Zwanglose Blätter, Nr. 51, vom 9. September 1848

Diese Blätter er¬ scheinen wie bisher wöchentlich 2 mal in groß Quart auf schönem Maschin¬ papier, und zwar von jetzt an, jeder Mittwoch und Samstag ein halber Druckbogen, und dieser, wenn es die Anhäufung in¬ teressanten Ma¬ terials erfordert noch mit einer Bei¬ lage vermehrt Zwanglose Blätter Oberösterreich. Preis für den hal¬ jahrgang ben fl. M. viertel¬ jährig 1 fl. C. M. Für Auswärtige pr. Post unter Con pert: Halbjährig 2 . 42 kr viertel¬ jahrig 1 f. 21 fr. Inserate a ler Art werden auf¬ zenommen bei Un¬ terzeichnetem, der Raum einer Zeile mit nur 2 kr. be¬ rechnet. Nero. Steyr am 9. September 1848. 51* Der Stein entrollt dem Sysiphus, Der Danaiden Tonne Wird nie gefüllt, und den Erdenball Heine. Beleuchtet vergeblich die Sonne. Die drei Fragen Vorroschs. Der Abgeordnete Borrosch, eines der besseren Ta¬ lente des konstituirenden Reichstages hat als Interpel¬ lant in der Sitzung vom 5. September drei Fragen an das Gesammtministerium gestellt, deren Beantwortung ent¬ scheidend sein wird für das Schicksal des Ministeriums, des Reichstages, der Monarchie! Diese Fragen lauten nach der offiziellen Wiener Zeitung: 1) Versteht das Ministerium unter Sanktion und Vereinbarung etwas anderes, als den bedingungslo¬ sen Erfüllungsakt durch die gesetzgebende Gewalt? 2) Ist das Ministerium gesonnen, bezüglich der Ge setze, die der Reichstag für nöthig findet, die ministerielle bedingungslose Sanktion zu verweigern? 3) Uebernimmt das Ministerium die Verantwortlich¬ keit der aus etwaiger Bejahung obiger Fragen entsprin¬ genden Folgen? Ich will eine kurze Beurtheilung und Beantwortung der ersteren dieser drei Fragen versuchen. Der Sinn der ersten Frage soll wohl der sein: Glaubt das Ministerium der Kaiser dürfe bei dem Verfassungs¬ werke sich in einer anderen Weise betheiligen, als daß er das, was der Reichstag beschließt, ohne alle Bedingung annehmen und erfüllen muß? Die Ausdrücke Sanktion und gesetzgebende Gewalt sind in der Frage jedenfalls un¬ richtig gebraucht. Denn ein vertragschließender Theil (hier ist die Verfa ssung, der Vertrag und Volk und Kai¬ ser sind die Compaziszenten) schließt wohl mit den Vertrag, aber er sanktionirt ihn nicht. Noch viel we¬ niger paßt hier der Ausdruck gesetzgebende Gewalt. Der Reichstag kann im Sinn des Fragestellers hiemit nicht gemeint sein, der Monarch übt aber in diesem Augen¬ biicke ebenfalls nicht die gesetzgebende Gewalt aus, wir haben jetzt nur eine provisorische gesetzgebende Gewalt und diese üben einzig die Minister aus — der Reichstag als konstinirender, als welcher er einzig von seinen Wählern bevollmächtigt ist — hat keinen rechtlichen Antheil an dieser. Hat also der Fragesteller unter der gesetzgebenden Gewalt den Kaiser verstanden, so würden die Minister, wenn sie die Frage 1. mit „Nein“ beantworteten, dem Kai¬ ser mehr Rechte vergeben, als er selbst bei Bewilligung einer Constitution weggeben wollte: hat er aber unter gesetz¬ gebender Gewalt das Ministerium verstanden, so ist seine Frage unnütz, denn ist die Constitution endlich zu Ende berathen und dem Kaiser vorgelegt so ist es ganz gleich¬ gültig, ob das Ministerium bedingt oder unbedingt sie er¬ füllen will — dann hängt Alles — Thron und Dy¬ nastie — Heil oder Unheil — Krieg und Friede einzig allein am Worte des Kaisers dem es jedenfalls frei steht, die Einwilligung zu verweigern. Die Folge einer solchen Weigerung gehöre freilich auf ein anderes Blatt. Bezüglich der Beantwortung der zweiten Frage befin¬ det sich das Ministerium in einer argen Verlegenheit.- Hätte es an der Wahrheit festgehalten, daß der Reichstag kein gesetzgebender ist, so könnte es jetzt mit der Hinden¬ tung auf die Inkompetenz des Reichstages, Gesetze zu ge¬ ben, die Beantwortung dieser Frage einfach von sich wei¬ sen. Da es aber vor wenig Tagen erklärt hat, der Reichs¬ tag sei konstituirend und zugleich gesetzgebend, so wird ihm jede Antwort schwer werden. Denn gesetzt, der Reichstag wäre gesetzgebend, so könnte er dieses auch nur bei Ermanglung einer Verfassung, welche die Grenzen der Berechtigung der einzelnen bei der Gesetzgebung bethei¬ ligten Gewalten normirt — provisorisch sein. Da aber der Reichstag dem Ministerium durchaus nicht untergeordnet ist, so haben wir hier ein politisches Unding: zwei gesetz¬ gebende Gewalten neben einander in einem Staate. Beantwortet also das Ministerium die zweite Frage mit „Nein“, so begibt es sich seiner gesetzgebenden Gewalt, und wir bekommen zur Zeit unsere Gesetze von einem Körper, den weder das Volk, noch der Monarch dazu be¬ vollmächtigte; beantwortet es aber diese Frage mit „Ja“ was für eine Wirkung hat dann sein Veto gegenüber

216 dem — nach der Erklärung des Ministeriums gesetzgeben¬ den — Reichstag? Die dritte Frage ist von zu persönlichem Inte¬ resse für das Ministerium, als daß man es nur versuchen könnte, in deren Beantwortung ihm vorzugreifen. Die ersten beiden Fragen aber, die Ereignisse, von denen sie hervorgerufen wurden, und deren Nachwirkung ihre Beantwortung jetzt so schwer, so unheilvoll=folgenreich macht, sind nur ein neuer Beweis wohin das eigensinnige Beharren des Reichstages auf einem Wege, den zu betre¬ ten er nicht berufen war, führt. Borrosch bemerkt ganz richtig „der constituirende Reichstag kann nicht aufgelöst, er kann nur von oben oder von unten gesprengt werden.“ Was hat der Reichstag nach oben gethan? Durch die diktatorische Gewalt, deren er sich anmaßt — sagen wir es mit einem Worte — hat er den Kaiser faktisch abge¬ setzt, und will ihn erst unter Bedingungen, die der Kai¬ ser bedingungslos erfüllen muß, wieder aufnehmen! Was hat der Reichstag nach unten gethan? Er hal durch fanatische Reden den Bauernstand der ruhig und hoffnungsreich der Entwickelung seiner neuen besseren Lage entgegen sah, allarmirt, hat durch die ausgesprochene Auf¬ hebung des Unterthansverbandes, während die Entschädi¬ gungsfrage in der Schwebe blieb, die aufgeregten Schoo߬ kinder selbst nicht befriedigt, durch die in Aussicht gestellte Entschädigung von Seite des Staates aber den Bürger¬ stand beunruhigt, der mit Recht fürchtet, den Bauer mit schwer verdientem Gelde von Lasten mitloskaufen zu müssen, ohne für sich irgend einen Vortheil dabei in Aus¬ sicht zu haben. Wäre es denn zu wundern, wenn in ir¬ gend einem Staate unter gleichen Verhältnissen oben oder unten die Lust entstünde einen Reichstag, der alles eher thut als das wozu er berufen ist, zu sprengen! Der Reichstag wird aber ruhig, schleunig und ge¬ liebt und geehrt von dem Volke und dem Monarchen, die ihn beriefen, sein Werk zu Ende bringen können wenn er sich folgende Wahrheiten gewissenhaft gegenwärtig hält: 1. Der Kaiser hat die vollziehende Gewalt in die Hände seiner Minister gegeben und jede ihrer Verfügun¬ gen für provisorische bis Errichtung der neuen Staats¬ verfassung erklärt. 2. Der gegenwärtige Reichstag hat keine gesetzge¬ bende Gewalt. Er beräth das Grundgesetz des Staates das Resultat seiner Berathungen gilt für den legal aus gesprochenen Willen des Volkes. Dieses Resultat ist die Grundlage des Verfassungsvertrages den der Reichstag im Namen des Volkes mit dem Monarchen abzuschließen berechtiget ist. 3. Das Volk dürstet nach einer neuen definitiven Organisirung des Staates, nach neuen definitiven Ge¬ setzen jeder Gattung — alles dieses kann dem Volke nur werden durch einen auf Grundlage der Verfassung ge¬ wählten gesetzgebenden Reichstag. 4. Es existirt für den Kaiser eine moralische Noth¬ wendigkeit, dem wohlerwogenen, klar und ruhig auf lega¬ lem Wege ausgesprochenen Willen des Volkes nicht ent¬ gegen zu treten. 5. Wir leben im Jahre des Heiles 1848. Aler. Jul. Schindler. Die Schattirungen der Reaktion. Ohne Reibung könnte die Welt nicht bestehen, die Sonne und die Sterne fielen aus ihren Bahnen, der Erd¬ ball bräche in Stücke, Aecker, Weinberge, Forst und Au mit Schloß und Dorf flögen in die Leere wie Spreu, der Vogel fiele aus der Luft, das Rad von der Achse, der Arm vom Rumpf — es gäbe nirgends einen Halt. Ohne Reaktion gibt es kein politisches Leben. Wir haben gegenwärtig in unserem Vaterlande viel politisches Leben, folglich keinen Mangel an Reaktion — oder umge¬ kehrt. Bei uns bezeichnet man aber mit dem Worte Re¬ aktion, das Bestreben jener Leute, welche sich den alten oder wenigstens einen dem alten Zustande der Dinge höchst ähnlichen zurückzuführen bestreben. Wir zählen gegenwärtig verschiedene Reaktionen: Eine Reaktion des Hofes oder der Camarilla, eine des Militärs, eine der Bureaukratie, eine der Aristokratie, eine der Geistlichkeit, eine des Slavismus — und die unbe¬ wußte Reaktion der Ultras, die aber eigentlich nicht hieher gehört. Die Reaktion der Camarilla will den Staat zu einer Casse und einen Lustpark für den Hof, das Militär will ihn zu einer fetten Weide und zu einem luftigen Manöv¬ rir=Platz, die Bureaukratie will ihn zu dem, was er vor dem 15. März d. J. war, machen. Die Aristokratie möchte die frühere Stellung der Bureaukratie für sich gewinnen, die Geistlichkeit trachtet unter dem Namen einer Tren¬ nung der Kirche vom Staate einen Staat im Staate neu und fest zu gründen, der Slavismus untergräbt den Auf¬ schwung und die Einigung Deutschlands und schwört un¬ ter Slavas und Zivios zur schwarzgelben Fahne um so lieber, da er wohl weiß, daß das sogenannte starke Oe¬ sterreich ewig wie ein Bleigewicht in den Flügeln des deut¬ schen Adlers hängen wird. Hiemit sind aber alle Schattirungen der Reaktion noch bei weitem nicht erschöpft, z. B. fehlt noch die Reak¬ tion der Zweifler an der Nothwendigkeit der demokratischen Monarchie. Sie reagiren, weil sie nicht glauben wollen, daß das Volk einigen Antheil nehme, an den von der Presse so laut ausgesprochenen Forderungen, die Monarchie müßte, wenn sie Bestand haben und beglücken soll, auf demokrati¬ schen Grundlagen gebaut sein. Dieß sind die Männer, welche sich einbilden, daß jene angebliche Theilnahme des Volkes nur in den Köpfen einzelner Revolutionäre oder Schriftsteller und Hitzköpfe, wie man sie zu bezeichnen beliebt, spucke und das, was man öffentliche Meinung nennt, nur ein künstlich hervorgebrachtes Produkt einer schlau von den Anhängern des Liberalismus erzeugten Aufregung sei, durch welche besonnene Staatsmänner sich nicht irre machen lassen dürf¬ ten. Einer solchen Ansicht aber liegt eine schlimme Selbst¬

212 täuschung zum Grunde. Nur ein Verkennen der durch die Geschichte nachgewiesenen Entwickelung des geistigen Le¬ bens, der Macht der Wahrheit und der Umbildung gesell¬ schaftlicher Verhältnisse kann den Irrthum erzeugen, daß Schriftsteller allein obei einzelne Unzufriedene eine Umge¬ staltung hervorbringen können. Wohl muß zuerst eine neue Idee aus dem Kopfe eines Einzelnen sich entwickeln, und die Erkenninig der Mängel des Bestehenden und der Art der mögiichen Verbesserung dem Geiste Einzelner vorschwe¬ ben. Das Häuflein derjenigen, die zu dieser Erkenntniß gelangen, wird anfangs klein sein, weil die Mehrzahl durch die Macht der Gewohnheitsund der Bequemlichkeit beherrscht wird und weder Geist genug hat die Mängel zu erkennen, noch Muth genug besitzt, das, was sie fühlt, auszusprechen. Wohl mag die Ueberredung Einzelner auch Andere bewegen, und Schlauheit, die ihre Pläne hinter dem Aus¬ hängeschild blendender Neuerungen zu verstecken versteht, ober Schwärmerei, die auf die Gemüther der leicht beweg¬ ten Menge wirkt, eine momentane Aufregung hervorbrin¬ gen, deren Folgen Unruhen und leidenschaftliche Bewegun¬ gen sind; allein eine solche Aufregung geht bald spurlos vorüber, weil sie keine Wurzel hat. Sobald aber neue Ideen und Ansichten der Einzelnen Anklang auch bei den¬ jenigen finden, welche im Stande sind, ein Vertrauen ein¬ flößendes Urtheil über die in Frage stehenden Gegenstände zu fällen, sobald das ernste Nachdenken über die Gegen¬ wart, über ihre Zustände und die Ursachen ihrer Mängel allgemeiner geweckt ist, sobald das allgemeine Gefühl des Unzulänglichen des Bestehenden alle Gemüther durchdringt, treten die Ideen und Ansichten, welche anfangs von We¬ nigen erkannt und schüchtern ausgesprochen, einem kleinern Kreise angehörten, in den größern Kreis heraus. Die Wissenschaft macht nun ihr ernstes Prüfungsrecht geltend und wägt die Gründe und Vorschläge ab. Was lange schon in den Gemüthern der Bürger schlummerte, was nur unklar ihnen vorschwebte, gelangt allmählig zum Bewußt¬ sein. Aus den Hallen der Wissenschaft tritt nun das Er¬ gebniß der Forschungen heraus auf den lauten Markt; das Nachdenken derjenigen, welche nach ihrer Stellung be¬ rufen sind, die bestehenden Vorschriften anzuwenden, wird angeregt; die Theilnahme derjenigen, welche durch die An¬ ordnungen zunächst betroffen werden, wird lebhafter. Der einmal durch diese Theilnahme zur Erforschung aufgefor¬ derte menschliche Geist bemächtigt sich der neuen Ideen und Ansichten und popularisirt sie. Aus dem Kampfe der For¬ schungen und Ansichten entwickelt sich nun allmählig eine feste Meinung, die eine öffentliche geworden ist, weil sie in dem allgemein gefühlten Bedürfnisse und in den Fort¬ schritten der Zeit ihre Wurzel hat, durch die allgemeine Theilnahme zum Gemeingut erhoben und durch die Aner¬ kennung derjenigen bestätigt wird, denen mit Recht ein si¬ cheres Urtheil zugetraut wird, weil sie entweder das An¬ sehen der Wissenschaft in die Wagschale legen oder durch Charakter, Fülle der Erfahrung, praktischen Sinn und In¬ telligenz auch den Verständigen Vertrauen einflößen. Seit langem ist Niemand so schnell berühmt gewor¬ den, als das Wort Reaktion. Berühmt und mächtig. Es bewegt Heere, schreckt Städte und ganze Provinzen, winkt in der Gestalt eines Engels den Fürsten, die sich während der Aequinoktialstürmen der Märztage auf der Martinswand Popularität verstiegen haben und schleudert sie vielleicht in einen Abgrund, der noch tiefer gähnt, als das — unserer Dinastie so verhängnißvolle Innthal. Ich kann mich durch¬ aus nicht der Meinung des Franzosen Vide Mars anschlie¬ ßen, der neulich schrieb: die Reaktion gleiche den Gespen¬ stern, von denen alle Welt spricht und die Niemand gesehen hat. Ich habe sie gesehen die Reaktion, wer läugnet mir das Licht und die Richtigkeit der Spiegelbilder meiner Au¬ gen? Ich sah sie fahren in bestaubter Kalesche an einem kalten Frühlingsmorgen über die Traunbrücke gegen Salz¬ burg und Ischl; ich sah sie zurückkehren nach Wien auf drei prächtigen schnaubenden Dampfern; ich sah sie fun¬ giren mit Inful und Stab, ich sah sie ihr herablassend¬ lächelndes Köpfchen stecken aus der weißen Halsbinde Pil¬ lersdorffs, ich hörte sie sprechen durch den Mund der Mi¬ nister Latour und Bach und von den Bänken der slavischen Rechten in der Reitschule. Die Reaktion ist kein Gespenst sie lebt, sie hat Fleisch und Bein und — ich selbst ziehe an ihrem Triumphwagen — ich selbst bin ein Re¬ aktionär! Ich habe keinen Grund zu verschweigen in welcher Beziehung auf mich ich dieses Wort acceptire. Ich hege nicht das thörichte Bestreben, den regelmäßigen Fort¬ schritten der Demokratie irgendwie hindernd in den Weg treten zu wollen. „Die Demokratie ist für immer in unse¬ ren Institutionen eingetreten.“ Meine Reaktion ist nicht der kalte Egoismus, der auf seiner geistigen Höhe sich nicht bekümmert um das materielle Elend seiner Brüder. Die Reaktion, zu der ich mich selbst bekenne, ist der feste Ent¬ schluß den eklen Volksschmeichlern oder höchstens Träumern entgegen zu treten, welche den [Menschen vollkommenes Glück und materielle Gleichheit auf Erden versprechen; sie ist der energische Wille, die Kelle und den Hammer zum Neubau unseres Vaterlandes den rohen und ungeschickten Händen jener hochmüthigen Pfuscher zu entreißen, die sich in der Presse, in den Clubbs, auf den Bän¬ ken des Reichstagssaales blähen. Volk ist in den Augen dieser Herren nur die Galle¬ rie in der Kammer, die Zuhörerschaft eines Clubbs, der Haufen auf der Gasse, der den Colporteur umschwärmt, die Plakate begafft, jene schwebende Menschenmasse, „die man nöthigenfalls abzuzählen, die man so zu sagen in die Hand nehmen und schieben kann Mann für Mann.“ Wollt ihr das Volk, seinen Charakter und sein Bedürfniß, die Tiefe seines Geistes und die Tragweite seiner Kraft ken¬ nen lernen, so geht mit ihm erst jahrelang hinter dem Pfluge, setzt euch zu seinen Hochzeit= und Leichenschmäusen, stellt euch mit ihm an die heiße Esse, steigt mit ihm hinauf zur Alpenweide, zum Wechsel der Gemse, feilscht mit ihm in dem Hafen, stecht mit ihm in die trügerische See — dann

218 blickt mit geklärtem Auge zurück auf euer Wirken vom euch nicht mehr wundern, daß man euer Treiben tadelte, Frühlinge dieses Jahres bis zu dieser Stunde, in der wir und euch in die Zügel fiel. mit Bangen welke Blättern fallen sehen und ihr werdet Alex. Jul. Schindler. Entgegnung.*) Hr. Emil Vacano legt mir in einer Erwiederung. auf einen Aufsatz in Nr. 47 dieser Zeitschrift verschiedene Gedanken und Meinungen unter, die ich nie und nir¬ gend ausgesprochen habe. Zwei Punkte aber, mit denen er mich zu schlagen vermeint, wiederhole ich hier mit Ver¬ gnügen: 1. Der Reichstag ist für sich allein nicht kompetent, die Bewohner Oesterreichs für gleichberechtigte Staatsbür¬ ger zu erklären. Er kann sich für ihre Gleichberechti¬ gung erklären, diese Gleichberechtigung kann ih¬ nen aber nur durch den Vertrag, den der Reichstag im Namen des Volkes mit dem Kaiser schließt, giltig zu Theil werden. 2. Es bleibt absurd und lächerlich, wenn sich ein Ab¬ geordneter auf einem konstituirenden Reichstage mit der Errichtung von Lokal=Kreditanstalten befassen will, und wenn auch noch 1000 Abgeordnete einer gleichen Absurdi¬ tät und Lächerlichkeit sich schuldig machten. Hr. Vacano hat durch diese beide Punkte dem Publikum nur neuerdings bewiesen, wie richtig ich ihn schon früher be¬ urtheilte. Irgend eine persönliche Beleidigung ge¬ gen Herrn Vacano ist in meinen Blättern nicht zu fin¬ den, und wenn er mich am Schlusse seines Artikels mit Koth bewirft, so ist das eine Handlungsweise dieses Eh¬ renmannes, die ich ihm nicht nachahmen kann. Steyr am 6. September 1848. Alex. Jul. Schindler. Zur Verständigung. Es wird mir von vielen Seiten theils versteckt, theils offen zugemuthet, ich hätte bei meiner bekannten Sorge für das Wohl der Stadt Steyr und ihrer Feuerarbeiter die mir längst nahe gelegenen Mittel zu deren angemessenen und rechtzeitigen Belehrung über die zwischen der Bürgerschaft von Steyr und der Fürstlich=Lamberg'schen Herrschaft Steyr obwaltenden Reichsverhältnisse benützen *) Sollte sich die Redaktion irgend eines Blattes veranlaßt fühlen, diese Ent¬ gegnung abzudrucken, so gestatte ich dieses nur bann, wenn Herrn Vacano's Berichtigung vorher vollständig in demselben Blatte auf¬ genommen worden ist, denn nur eine ganz gemeine Seele kann in einem Falle, wie der vorliegende ist, den vollständigen Abdruck einer Berich¬ tigung dort wünschen, wo der berichtigte Artikel dem Leser nicht vollstän¬ sollen. Die mir dieses zumuthen wissen recht gut, daß auch ich — nach der bekannten Gepflogenheit — als ich als Justizbeamter in die Dienste des jetzigen Besitzers der Herr¬ schaft Steyr, Fürst Gustav von Lamberg trat, einen Diensteid geschworen habe, der auch die Verpflich¬ tung in sich begriff, das Interesse der Herrschaft in jeder erlaubten Weise zu fördern. Ich stehe in diesem Augenblicke noch im Dienste dieses Für¬ sten und die mir zumuthen, ich hätte die mir etwa zu Handen stehenden Urkunden den Gegnern des Fürsten zu dessen Nachtheile mittheilen sollen, muthen mir eine mein¬ eidige, vor dem Richterstuhle jedes Ehrenmannnes höchst verwerfliche Handlung zu, und auf einer je höheren Bildungsstufe sie selbst stehen, desto mehr muß ich die Ehrenhaftigkeit ihres eigenen Cha¬ rakters in Zweifel ziehen. Mag auch Andern kein Mittel zu niedrig er¬ scheinen, sich auf Unkosten Anderer die allgemeine Gunst zu erschleichen: ich bin zu stolz gemein zu sein. Steyr am 6. September 1848. Aler. Jul. Schindler. Zur Berichtigung. Einer verbreiteten irrigen Meinung erkläre ich hiemit, daß ich für das hier erscheinende Flugblatt nie eine Zeile ge¬ schrieben habe. Steyr am 7. Sept. 1848. Aler. Jul. Schindler. Bekanntmachung. Sonntag 10. d. M. 10 Uhr Vormittags findet im Saale des Industrie= und Gewerbe=Vereines allhier Be¬ richterstattung der Wirksamkeit dieser Anstalt, die Vorlage der verfertigten Zeichnungen 2c., sowie die Vertheilung der Preise Statt, wozu hiermit freundlich eingeladen wird. Von der Delegation des Industrie= und Gewerbe¬ Vereines zu Steyr am 7. September 1818. Verantwortlicher Redacteur Alex. Jul. Schindler; Mitredacteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Sandböck und Haas in Steyr.

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