sen scheint, daß auch ein demokratischer Staat aus einer festen Grundlage organisch empor wachsen und der Grund des höchsten (trascendentalsten) Gebäudes, doch auf etwas Gegebenen, auf der lieben, alten, unvollkommenen Urmutter Erde stehen müße! Betrachten wir aber die Beweggründe der Wahlen, aus denen der Reichstag hervorging, so wird es uns nicht wundern, daß eine so geringe Minorität nur einigermaßen ihrer Aufgabe gewachsen ist. Denn während die liberale Partei überall die keksten Schreier wählte, suchten die Con= servativen emsig nach Leuten, die kein Wässerchen trüben, timide hausgesessene Schlafmützen und hie und da wohl= dienerische Bureaukraten stiegen sehr im Preise. Stolz sitzen diese Herrn in der Reitschule: die einen stürmen mit den Stürmern, die andern schlafen mit den Schläfern und Mefysto, der immer klüger ist, als ehrliche Christenkin= der hat einen Ministerfrack an, legt dann und wann sein Ohr an den Boden, ob er nicht Hufschläge höre auf der Schönbrunnerstrasse prüft den Wind und Oesterreich sind das deine Männer! Ist das deine Weis= heit das deine Kraft! Ist das Alles was deine Söhne gelernt haben in der Schule dieses Jahrhunderts? Ich warne mein Vaterland — nicht vor den Demo= kraten — sondern vor jenen Demokraten, die ich zuvor schil= derte, in deren Lehren sich eine unbesonnene Jugend, ein immer durstiges Proletariat und unsere Herren Bauern in Wien berauschen. Jene Demokraten bahnen in ihrer Hitze der Despotie den einzigen Weg, auf dem sie noch einmal auf die Dauer zu uns gelangen kann. Jenen De= mokraten schiebe ich die Anträge in die Schuhe, mit denen sich der Reichstag bis jetzt theils zur Unzeit, theils ohne Vollmacht beschäftigte. Und so oft ein solcher Antrag in der Reitschule vorgeritten wurde, überfielen mich Sorgen und Angst — ich konnte Nächte lang nicht schlafen. War meine Qual vielleicht ohne Grund? Wie wenn die Wahr= heit wäre zur Geltung gebracht worden: „Kann man denn als ein christlicher Monarch mit Beruhigung ein Volk sich selbst regieren lassen, dessen Quintessenz an Weisheit (i. e. der Reichstag) nicht einmal den Unterschied zwischen einem konstituirenden und einem konstituirten Reichstage kennt? Ist man nicht vielmehr gezwungen die Vormund= schaft über dieses Volk zu verlängern und einen Mitvor= mund aufzustellen z. B. Rußland oder einen seiner Sip= pen?“ Jetzt aber können wir schlafen, und haben nichts mehr zu fürchten, und all die Bedenken über die Compe= tenz und die Befähigung des Reichstages womit ich meine Leser ängstigte, sind in ihr gerechtes Nichts zurückgeworfen. Was nie der Verstand der Verständigen sieht, Ergründet in Einfalt ein kindlich Gemüth. Der Reichstag war zu allem, was er hat vollständig be= rechtigt: denn der Justizminister Bach hat ihn in der Sit= zung vom 2. d. M. im Namen des Ministeriums für einen constituirenden und gesetzgebenden zugleich erklärt! Herr Justizminister, erlauben Sie mir, bevor ich nach dem Genusse dieser Erklärung zu einem ruhigen Schlafe mich niederlege, ein paar Fragen an Sie zu stellen, die ich im Namen des Ministeriums durch Sie möchte beantwor= tet hören: 1. Bekanntlich ist es eine Hauptaufgabe eines con= stituirenden Reichstages, zu bestimmen ob und in welchem Maaße die gesetzgebende Gewalt im Staate zwischen dem Fürsten und dem Volke getheilt ist. Da nun der consti= tuirende Reichstag diese Frage bei uns noch nicht entschie= den hat, auf welche Weise wird er sich als gesetzgebender Reichstag mit dem Kaiser in das Recht der Gesetzgebung theilen? Denn — erlauben Sie mir zu bemerken, Hr. Ju= stizminister — bei so kitzlichen Geschäften, wie das der Gesetzgebung, gibt es oft hie und da kleine Anstände, die gewisse festgesetzte Gränzen zwischen den Berechtigungen der Betheiligten wohl sehr wünschenswerth machten. 2. Unsere Deputirten sind unsere Bevollmächtigten. Wir haben sie nur bevollmächtigt unsern Willen giltig auf einem constituirenden Reichstag auszusprechen. Kann je= mand Anderer als der Vollmachtgeber selbst die Vollmacht giltig ausdehnen!? Das ist eine Civilrechtsfrage — und damit gehe ich zu Bette und schlafe ruhig auf Rechnung des Ministeri= ums und träume von lauter Lichterglanz, Geigen und Schalmeyen, von fröhlichen Leuten, von der Hochzeit zu Cana in Galiläa, von den hohen Krügen, in denen der Herr Wasser eben so leicht in Wein verwandelte, als un= ser Herr Minister aus einem constituirenden Reichstage einen gesetzgebenden machen. Wenn ich aber morgen Früh aufwache, und meine zwei Fragen nicht beantwortet finde, so stehen all die alten Sorgen und Befürchtungen wieder mit mir auf, und wenn ich in Zukunft wieder schlecht schlafe — so werden das die Herrn Minister zu verantworten haben. Gute Nacht! Alex. Jul. Schindler. Die Petition der Besitzer wundärztlichen Ge= werbe in Wien vom 21. September d. J. Die Besitzer wundärztlicher Gewerbe (dieses lächerli= chen Zopfes in der Heilkunst, nur vergleichbar mit den Polizei=Gewerben der Advokaten in der Rechtswissenschaft) haben beim Reichstage einen Protest gegen die Aufhebung der niederen chirurgischen Studien durch das Unterrichts= Ministerium eingereicht. Die bornirte Ansicht der Wiener Real=Chirurgen ist durch die einzige Frage verurtheilt, wodurch es zu rechtfertigen wäre, die Ausübung irgend einer Kunst oder Wissenschaft an Geldbesitz oder Credit, somit in diesem Falle an den Besitz eines kostspieligen chi= rurgischen Gewerbes zu knüpfen? Der ganze Protest er= scheint aber entschuldigt, sobald man in den einzelnen Stel= len desselben erkennt, wie groß an Geist seine Ver= fasser sind. So sagen sie am Ende desselben, sie stellten denselben „im vollsten Vertrauen auf das strenge!!!!!! Gerechtigkeitsgefühl, welches den ersten Reichstag
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