Zwanglose Blätter, Nr. 49, vom 2. September 1848

steht et, Jevatter Süddeutsch, det hilft dir alles nischt, du mußt Preuß'sch werren!“ Wir stehen an der Pforte einer schönen Zukunft und selbst der Zufall, der unschuldige Knabe wird weinen, daß er den unschuldigen Techniker Spitzer als erstes Opfer ge= weiht hat, diesem Gotte, der nun dem Altar der Völker zu besteigen sich anschickt. Alles freut sich schon über uns zu herrschen — die Camarilla lacht sich schon in die Gla= cefäustchen und das Ministerium Stadion=Neumann hat schon seine Uniform zur Stickerin geschickt, Jellachich freut sich, der gerechte Strohbach freut sich, der so manches Wort zu seiner Zeit, ehe es laut geworden mit der Prä= sidentenglocke zu Grabe geläutet, Wittelsbach freut sich — auch Rußland und nebenbei der Prior der Ligurianer in Mautern. Die Warnungsstimme aus Italien wird Reichs= Feldmarschall und dann werden die Tage anbrechen in de= nen man mit Recht wird fragen können: „Was ist des Deutschen Vaterland? Der Spielberg oder die Ufern des Ohio?“ Doblhoff=Wessenberg, vergeßt es nicht: der Welt= geist macht heute die Politik! trennt heute die Ca= marilla von der Person des Kaisers und heftet zugleich dauernd die deutschen Farben an die Fahnen unserer Truppen — wie heftig auch der Kampf entbrenne — euer bleibt das Feld. Das jetzige Ministerium war so ungeschickt oder so so unredlich der Camarilla in ihre Schlingen zu laufen, darum müssen wir wünschen, daß es falle; doch ein Mi= nisterium Neumann=Stadion wird ihm nachfolgen — da= rum müssen wir wünschen, daß es bleibe. Sind wir nicht in einer beneidenswerthen Lage? Laßt uns doch sehen, was das Ministerium Stadion=Neumann in seinem Portefeuille trägt. Soldaten= und Bureaukraten=Herrschaft! Bürger= krieg und — seinen eigenen Todtenschein! Was wird es zuerst daraus hervorziehen? Gleichviel — am Ende jedes die= ser drei Lose hängt die Frage: „Was dann!?“ Wenn ich mich in Gedanken über dieses „dann“ vertiefe, dann freue ich mich, daß ich noch so jung und an Hoffnung und Fantasie noch so reich bin. Sonst würde ich der Versu= chung schwer widerstehen können, wie der siebzigjährige Beaumarchais wenige Stunden vor seinem Tode auszuru= fen: „Ich bin nicht neugierig mehr.“ Wir hatten bis jetzt zwei Ministerien der Schwäche — das erste schwach gegen unten, das zweite schwach gegen oben — zunächst droht uns ein Ministerium der Camarilla — wann blüht uns ein Ministerium der Ehrlichkeit?! Alex. Jul. Schindler. Zur Geschichte des Tages. Ueber die Zustände in Croatien und an der Gränze enthält die Cillier Zeitung, eine vortreffliche Quelle für die südslavischen Angelegenheiten, folgenden Bericht eines achtbaren Reisenden, welcher Agram am 23. v. M. ver= ließ. Wir bemerken nur noch, daß der Berichterstatter ein gemäßigter Slave ist: „Als ich Petrina verließ, kamen 5 Wagen mit Flüchtlingen an, welche die Kunde brachten, die Türken seien in die Gränze eingefallen und hätten die Ortschaft Maja angezündet. Die alsogleich ausgeschickten Patrouillen bemerkten allerdings ein Feuer, des Feindes aber wurden sie nicht ansichtig. Ich hielt die Sache für einen blinden Lärm, herbeigeführt durch die Maßregeln ge= gen die Heuschreckenschwärme, welche ich selbst Tags vorher drei volle Stunden hindurch an Konstainicza vorü= ber ziehen sah, von wo sie aber durch die Bewohner ver= trieben, das jenseitige Ufer erwählten, von den fatalisti= schen Türken unbehindert ihre Verheerung fortsetzten und sich wahrscheinlich gegen Carlstadt gewendet haben. Die Aufregung der Bewohner gegen die Ungarn hat ihren Höhepunkt erreicht, man hatte aber auch jedes Mit= tel, insbesondere den religiösen Fanatismus hervorgesucht, um die Bevölkerung für den Vernichtungskrieg zu ent= flammen, zum Kampfe „für den Kaiser und die Religion," ein Krieg, der sich aber zum Kampfe der rohesten Barba= rei gegen die Gesittung gestaltet. Denn der Gränzer hält es für seine Pflicht, da seine Brüder in Italien sich mit Beute beladen, auf gleiche Weise durch Plünderung für Weib und Kind zu sorgen. Darum sucht er auch den Krieg naturgemäß in das reichere Feindesland zu spielen und man betrachtet den Zug nach Budapest als einen blo= ßen Uebungsmarsch. Der Bauer hat trotz der erlangten Freiheit seinen Zustand nicht verbessert; er ist aus der Ge= walt der Aristokratie in die Hand der Bureaukratie ge= kommen; von einem kräftigen Mittelstande ist keine Spur. Ueber Wien und Frankfurt waren die abenteuerlichsten Ansichten verbreitet, was kein Wunder ist, da jede Mei= nung von entgegengesetzter Farbe Gefahr bringt. Man kann sich kaum eine Vorstellung von dem Terrorismus ma= chen, welcher in Agram herrscht. Am 23. d. M. wurde daselbst ein achtbarer Greis und Bürger, der sich eine un= vorsichtige obschon gemäßigte Aeußerung über Jellachich erlaubte, alsogleich ergriffen, an den Pranger gestellt, standrechtlich behandelt unb heute wahrscheinlich mit dem Tode bestraft.“ Pfefferkörner. Im Jahre 1834 hat ein Hr. v. Gagern in der Darmstädter Kammer behauptet, die unruhige Stimmung in Rheinbaiern käme von drei Ursachen her: weil keine Residenzen, kein hoher Adel und keine Oper im Lande sind! Ist das derselbe Hr. v. Gagern, der jetzt in der Paulskirche präsidirt, der den unverantwortli= chen Reichsverweser ohne Reich erfunden hat, damit des Königs von Preußen ehrlicher Mund an Küssen nicht verarme?!

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