Zwanglose Blätter, Nr. 46, vom 23. August 1848

blicke mit jener glänzenden Dialektik, mit jener wohlge= schulten Beredsamkeit fordern werden, der wir bei dem Umstande, daß durch ein im Allgemeinen, namentlich für unsere Provinz bedauerliches Resultat der Wahlen, der Gewerbestand in der hohen Reichsversammlung höchst un= zulänglich vertreten ist, keine gleichgerüsteten Kämpfer ent= gegen zu stellen im Stande sein werden. In der festen Ueberzeugung, daß jedes einzelne Mit= glied in der hohen Reichsversammlung sich seine Verpflich= tung gegenwärtig halten wird, nicht nur die Interessen der Majorität, die es gewählt hat, sondern auch die der Mi= norität, gegen deren Willen es gewählt worden ist, zu vertreten, erklären wir der hohen Reichsversamm= lung, als eine ergänzende und wohlberechtigte Stimme au= ßerhalb der Wände ihres Saales: daß Kraft, Wohlstand, und Bedeutung des Bürger= standes, des fruchtbarsten Bodens der Intelligenz, des gewaltigsten Bollwerkes gegen die wilde, sittenlose Herrschaft eines entfesselten Proletariats, so wie ge= gen jede Despotie, sie komme von was immer für ei= ner Seite, durch Einführung unbedingter Gewerbe= freiheit, mit einem Schlage für immer vernichtet; durch Erlassung eines Gewerbegesetzes aber, welches die Rechte zeitgemäß erneuerter Innungen, ebenso als die Rechte der neuorganisirten selbstständigen Gemeinde achtet, für alle Zukunft zum besten Gedeihen unseres geliebten Vaterlandes erhalten werde. Wir bitten demnach eine hohe Reichsversammlung in unserem und unseres Vaterlandes wohlerwogen und wohlverstandenen Interesse, bevor sie bei Berathung des Staatsgrundgesetzes die Gewerbefrage im Prinzipe entschei= det, diese unsere Vorstellung wohl zu beherzigen und durch die Einführung unbedingter Gewerbefreiheit nicht neue Noth und neue Verwirrung über unser schwer heimgesuchtes Vaterland zu verbreiten. Nicht der Bauernstand war es allein der unter einem schweren Drucke seufzte, sein Wohlstand war wenigstens in dem bei weiten größeren Theile unserer Provinz ein ge= nügender, seine Beisteuer zu der Staatsauslage leistete er im Ganzen genommen in einem gerechten Ausmaße und die Zukunft wird lehren, ob der Staat durch die bean= tragte Aufhebung des Dominikal= Unterthansverbandes und der daraus fließenden Giebigkeiten ihm mehr als die lä= stige Form einer Abgabe wird von den Schultern nehmen können. Aber in den äußersten Mangel, in die hoffnungs= loseste Lage versetzten die letzten Jahre den Gewerbestand, den man jetzt schutzlos sich selbst überlassen, — sagen wir es gerade heraus — aus einem zu weiten Begriffe von Freiheit im Staate — einem gewerblichen Faustrechte Preis geben will. Faktische Monopole in den Händen des Staa= tes oder bevorzugter Privatpersonen, z. B. die Innerber= ger=Hauptgewerkschaft u. dgl. Zoll= und Gewerbegesetze, die einerseits der Veration, anderseits der Corruptur den bequemsten Spielraum boten, Mangel an zweckmäßigen Bildungsanstalten für den Gewerbsmann u. s. w. haben seit Jahren untergraben, was die Einführung unbeding= ter Gewerbefreiheit über Nacht wird zum Falle bringen das Glück des fleißigen Bürgers. Diese unsere Lage in ihrem ganzen Umfange wohl erkennend haben wir uns heute in der Landeshauptstadt Linz versammelt und einen Verein zur Gründung eines zeitgemäßen Innungswesens und zur Beförderung einer guten Gewerbegesetzgebung gestiftet, dessen Centrale in Linz, dessen Filiale in den bedeutendsten Orten der Provinz haben werden. Wir haben unter einem ein Comite ge= wählt, welches die Statuten des Vereins zu entwerfen, die Orte, in denen Filialen zu bestehen haben, zu ermitteln und bis zur gänzlichen Organisirung des Vereines densel= ben zu repräsentiren und seine Obliegenheiten zu erfüllen haben wird. Das Zustandebringen einer guten Gewerbegesetzge= bung glaubt dieser neue Verein am besten dadurch beför= dern zu können, daß er sich erklärt, dem hohen Ministe= rium des Handels und der Gewerbe, und jeder dazu beru= fenen Behörde in Fragen der Gewerbegesetzgebung gegrün= dete und umständliche Aufschlüße zu ertheilen, durch welche die Regierung die Wünsche und die Bedürfnisse des Ge= werbestandes gewiß zuverlässiger erfahren wird, als nach der bisher bestandenen Gepflogenheit, in ähnlichen Fällen die politischen Behörden einzuvernehmen, die meistens eben= sowenig sachverständige als vorurtheilsfreie Berichte erstat= teten, und so es der Regierung bei dem besten Willen un= möglich machten, das Beste zu beschließen. Wir bitten, eine hohe Reichsversammlung wolle we= der unsere Erklärung gegen die Einführung unbedingter Gewerbefreiheit, noch das Anerbieten der Mitwirkung, des von uns heute gestifteten Vereins zur Beförderung einer guten Gewerbegesetzgebung unbeachtet lassen, und Hoch= dieselbe möge die billigen, keines Menschen Recht verletzenden Forderungen des Bürgerstandes mit dem= selben Kraftaufwande zu befriedigen trachten, mit der sie die Realisirung der Ansprüche des Bauernstandes in An= griff genommen hat. Linz am 30. August 1848. Die vereinten Innungsmeister von Oberösterreich. Ueber Volksversammlungen. Der denkende Volksfreund, welcher mit warmer, auf= richtiger Theilnahme Schritt für Schritt die geistigen Er= rungenschaften unserer Tage begleitet, und deren Zurück= wirkung auf Oesterreich, namentlich die unteren Schichten von dessen Bevölkerung beobachtet hat, kann sich des schmerz= lichen Gefühles nicht erwehren, wie wenig noch die bil= dungslose, doch nicht bildungsunfähige Masse sich auf die Höhe unserer sozialen Reformeurs geschwungen, und die Fähigkeit erlangt hat, die leitenden Ideen der Neuzeit in sich aufzunehmen und zu verarbeiten. Wie ein Kind, das mit einer tödtlichen Waffe spielt, deren Kraft und Trag= weite es nicht kennt, bebt es vor Gefahren zurück, die es ahnt, doch nicht begreift, verschmäht es die Hand seiner Freunde, weil sie in einer ihm fremden Mundart sprechen,

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