236 es schwankt von der Rechten zur Linken, es seufzt nach Ruhe und Frieden, es hat zu Niemand mehr Vertrauen, nur eine kurze Zeit mehr wird es wählig sein — dann schreit es nach Ruhe und Frieden um jeden Preis und der Kaufmann wird nicht auf sich warten lassen. Und dieses ist euer Werk, ihr Unbesonnenen der Linken, die ihr weder die Folgen eurer Handlungen beurtheilt, noch die Fallen seht, in die ihr täglich gehet. Statt dem Banner der Besonnenheit und Ehrlichkeit, habt ihr in den Straßen Frankfurts die Fahne der rothen Republik entfaltet, und ihr erstes Flattern mit dem feigen Morde zweier Männer, die nicht eurer Meinung waren, begrüßt. Ihr habt geschlachtet und ließet euch schlachten, einzig da¬ mit das vergossene Blut den Männern des Rückschrittes zum Zeugniß diene bei den Schwachen, gegen die Sache der Freiheit. Ich aber rufe dir zu, du deutsches Volk im Angesichte der Leichen Frankfurts: werde dir selbst klar und scheide die Spreu vom Weizen. Stich dein Pferd nicht todt, damit es nicht krank werde brenne dein Haus nicht nieder, damit es das Wasser nicht wegtrage. Es ist ein Verbrechen geschehen — verabscheue die Verbrecher; man hat unbesonnen Alles auf das Spiel gesetzt — bewahre du besonnen deinen Schatz. Ich habe längst mit mir ab¬ geschlossen und mein Weg liegt klar vor mir. Ich ver¬ achte das Treiben jener hochmüthigen Pfuscher, die ohne Achtung vor Sittlichkeit und Recht ihren Weg mit Blut bezeichnen, das Land mit Ruinen erfüllen und selbst dann, wenn sie siegen würden, kein anderes Schicksal zu erwarten hätten, als auf wüsten Gründen, ohne Lust und ohne Ge¬ schick zur Arbeit in der Erinnerung an ein leeres unheil¬ volles Traumleben zu verzweifeln und zu verderben. Eben so entschieden verachte ich lieblose, völkerfeindliche Fürsten und ihre Knechte, alle Finsterlinge und alle jene engher¬ zigen, habsüchtigen Helfershelfer der absolutistischen Reaktion. Ebenso entschieden verachte ich ein Ministerium, das sein demokratisch=constitutionelles Programm verleugnet, das in seiner Unfähigkeit und Rathlosigkeit liebäugelt mit jener Seite, hinter der als ultima ratio die meisten Bajonnete und Kanonen stehen. Von beiden Seiten werden Freiheit und Recht mit Füßen getreten — ich aber schreibe auf meine Fahne: Die Freiheit muß gerecht und das Recht muß frei sein. Aler. Jul. Schindler. Und wer ist Schuld daran? Das alte Staatsgebäube war binnen zwei Märztagen zerstört. Die Werkzeuge der vormärzlichen Regierung waren abgenützt, ihre Grundsätze verhaßt. Das Volk war im faktischen Besitze der Monarchie und aller Kron¬ rechte der Monarch im faktischen Besitze der Liebe und des Vertrauens seines freiheit=berauschten Volkes. Dieser faktische Zustand, so befriedigend er auch für die Tage der Illuminationen, Facelisige, Paraden und Serenaoe war, wurden in den Tagen der Katzenmusiken un L#rikaden nachgerade unzulänglich ma # önschte chtlichen, auf dem Vertragswege dem ###chen den dem Volke die Souveränität gesich. und berief zusem Ende den constituirenden Reichstag, der im Nam#, des Volkes das Staatsgrundgesetz zu berhen und darüber mit dem Monarchen den Grundvertrag, auf dem der künftige Sta# ruhen soll, abzuschließen hat. Der Reichstag sollte dadurch altgewohntem Absolutismus, der Verschwendung der Staats¬ gelder und der Verweigerung des Rechts, einer antinatio¬ nalen Politik, den Ränken der Camarilla und der Pfaffen, dem Uebermuthe der Ultras sowohl als der Aristokratie, sowohl in Pallästen als in den Bureaux und den Reihen des Heeres einen undurchbrechlichen Schranken bauen, und den Genuß einer Freiheit, die keine andern Gränzen kennt, als die von der Vernunft gebotenen, den Völkern dauernd sichern. Der Reichstag saß in Wien zusammen und sing an zu interpelliren. Er interpellirt noch. Er warf einmal ein Gesetz hinaus, daß in seiner Tendenz lobwürdig, in seiner Ausführung stümperhaft, ungerecht und zweckwidrig war. Denn ohne erschöpfend zu sein, verletzte es die Ach¬ tung vor Mein und Dein, vor Recht und Unrecht und stellte die Ausübung der Rechtspflege und die Eristenz der unbescholtensten Richter im größten Theile des Landes in Frage. Die Minister machten aus dem Reichstage was sie wollten und der Reichstag trieb es gleichermassen mit den Ministern; das Staatsgebäude bleibt die alte Brand¬ statt, nicht einmal ein Nothdach hat der Reichstag darauf gesetzt, damit die brauchbaren Reste besseren Baumeistern für bessere Tage erhalten bleiben. Der constituirende Reichs¬ tag hat bis heute nichts konstituirt und fessellos treiben die Leibenschaften des Hofes und aller Fraktionen ihr unheil¬ sames Spiel mi dem Volke. Alte Wunden brechen wieder auf und alres Elend breitet wieder seine schwarzen gifti¬ gen Fittige über Felder, Städte und Herzen. Willkühr der Mächtigen wurde wieder Gesetz, Millionen verschwen¬ det man für Zwecke des Absolutismus und dem Gewal¬ tigen gegenüber, heiße er nun Reichstag oder Feldmar¬ schall, hat doch niemand recht. Rußland bleibt nach wie vor die Magnetnadel für unsere politischen Fahrmänner, die Camarilla umgibt noch immer den Kaiser und die Pfaf¬ fen knechten noch immer den Geist. Immer näher rüft Dank den wahnsinnigen Politikern von gestern in den Reihen des Volkes und den Werkzeugen des Despotismus in den Reihen des Heeres, der Bruderkampf, immer mehr erbleicht die Hoffnung auf die friedliche Lösung der Frage, die wir so sicher hoffen durften. Rechts schreit man über die republikanischen Wühler, links über die Ränke der Ca¬ marilla, der Bürgerkrieg droht die Monarchie mit einem Meere von Blut zu überströmen, aus dem erst spät die Sonne einer glücklichen Zeit für Oesterreich aufgehen wird, nirgend ein Halt — und wer ist Schuld daran? Alex. Jul. Schindler.
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