Zwanglose Blätter, Nr. 55, vom 23. September 1848

Diese Blätter er scheinen wie bisher wöchentlich 2 mal in groß Quart au schönem Maschin¬ papier, und zwar on jetzt an, jeder Mittwoch und Samstag ein halber Druckbogen und dieser, wenn es die Anhäufung in¬ teressanten Ma¬ terials erfordert noch mit einer Bei¬ lage vermehrt. Zwanglose Blätter Oberösterreich. Preis für den hal¬ ahrgang ben C. M. viertel¬ ährig 1 fl. C. M. Für Auswärtige: tunter Con¬ vert Halbjährig. 42 kr., vierte . hrig 1 fl. 21 kr. CM. Inserate al¬ ler Art werden auf¬ genommen bei Un¬ erzeichnetem, der Raum einer Zeile mit nur 2 kr. be¬ rechnet. Nero. Steyr am 23. September 1848. 55. Dächten Alle wie ich, so erhöben sich Alle Ge'n den gemeinsamen Feind. Altes Epos. An die österreichischen Soldaten in der Lom¬ bardei. (Von einem Wiener Bürger.) Hoffentlich werdet ihr nun bald aufbrechen, um un¬ ter Sang und Klang das schmucke Eichenlaub am Tschako euere Winterquartiere in der Heimath zu beziehen, für de¬ ren Wohlfahrt und Ehre ihr so rühmlich gestritten habt. Ehe ihr den ersehnten Rückmarsch antretet, möcht ich euch ein Wort im Vertrauen sagen. Die Armeebefehle und Proklamationen, die vor der Front bei Wachtparaden und andern Gelegenheiten verlesen werden, pflegen euch über Wien nicht viel zu melden, außer daß unser Kaiser jetzt ein konstitutioneller heißt. Was euch dagegen durch die dritte Hand, in Gestalt von Aufrufen, Liedern und Jere¬ miaden geistreicher Offiziere zukommt, fließt nicht aus der lautersten Quelle. Möchte doch ein glücklicher Zufall ir¬ gend einem Wiener=Freiwilligen, der sich die Zeitungen noch nicht abgewöhnt hat, dies bedruckte Blättchen in die Hände spielen, damit er seinen Kameraden beim Wacht¬ feuer getreulich erzählen kann, was darauf steht. Also hört, Gefreite, Feldwebel und Gemeine; auch für Major und Lieutenant dürfte sich hier manches Wort finden, das zu beherzigen ist. Kurz heraus, der Teufel will Unkraut unter den Waizen säen; man sucht Militär und Civil mit einander zu entzweien. Eueren Kameraden, die bei uns in Gar¬ nison liegen, kann man Nichts vormachen, denn sie sehen mit eigenen Augen, wie's steht. Aber mit Euch in der Fremde ist es anders. Hierzin Wien also verbreitet man geflissentlich, daß bei der Armee in Italien die furchtbarste Erbitterung gegen uns herrsche. Woher eure Unzufrie¬ denheit mit den Staatsangelegenheiten kommen soll, versteh ich freilich nicht, da ihr schwerlich Zeit haben könnt, die Verhandlungen unseres Reichstages mit Aufmerksamkeit zu lesen; eben so wenig werdet ihr an der Etsch und am Mincio durchschaut haben, welche Bewandtniß es mit der Hin= und Herreise des Kaisers hatte. Dieselben Leute, welche den kleinen Kindern in Wien mit dem Zorn der Armee drohen, dieselben sind es, welche jenen Zorn erst anfachen möchten. Man hat uns bei Euch verklagt, man sagt euch, wir wirthschaften ärger als Heiden und Türken, wir wären grade so Feinde des Kaisers, wie die Wälschen, mit denen ihr zu thun habt. Ein Offizier in Prag hat sogar in Vers und Reim pro¬ phezeit, daß die Armee kommen müsse, über Wien „Ge¬ richt“ zu halten und „den gestohlenen Zepter zu brechen, wenn die Welt nicht zu Grunde gehen soll. Wie der „Ohne¬ hose“ die Arbeiter, so will das Kavaliervolk euch Soldaten aufwiegeln. Eins ist so schlecht wie das Andere. Ihr dürft aber von dem ungereimten Zeug, womit man euch in der Lombardei die Ohren vollsingt, nicht den hundert¬ sten Theil glauben. Auch wir haben für die Wohlfahrt und Ehre der Heimath gestritten. Ihr werdet wissen, daß Wien eine Campagne, gerade so langwierig wie die italienische, durch¬ gemacht hat: eine Campagne gegen einen rechten wälschen Feind voll Feigheit und Hinterlist, einen Krieg gegen Pfäf¬ ferei und Höflingsintriguen, welcher mit dem Hinausbom¬ bardiren von Metternich erst seinen Anfang nahm. Blut ist dabei nur einmal geflossen und dies wenige Blut floß aus den Adern wehrloser Studenten. Alles ist nicht zu billigen, was nachher geschah. In der Hitze des Kampfes wurde manches tolle Wort gesprochen, geschrieen und ge¬ schrieben, aber jede Armee hat ihren Troß; überall gibt es Soldaten, die lieber ans Marodiren und Beutemachen denken, als an den ehrlichen Dienst, und wenn ein junger Offizier mit Rekruten ins Feld rückt, wird er manchmal zu voreilig ins Feuer laufen oder sich von feindlichen Spio¬ nen in den Sumpf führen lassen. Unsere politischen Sol¬ daten sind nun großentheils Rekruten gewesen, die sich in der ersten Noth selber einerercirten. Die hohen Herrschaf¬ ten, welche über unsere geringsten Schnitzer so giftig her¬ fahren, sollten das am besten wissen, denn sie sind Schuld daran. Sie haben ja mit Fleiß gestrebt, uns in der Po¬ litik so dumm als möglich zu machen und so lange als möglich dumm zu erhalten. Unter euch waren Knasterbärte die im Schlaf ihr Gewehr zu schultern verstehen, euer Feldherr ist auch kein Abeschütz in seinem Fach gewesen,

2252 als ihr im März den famosen lombardischen Feldzug an¬ fingt, und doch habt ihr bis vor wenigen Wochen den Piemontesen fortwährend Lehrgeld bezahlt! Macht euch sel¬ ber die Nutzanwendung. Den hohen Herrschaften freilich hat die Re¬ volution hart mitgespielt. Sie sind nahe daran zu werden wie Unsereins. Wir sehen zwar kein Un¬ glück darin, doch kann ich mich in ihre Lage versetzen. — Eure Väter und Brüder werden ihnen nicht mehr roboten, der Bauer wird Pflug, Dreschflegel und Sense die ganze Woche lang seinem eigenen Acker widmen. Vor dem Bür¬ gerssohn soll der Kavalier weder im Amt noch im Heer eine Staffel voraushaben. Schon jetzt sitzen im Rathe des Kaisers Leute, deren Vorfahren getaglöhnert oder gefrohnt haben mögen, und wenn sie Dummheiten machen, können sie sich mit ihren Ahnen nicht entschuldigen. Der Kaiser selbst fragt nicht darnach, ob in ihren Familienwappen ein Schusterpfriem, Tischlerhobel oder Gänsekielprangt, sondern er wählt seine Räthe und Minister so, wie er und der Reichstag sie gerade brauchen können. Im Gegensatz zu früher ist vielleicht mancher hohe Herr übergangen worden, weil er sechzehn Ahnen zählt, — was auch eine Unbil¬ ligkeit ist, allein man kommt nicht auf einmal mitten ins Gleise der Gerechtigkeit, namentlich wenn man so lange auf der entgegengesetzten Seite unrecht gefahren ist. Ja, ich glaube gern, daß es weh thut, das Vorrecht der Schoßkinder mit einmal aufgeben und die prunkende Pfauenfeder der Bevorrechtung vom Hut nehmen zu müs¬ sen. Keinem der Herrn verarg ich einen Seufzer darob, allein die Tüchtigen unter ihnen bringen das Opfer und stehen fortan auf sich allein wie der Soldat, welcher von Pik auf dient; die Schwächlinge, deren die meisten sind, ziehen sich in den Schmollwinkel zurück und rufen, Oester¬ reich ist verloren; die hartköpfigen Egoisten dagegen setzen Himmel und Erde in Bewegung und möchten lieber in einer neuen Revolution das Blut der gesammten Nation an ihren Vortheil wagen, als die erste ruhig und friedlich auslaufen lassen. Sie empört die versöhnende Rückkehr des Kaisers, weil sie hofften, die Abwesenheit des Monar¬ chen werde unsere jungen Tollköpfe zu einem dummen Streich der gefährlichsten Sorte treiben. Sie klammern sich jetzt an eure siegreichen Waffen und wollen an die Armee gegen die Regierung appelliren, welche der Kaiser selbst eingesetzt und anerkannt hat. Sie sind es, welche Wien bei euch verschwärzen, welche euch erbittern und bei der Heimkehr gern in blutige Händel mit dem Civil ver¬ wickeln möchten, um die Gewalt zur alleinigen Richterin in einem Proceß zu machen, den sie auf anderem Wege verlieren werden. Gelänge ihnen dieser Plan, so würden sie aus en¬ rem Sieg über Italien einen Sieg ihrer Kaste, einen Sieg über eure Väter, eure Brüder und über euch selbst machen. Ja über euch selbst, denn vergeßt nicht, daß die jun¬ gen Leute in Wien auch für eure Wohlfahrt und Ehre gestritten haben. Man schildert sie euch als unreife, na¬ seweise Schulknaben, die Soldaten und Barrikaden spie¬ len, schwere Säbel übers Pflaster schleppen, die sie nicht zu schwingen vermögen, Pulver und Blei im Munde füh¬ ren, ohne viel davon gerochen oder gekostet zu haben, und sich wie die Herren der Monarchie gebärden, ohne sie be¬ herrschen zu können. Es ist einige Wahrheit in diesem Bilde! Dennoch bitte ich euch, verfahre eure Zunge ja recht säuberlich mit diesen Knaben, welche die Rathlosigkeit der Alten gezwungen hat, sich ans Ruder zu stellen, und ihr werdet eurer Würde nichts vergeben, wenn ihr gele¬ gentlich vor ihnen das Gewehr präsentirt oder die Hand ans rechte Ohr legt. Diesen Schulknaben sind eure Mus¬ keten nicht ganz handgerecht, eure Säbelgriffe nicht recht geläufig, aber sie führen andere Waffen, mit denen sie manchen rühmenswerthen Sieg erfochten haben, — ohne euch und doch für euch. Allen Respekt vor dem greisen Helden Radetzky, alle Achtung vor dem eisernen Fürsten Windischgrätz, alle Bewunderung vor dem aufsteigenden Gestirn des Kroatenritters Jellachich. Aber die Taktik Radetzky's, die Bomben Windischgrätz's und die kühne Be¬ geisterung Jellachich's zusammen hätten nie und nim¬ mer einen Feind geschlagen, der euch verderblicher war, als Carlo Alberto, vor dem selbst Todesmuth im Felde und graues Haar nicht immer schützen konnten, und den die entschlossene Hand jener Knaben gebrochen hat. Tausende unter euch müssen sich noch der schmachvollen Niederlagen erinnern, welche die österrei¬ chische Armee von ihm erlitt, ohne Hilfe oder nur Simpa¬ thie bei ihren damaligen Allirten im Norden zu finden; umgekehrt, so oft sie geschlagen wurde, erhob sich das Zi¬ schen und der Hohn ringsum bei den Nachbarn, so daß sie zuletzt gewöhnt ward, diesen Feind für unüberwindlich zu halten. Ihr wißt wohl, wen ich meine, denn Scham¬ röthe überfliegt eure tapfere Stirn: ich meine den schlan¬ ken Sohn des Waldes, den Haselstock — und Al¬ les, was drum und dran hing. Habt ihr Lust, die Wiener Schulknaben dafür zu züchtigen? Wollt ihr „zu Gericht sitzen“ über der revolu¬ tionären Hauptstadt und „den gestohlenen Zepter brechen“, wie jener Offizier auf dem Hradschin sang, um dafür den Zepter des Korporals wieder in seine alten Rechte einzu¬ setzen? Oertliches. Die Wiener Zeitung enthält in einer ihrer letzteren ziehen, und uns überzeugen, was wir von dem unbekann¬ Nummern unter den Anzeigen einen Artikel aus Steyr, ten Verfasser zu halten haben. Vorerst erlauben wir uns die Bemerkung, daß der welcher die Verhältnisse der Nationalgarde=Schützenlegion mit Wahrheit und Uebertreibung bespricht. Wir wollen Berfasser bei Veröffentlichung des erwähnten Aufsatzes doch denselben einer ruhigen und partheylosen Prüfung unter= zunächst nur die Absicht gehabt haben dürfte, der Schützen¬

233 legion die Gebrechen und Mängel vor Augen zu führen, welche entweder in Wirklichkeit, oder nur seiner Ansicht gemäß bestehen, und da können wir nicht umhin, unsern Verfasser dafür zu loben, mit dem Wunsche jedoch, künf¬ tighin zum Behufe der allgemeineren Verbreitung unter uns, die eigene Presse Steyrs zu benützen, und seinen werthen Namen der Oeffentlichkeit ferner nicht zu verschweigen, da solche anonyme Aufsätze gerne den Schein eines Unrechts an sich tragen. Wenn unser Verfasser den Kommandanten der Na¬ tionalgarde der Stadt Steyr seiner Ruhe und Beliebtheit wegen belobt, so stimmen wir vom ganzen Herzen in dieses Lob ein; jedoch fügen wir der vollsten Wahrheit gemäß noch hinzu, derselbe sei nicht blos deßhalb, sondern seiner bür¬ gerlichen Stellung, mit der er sich längst die allgemeine Ach¬ tung der Bewohner erworben, seiner strengen Redlich¬ keit — Freisinnigkeit und besonderen Befähi¬ gung wegen, alles Lobes und jedes Opfers werth, da er Eigenschaften in sich vereinigt, welche ihn geradezu zu einer Zierde für den gesammten Gardekörper machen. Das Kom¬ mando der Nationalgarde der Stadt Steyn ist daher nicht blos dem Namen, sondern auch der That nach in den besten Händen, und die Behauptung unseres Staatsbürgers, „daß selbes der That nach in den usurpathorischen Fäusten eitler Lärmmacher sei ist eine grobe Luge. Möglich, daß unser Staatsbür¬ ger manchmal schon mit seinen Fäusten sich Geltung ver¬ schaffen mußte — wir Garden aber wollen uns vor sol¬ chen Gemeinheiten verwahren. Wir zählen keine Mitglieder unter uns, denen es um die Volks¬ wehre nicht Ernst wäre, wir kennen keine Lärmmacher bei uns, und müssen diesen Aus¬ bruch der rohesten Gemeinheit mit Entrü¬ stung zurückweisen. Was die Auszeichnung unserer Offiziere betrifft, so besteht sie lediglich in den allgemein üblichen Litzen am Kragen, die darum von Gold sind, da unsere Schützen gelbe Knöpfe tragen, und aus der schwarz=roth=goldenen Feldbinde, die wohl sehr schön und eben nicht wohlfeil ist. Es dürfte sich aber ereignen, daß sie ihren Tadlern doch nicht zu theuer wäre! Die Einführung des kostspieligen Jägerhutes, statt dem einfachen, bequemen und billigen deutschen, wird bei der Legion die erste tiefgreifende Uneinigkeit herbeiführen, denn, wenn auch vielleicht nicht in Abrede gestellt werden kann, daß der Jägerhut mit seinem Federbusche militäri¬ scher kleidet, so sollen wir doch nicht vergessen, daß unsere Geldbeutel am Zehrfieber leiden, und wiederholte Auslee¬ rungen endlich völlige Erschöpfung herbeiführen, wir sollen nicht vergessen, daß wir blos die Garden, und nicht die Soldaten der Nation sind! Für uns gibt es keine passen¬ dere Kopfbedeckung als den deutschen Hut, er wurde von Jenen getragen, welche die Freiheit erkämpften! Was die Chargen=Wahlen betrifft, so sind selbe wirk¬ lich größtentheils vor Vollendung der Konskription vor sich gegangen, daß aber dortmals die Zahl der Garden nummerisch um die Hälfte geringer war, ist eine Behaup¬ tung unseres Staatsburgers, die er nicht erweisen kann; auch scheint derselbe nicht zu wissen, daß wir unsere Chargen ##mals nur provisorisch und zwar auf ein Jahr in der Reaussetzung gewählt haben, daß unser konstituirender ##er doch ein konstituirter Reichstag bishin mit dem Na¬ donntggarbegesetz zu Ende gekommen sein wird sofern ##in seiner bisherigen Thätigkeit (?) nicht #rmäben Uebrigens haben die Herrn Garden, welche sich eist swangweise in die Kompagnien einverleiben ließen, selbst auf ihr Stimmrecht verzichtet, so wie sie auch in den März= und Apriltagen die unbe¬ quemen Nachtdienste nicht mitgemacht haben. Wenn unser Staatsbürger ferner behauptet, „daß Ab¬ stimmungen durch Acclamationen oder Wahlen durch an¬ geblich überschickte Stimmzettel geflissentlich ungenügend avisirter Wähler 2c. vorgenommen werden, wobei die Controlle meist indifferent oder befangen ist“ so tritt derselbe hier mit einer Verdächtigung gegen unsere bisherigen Wahlkommis¬ sionen hervor, deren beweisende Berichtigung wir von ihm erwarten *). Uns ist von einem solchen, dem freien Wahl¬ rechte Hohn sprechenden Vorgange Nichts bekannt, und wir fordern unsern Staatsbürger bei seiner Ehre auf, diese schmachvollen Handlungen, wenn sie wirklich statt¬ gefunden, ohne Verzug öffentlich namhaft zu machen, im wideigen er den Verdacht eines Verläumders auf sich ladet. Somit scheiden wir von den wohl= und nicht wohl¬ gemeinten Worten unseres Staatsbürgers und von ihm selbst mit dem Wunsche, daß er fernerhin gegen jede An¬ maßung kämpfen, die Wahrheit aber künftig besser und unverrückt im Auge behalten möge. Hat ihm der Zufall keine oder nur eine Charge, mit einer Litze ausgezeichnet, zugedacht, so möge er einen Trost bei seinen Leidensgefährten suchen, deren es gewiß noch mehrere gibt. — Findet er in dieser Darstellung manchen Widerspruch gegen seine Behauptung, so mag er immer¬ hin die Majoritat des besonnenen Theils unserer Bewoh¬ nerschaft entgegenstellen; gerade von dorther er¬ warten auch wir volle Anerkennung der Wahr¬ heit. Wer der Wahrheit huldigt, erfüllt die erste seiner Pflichten, wer für sie kämpft ist ein Held der That und nicht dem Namen nach. S. A. Der Reichstags=Präsident Strohbach hat sich neulich veranlaßt gefühlt dem Reichstag zu bemerken, daß dieser sich einzig und allein mit der Konstitution des Vaterlandes und mit nichts anderem zu befassen habe. Ein Abgeord¬ neter forderte den Präsidenten auf, diesen Ausspruch zu widerrufen. Strohbach verweigerte dieß aber entschieden und legte sogleich seine Präsi¬ dentenstelle nieder. Die Folge davon war, daß ihn der Reichstag sogleich wieder mit überwiegender Stim¬ menmehrheit zum Präsidenten erwählte. Es scheint also doch meine Ansicht: daß dieser Reichstag zur Gesetzgebung inkompetent sei, nicht gar so absurd zu sein, als sie es dem Herrn Vacano schien, der mich wegen derselben in ziemlich hochnasiger Weise zurechtweisen zu müssen glaubte. Ich sehe mich hier zugleich genöthiget, eine unangenehme Erörterung noch einmal aufzunehmen. Man fragt mich nämlich von mehreren Seiten, warum ich Herrn Vacano in meinen Blättern noch immer nicht den Deputirten von Steyr nenne, da doch der Reichstag alle Proteste gegen seine Wahl niedergeschlagen hat. Darum, weil nicht der Reichstag, sondern nur die Urwähler durch ihre Wahlmän¬ ner berechtiget sind, jemand zum Deputirten zu machen, daß aber zur Bürgschaft dafür, daß der Deputirte im Sinne der Urwähler gewählt werde, die Wahl der Wahlmänner nach der Vorschrift des Wahlgesetzes vorgenommen wer¬ den muß. Diese Wahl ist aber in zwei Sektionen Steyrs durch offenbare Verletzung wesentlicher Vorschriften des Wahlgesetzes zu Stande gebracht worden, wovon sich je¬ der überzeugen kann, der den Urwahlakt auf dem hiesigen Rathhaus einsieht. Auf diesen Wahlakt waren die sämmt¬ lichen Proteste gegründet, der Reichstag hat aber diesen Wahlakt, so dringend auch darauf hingewiesen wurde, nie *) Sollten übrigens wirklich noch Chargen bestehen, welche durch Acclamation oder zweifelhafte Wahl ins Leben getreten sind, so ersucht man um Anzeigen hievon geeigneten Orts.

abgefordert und eingesehen — er hat so mit Umgehung des Wahlgesetzes, ja gegen das Gesetz die Wahl Herrn Va¬ canos für giltig erklärt. Ich spreche dieses hiemit öffent¬ lich unter meiner vollen Namensfertigung und meiner vol¬ len Verantwortlichkeit gegenüber dem Reichstage aus und sollte meine Ansicht irrig sein, so bitte ich um den Gegenbeweis. Der kothige Angriff Hrn. Vacanos gegen mich ist vergessen und ich wünsche ihm eine segensreiche und reichbelohnte Wirksamkeit — doch verarge es mir niemand, wenn ich einen Mann nicht als Vertreter¬ auch meiner — Staatsbürgerrechte anerkenne, der eine Deputirtenstelle zwar durch den absoluten Willen des Reichstages, jedoch gegen den Willen der Majorität seiner Urwähler einnimmt. Aler. Jul. Schindler. In Nr. 67 des Wiener Postillons zieht nun auch ein Linzer gegen die hiesige — leider an inneren und äu¬ ßeren Feinden nicht arme — Nationalgarde ins Feld. Auch du Brutus! In Gottesnamen ich lasse dir sogar die Mehrzahl deiner theils läppischen, theils unwahren Injektiven hingehen. Aber wegen den schwarz=roth=goldenen Feldbinden der Offiziere eine hämische Bemerkung über den „wenigstens äußerlich echt (sic) deutschen Sinn“ der Steyrer — aus einer gewissen Clique in Linz erdulden zu müssen — ist traurig. Von einem Löwen zerrissen zu werden ist doch wenigstens ein romantischer Tod — aber eine Speise der Würmer! es ist dieß freilich das Loos al¬ les Fleisches — aber der Lebendige ruft doch Pfui dazu. Hat jene Clique vergessen, daß sie bei der Ankunft des Kaisers, die mit deutschen Bändern geschmückten Mädchen in den hintersten Reihen verbarg? Weiß sie nicht, daß der Hochmuth ihrer Beamten und Oberbürger und die Krie¬ cherei eines Schweifes, der diesen nachfolgt, sie schon lange zum Gespötte der Provinz gemacht hat? Wo solcher Schutt noch immer nicht weggeräumt ist, wage man nicht an der deutschen Gesinnung von Männern zu zweifeln, welche die bureaukratischen Schäden längst aus ihrem Fleische geschnit¬ ten haben. Wenn die Nationalgarde Steyrs prunken wird, so wird sie das einzig durch ihre Waffen, die von seltener Güte und Tüchtigkeit ausgeführt werden. Das ist ein Prunk den deutsche Männervon jeher liebten. Wir haben es in der Einfachheit noch nicht so weit ge¬ bracht, daß wir mit Musketen ohne Hahn, die keine La¬ dung vertragen, durch die Straßen marschiren, und so ein nichtssagendes Soldatenspiel treiben. 3 Die Cholera. Laut amtlichen Berichten ist die Cholera bis Ende Au¬ gustin Galizien in 226 Ortschaften ausgebrochen. Unter 17,892 Erkrankten sind genesen 8006, gestorben 5729, und in Behand¬ ung verblieben 4157 Personen. In Lemberg sind unter 45 erkrankten Personen 6 genesen, 32 gestorben und 7 noch in Behandlung verblieben. Demnach tritt die Evidenne beftiger als je auf, und ver¬ schont selbst die im Hocharbirge gelegenen Ortschaften nicht. Von den Aerzten sind bereits 11 an der Cholera gestor¬ ben, welcher Verlust bei dem ohnehin bestehenden Mangel an Aerzten in Galizien, woselbst es bei einer Bevölkerung von fünf Millionen Einwohner nur 175 Aerzte und 333 Wundärzte (folglich auf 10,000 Einwohner je ein Arzt oder Wundarzt) gibt, um so fühlbarer ist, und nur durch die fortwährende Zu¬ sendung von Aerzten aus andern Provinzen ausgeglichen wird. Wenn nun das hohe Ministerium des Innern den Aerz¬ ten ausser einem jährlichen Equipirungsbeitrag und Reiseentschä¬ digung eine tägliche Belohnung pr. 5 fl. ausgesprochen hat, so gibt es den Choleraärzten gerade nur das Allernothwendigsie; denn soviel mag der fremde Arzt in fremder Provinz den Tag hindurch brauchen, wenn er gegenüber seinem schweren Berufe auch angemessen und anständig leben will. Den Wundärzten hat dasselbe Ministerium aber nur ein Diät pr. 2 fl. 30 kr. ausge¬ sprochen. Gibt es nur eine Heilkunst und verlangt das Mini¬ sterium von den Chirurgen dieselben Opfer und Leistungen, so sehen wir wahrlich nicht ein, wie dasselbe in einer so dringend wichtigen Sache in Beziehung auf die Belohnung der Wund¬ ärzte ein so karges Ausmaß feststellt —, wie es glauben kann, daß der Wundarzt in fremder Provinz mit 2 fl. 30 kr. gegen¬ über seiner anstrengenden Bemühungen auch nur halbwegs an¬ ständig bestehen könne. Hat doch der polnische Bauer als Deputirter beim Reichs¬ tage für sein Richtsthun täglich 6 fl. 40 kr., sollte der deutsche Arzt für seine Verwendung als Choleraarzt mindesiens nicht auch so viel werth sein? Bei dem gezeigten grandiösen Mangel ärztlicher Hilfe in Galizien ist die ungesäumte Sendung brauchharer Aerzte und Wundärzte eine der ersten Pflichten des Minisieriums und auf demselben ruht eine große Verantwortung, wenn Menschenleben, wegen übel berechneter Sparsamkeit, hilfelos dahin geopfert werden. Schw. Zur Geschichte des Tages Von der Drau. Das Manisest des Banus Jel¬ lachich liegt vor mir, einige Bemerkungen hierüber dürften ihren Lesern nicht unerwünscht sein. Nach den Eingangs¬ worten heißt es: „Eine herrliche, eine glückliche Zukunft schien uns gesichert; aber leider sollten wir Kroaten, Sla¬ ponier und unsere serbischen, romanischen und deutschen Brüder bald das Gegenheil erfahren.“ Wir gehören nicht zu jenen, welche ungarische Separationsgelüste in Schutz nehmen, andererseits aber sind wir zu besonnen, um also¬ gleich über den Banus im überstürzenden Enthusiasmus auszurufen: „Dieser Mann ist unwiderstehlich. Wer ein¬ mal mit ihm spricht, ist sein eigen für immer.“ Um so weniger aber begreifen wir, wie Jellachich sich zum Ver¬ theidiger der Deutschen aufwirft, welche doch durch die von ihm beschützten Serben in Weißkirchen und dem ganzen Banate alle erdenklichen Grausamkeiten zu erdulben haben. Im weiteren Verlaufe setzt er auseinander, daß die Un¬ terhandlungen mit Ungarn zu keinem Ziele führten und die Pflicht und Ehre geböten, zu den Waffen zu greifen. Auf außerordentlichem Wege erhielten wie gestern: Erstes Bülletin von der kroatisch=slavonischen Armee, Warasdien. Heute den 11. September 1848 hat die Avantgarde der kroatisch=slavonischen Armee unter Com¬ mando des Herrn Oberstlieutenant Budisavljevich die Drave überschritten und jenseits bis über Nedelitz die Vorposten bezogen. General Kempen hat mit seiner Di¬ vision auch die Drave überschritten und wird in der lin¬ ken Flanke, operiren. Der Feind hat sich in der Nacht vom 10. auf den 11. bis nach Szerdahelj zurückgezogen. Tschakaturn ist geräumt. Morgen den 12. Sept. geht das gros d’armée mit dem Hauptquartier, welches einstwei¬ len zwischen Tschakatürn und Szerdahelj bezogen wird gleichfalls über die Drave. Am 13. folgt Feldmarschall Lieutenant Hartlieb bis Tschakaturn mit der Reserve¬ Division. Nach den neuesten Nachrichten haben die Croaten C. 3. bereits die Mur überschritten. Verantwortlicher Redacteur Alex. Jul. Schindler; Mitredacteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Sandböck und Haas in Steyr.

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