Gottes=Gnaden=Blut durch die Adern rinnt, und Alle, denen Gesetzlosigkeit die einzig¬ wahre Freiheit scheint, mögen die Marken unseres Vater¬ landes meiden und ihren Stab dahin setzen, wo die schwarz¬ gelbe oder eine andere Fahne des Absolutismus oder das blutgetränkte Banner der „rothen Republik“ in den stür mischen, nie beruhigten Lüften flattert. 6 Ich habe in der letzten Nummer dieser Blätter ein offenes Schreiben der Gemeinde Laakirchen*) an den Bi¬ schof Gregorius Thomas in Linz abgedruckt, in dem das unheilige Treiben des dortigen Pfarrvikars geschildert und die Bitte um dessen Abberufung bestimmt ansgesprochen war. Eine mir befreundete Stimme hat gegen mich ihr Bedauern über die Aufnahme dieses Schreibens insofern ausgesprochen, als der würdige, alte Bischof sich dadurch gekränkt fühlen könnte. Ferne sei es von mir einen Mann kränken zu wollen, der, er mag so orthodor wie immer sein, mir dennoch stets als ein ehrlicher Mann von seltener Herzensgüte voll Wohlthätigkeit, Nächstenliebe und Fried¬ fertigkeit erschienen ist. Alle von Feuersbrunst oder anderen größeren Elementarschäden heimgesuchten Gemeinden der Diöcöse wissen von ihm zu erzählen. Heuer, als es in der höchst wichtigen Stadt Steyr galt, die Volkswehre (Nationalgarde) auszurüsten, war er bis jetzt, nebst den oberösterreichischen Ständen, die ihm spät und im Verhältnisse nur kärglich nachfolgen, der Einzige und auch der Erste, der ohne alle Aufforderung mit einem nam¬ haften Geschenke die gute Sache unterstützte. Alle übrigen notablen Personen und Korporationen des Landes und zu¬ nächst des Traunkreises sind seinem ehrenvollen Beispiele bis jetzt nicht gefolgt, ja das Benediktinerstift Kremsmünster schonte in Folge einer allgemeinen, in gleicher Richtung andeutungsweisen Aufforderung in diesen Blättern seine so sehr geschwächten Finanzen so wenig, daß es so¬ gar bedeutende Insertionsgebühren daran wendete, in den Zeitungen seine Armuth, seinen Nothstand zu beweisen und *) Ueber Aufforderung der Gemeindevorstände. sich so in jeder Hinsicht bemitleidenswerth zu zeigen. Jenes offene Schreiben darf aber den greisen Bischof um so weniger kränken, als seiner bekannten überhand¬ nehmenden Altersschwäche willen die Consistorial= Ge¬ schäfte sich leider theilweise in Händen befinden, welche in der Diöcöse zwar wohl bekannt, aber durchaus nicht ge¬ priesen sind. Die Wienerblätter vom 27. September bringen keine Reichstagsberichte. Den Grund daran theilt nachfolgende Erklärung aus Wien mit, die zugleich beweist, wie hoch die Ordner des Reichstages die freie Presse ehren. „Warum morgen in allen Journalen Wiens die heu¬ tige Reichstagssitzung nicht besprochen werden wird mö¬ gen diese wenigen Worte dienen. Ich enthalte mich jedes Urtheils, und gebe bloß das Faktum. Schon vor 14 Tagen wurden die Sitze der Journa¬ listen erhöht, damit sie ja nicht von den Gallerien als Deputirte angesehen werden und nicht auf die Deputirten influenziren konnten. Mit unserer Erhebung waren wir zufrieden. Als wir aber heute in die Loge gehen wollten, wurde uns bedeutet, daß wir einen besondern Eingang und zwar vom Burgtheater aus hätten. Ich begab mich dorthin, mußte durch einen feuchten, finstern Gang meine Schritte in die Loge lenken. Dort angelangt hörte ich, daß sämmtliche Redakteure und Journalisten alsogleich den Reichstag verlassen, und keine Besprechung über die heu¬ tige Sitzung liefern werden. Kaum begann Präsident Strohbach seine gewöhnliche Eingangs=Floskel, als auf ein gegebenes Zeichen sämmt¬ liche Journalisten den Saal verließen. Wir verfügten uns 60 an der Zahl in das Kaffee¬ haus in der Herrngasse, und beschlossen nach längerer De¬ batte, nicht eher Berichte über die Reichsverhandlungen zu geben, bis der status quo unseres Einganges herge¬ stellt sein werde, wie auch nachstehenden Protest von sämmt¬ lichen Redakteuren und Referenten Wiens, gefertigt, den Reichstag zu übergeben. Der Protest, redigirt von Dr. Tausenau, Zang, Niederhuber, Uhl, Dr. Rapper, wurde bereits von Dr. Landsteiner, Dr. Becher und Niederhuber der Kammer übergeben. Er lautet: „Der bisherige Zugang zu den Journalistenbänken des konstituirenden Reichstages wurde den Vertretern der Presse am 26. September entzogen. Der neu angeordnete Eintritt ist nicht nur unanständig, sondern scheint auch die Verhinderung einer Communication der Journalisten mit den Deputirten zu beabsichtigen. Wir protestiren feierlich im Namen der Tagespresse, welche das Verbindungsglied zwischen Volk und Reichstag ist, gegen diese Maßregel. Sie verletzt Stellung und Würde der Journalistik eines freien Staates. Sie kränkt selbst die Ehre des Reichstages, weil sie ihn jedem bestimmen¬ den Einflusse zugänglich und somit für unselbstständig er¬ klärt. In der unerschütterlichen Ueberzeugung, daß in diesem Falle nicht nur unsere beleidigte persönliche Ehre, sondern dem Rechte der Presse selbst volle Rechnung ge¬ tragen werden muß, erwarten wir die Zurücknahme dieser Maßregel.“ Wien, am 26. September 1848. Mit einem Ergänzungsblatt Nr. 13. Verantwortlicher Redacteur Alex. Jul. Schindler; Mitredacteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Sandbök und Haas in Steyr.
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