229 gerückt. Der Prior der Liguorianer in Mautern ist gela¬ den, ebenso Latour, der anonyme Denunziant, Windisch¬ gräz u. dgl. Sämmtliche Bataillons der Linie in allen Umgebungen Wiens bis Brünn sind durch den Telegrafen invitirt. Ob man auch auf ungeladene Gäste gefaßt ist, z. B. auf Madame Einigkeit! Die Mähre: Held Radetzky habe von seinen aus Wien erhaltenen Kriegsmitteln dem Baron Jellachich eine Million Gulden geschickt, verbreitet sich durch alle Jour¬ nale, ohne daß es das Ministerium der Mühe werth fände, dieser Beschuldigung entgegen zu treten, die falls sie wahr befunden wird, dasselbe der schwersten Verantwortung aus¬ setzen würde. Der Reichstags=Adgeordnete Zimmer hat bei der Verhandlung über den Aushilfskredit für die Wie¬ ner Gewerbsleute offen die bittere Bemerkung gemacht daß die Regierung, welche doch die Lage dieser Gewerbs¬ leute kannte, nicht einmal einen Vorschlag zur Linderung derselben machte, „während sie doch Millionen den Kroaten zum Kampfe der Reaktion gegen die Freiheit zugesendet haben soll. Wäre dieses wahr, so müßte er das Ministerium in Anklagestand versetzen!“ Beifallsruf der Kammer folgte der Rede dieses Abgeord¬ neten, aber das Ministerium schwieg. Kriegsminister Feldzeugmeister Graf Latour, Ritter mehrerer hoher Orden 2c. 2c. hat neulich dem Reichstag einen Brief voll der schwersten Beschuldigungen gegen die gewissen hochgebornen Herren so tief verhaßte akademische Le¬ gion vorgelesen, wahrscheinlich um den erschreckten Reichs tag zu entscheidenden Maßregeln gegen diese Rotte Dathan und Abiran zu vermögen. Ein Abgeordneter fragte um den Namen dessen, der den Brief unterfertigte — und der Minister gestand (beschämt, sagen Wiener=Blätter, ich glaube es aber nicht) daß der Brief anonym sei! Ich halte jeden der Beschuldigungen ge¬ gen ein Corps oder wen immer in einem Briefe, in einer Zeitung oder wo immer aus¬ spricht, ohne ehrlich seinen Namen darunter zu setzen für einen feigen Schuft, und Einer der einen anonymen Verläumdungs=Brief nicht verachtungsvoll unter den Tisch wirft sondern von seinem Inhalt einen Gebrauch macht, der den Beschuldigten Schaden brin¬ gen kann, verdient eben auch nicht viel Lob. Unser Reichstag erinnert mich sehr an den Bau der Eisenbahnstrecke von Wien nach Baden. Die Gesellschaft machte sich dabei — natürlich auf Kosten der Aktionäre den Spaß — alle bei einer Eisenbahn nur denkbaren Bau¬ objekte auszuführen. Es wurden Vertiefungen gesucht zu Brücken, endlich gar mit weiten Umwegen einem Bergena¬ he gerückt um nur auch einen Tunell anbringen zu kön¬ nen. Gerade so macht es unser Reichstag. Er will ein¬ mal auf Kosten seiner Komittenten alle Wollüste eines Parlamentes auskosten. Einzüge, Paraden, Fakelzüge, Se¬ renaden — das hat er Alles schon genossen. Spektakel mit obligatem Präsidenten=Glockengeläute hat er sich viel¬ fältig verschafft. Adressen und Deputationen hat er abge¬ sendet, Kredite bewilligt, Minister in Anklagestand zu ver¬ setzen getrachtet, interpellirt nach allen möglichen Richtun¬ gen (nur nicht in denen des dringendsten Bedürfnisses.) Er hat den Präsidenten zum Abtreten genöthiget, er hat sich sogar ein Paar Stündchen Permanenz spendirt — ist das nicht köstlich? Zwei Dinge fehlen ihm nur noch, dann ist alles erschöpft was einem Parlamente, zumal einem kon¬ stituirenden zukommt oder passiren kam. Und zwar: Erstens hat er sich noch immer nicht mit dem Ent¬ wurf und der Berathung der Konstitutions=Urkunde beschäf¬ tigt und Zweitens ist er noch nicht gesprengt worden! Uebrigens ist für den ersten dieser Punkte einige Hoffnung vorhanden. Rücksichtlich des zweiten enthalte ich mich heute noch jeder Bemerkung. Der Antrag, der Armee in Italien eine Dankadresse für ihre errungenen Erfolge zu votiren, hat im Reichstage keinen Anklang gefunden und mit Recht: wie wird der Vorgesetzte seinem Untergebenen dafür danken, daß dieser seine Schuldigkeit gethan hat! Es war eine jener häufi¬ gen Ungeschicklichkeiten und Ungehörigkeiten unseres Reichs¬ tages diesen Antrag zur Sprache zu bringen. Da es aber einmal geschehen war, so sollte man doch mit Recht, we¬ nigstens von einem der Abgeordneten so viel Takt er¬ wartet haben, den Antrag so zu modifiziren, daß darüber ein Beschluß hätte gefaßt werden können, der der tapfern Armee genügt hätte, ohne der Würde des Reichstages et¬ was zu vergeben. Wo waren denn die 70 Amendements¬ stellen zum armen Kudlich'schen Antrage! Fiel es keinem ein der Armee „Glück zu wünschen“ zu den Siegen, die ihre Tapferkeit krönten?! Es wird in den Zeitungen viel Aufhebens gemacht von einem Handschreiben des Kaisers an seinen „lieben Freiherrn von Jellachich“ in welchem der Kaiser sagt: in Folge der unzweifelhaften Beweise von Treue und Anhänglichkeit des Hrn. Baron an die Dinastie (was übrigens ganz richtig bemerkt ist) wiederrufe er, der Kaiser das Manifest vom 10. Juni l. J., das den Herr Baron als Hochverräther erklärte und er verleihe dem Hrn. Baron wieder die entzogene Banal= und alle anderen Würden. Hie und da erlaubte man sich sogar, in Folge dieses Briefes zu behaupten der Königvon Kroatien u. Slavonien nehme Parthei gegen den König von Ungarn, die beschworne Verfassung Un¬ garns sei verletzt worden u. dgl. m. Wie mag man doch ein an¬ spruchloses Privatschreiben, das höchstens Privatsimpa¬ thien ausdrückt, für die niemand zur Rechenschaft gezo¬ gen werden darf, vor das Forum der Oeffentlichkeit ziehen? Obiges Privathandschreiben ist ja von keinem Minister kontrasignirt und folglich fehlt uns 1) jede Bürgschaft für seine Echtheit, und 2) kann es die rechtliche Wirkung des kontrasignir¬ ten Manifestes vom 10. Juni l. J. nicht aufheben!! J
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