Zwanglose Blätter, Nr. 46, vom 23. August 1848

Iwanglose Blatter Oberösterreich. Nero. Steyr am 23. August 1848. 46. „Hat man das Gute dir erwiedert?“ Mein Pfeil flog ab, sehr schön befiedert, Der ganze Himmel stand ihm offen, Er hat wohl irgendwo getroffen. Göthe. Die Versammlung der Gewerbetreibenden von Oberösterreich am 20. August d. J. im stän= dischen Redoutensaale zu Linz. In Folge des in diesen Blättern Nro. 38 erschienenen und sodann in zahlreichen Eremplaren durch die ganze Provinz verbreiteten Aufrufes, erlassen von den vereinigten Innungsmeistern zu Stadt Steyer am 20. Juli d. J. haben sich am 20. August die Abgeordneten der Innungen aus allen nur einigermaßen bedeutenden Orten des Traun=, des Hausruck=, des Mühl= und des Innkreises im ständi= schen Redoutensaale eingefunden. Auch die Gewerbetrei= benden aus Linz waren zahlreich vertreten. Der Redakteur dieser Zeitschrift eröffnete die Ver= sammlung mit einer Rede, in der er mit Bestimmtheit dar= auf hinwies, daß nur durch das Gleichgewicht der Rechte aller Stände Dauerhaftigkeit des neuen Staatsbaues ver= bürgt werden könne, daher auch die Gewerbetreibenden und mithin der Bürgerstand seine Rechte um so mehr in genügenden Formen feststellen und wahren müsse, da der Reichstag so eben im Begriffe stehe, dem Bauerstande so viel zuzueignen, daß leicht mittelbar oder unmittelbar die Rechtsfäre eines gleichberechtigten Standes verletzt werden könne. Während der Reichstag sich bemühe jedes Bauern= haus mit einer weitstrahlenden Glorie von Volkssouverä= nität zu umgeben, möge es dem fleißigen Bürger doch nicht verargt werden, wenn er um sein kleines Haus den Schein eines bescheidenen Wohlstandes zu verbreiten trachtet. Nachdem der Redner die Nothwendigkeit und die Grund= idee eines Vereines zur Gründung eines zeitgemäßen In= nungswesens und zur Beförderung einer guten Gewerbe= gesetzgebung entwickelt hatte, verließ er die Rednerbühne, die Herr Karl Schmutz, Sekretär des Industrievereines einnahm, um eine ziemlich lange Petition, die schon früher in Abdrücken in der Provinz herumlief und auch schon, wie er sagte mit 4000 Unterschriften bedeckt sei — wir wissen nicht aus welchem Grunde — der Versammlung vorzulesen, dann suchte er zu beweisen, daß das Bestehen des alten Industrievereines, den vom vorigen Redner im Namen der Innungsmeister von Stadt Steyer beantragten neuen Verein ganz überflüssig mache und besser und wirk= samer das neue Streben mit dem alten des Industrieverei= nes in Eines zusammenflöße. Für diesen Antrag fanden sich aber wenig Simpathien. Eine Anrühmung seinerlangjährigen Verdienste, die Herrn Schmutz, vielleicht veranlaßt durch einige Bravos, seinem Vortrage anfügte und ein Ausfall auf gewisse Leute, die ohne Verdienste für sich zu haben nur glänzen wollten, gingen spurlos vorüber. Al. Jul. Schindler bemerkte hierauf: es wären jetzt der Worte ge= nug gefallen, wiederholte kurz und mit einer gedrängten kräftigen Begründung seinen früheren Antrag, der durch allgemeine Acclamation zum Beschluße erhoben wurde. Somit war der Verein zur Gründung eines zeitgemäßen Innungswesens und zur Beförderung einer guten Gewer= begesetzgebung gegründet. Nachmittag wurde ein Comite aus 13 Mitgliedern bestehend gewählt, welches die Statu= ten des Vereines zu redigiren hat. Nach Bekanntmachung dieser Statuten werden die Central= und die Filialvereine ungesäumt ins Leben tre= ten und ihre Wirksamkeit beginnen, die dem öffentlichen Wohle eben so gedeihlich sein wird, als sie der Regierung erwünscht sein muß. Der Verein ist von so vielen übereinstimmenden Kräften gegründet worden, daß er seinen Weg selbststän= dig wird leicht verfolgen können. Das gewählte Comite repräsentirt bis zur vollständi= gen Organisirung den Verein, der noch an dem Tage seiner Gründung seine Wirksamkeit damit begann, daß er die unten abgedruckte Eingabe mit zahlreichen Unterschriften bedekt, der hohen konstituirenden Reichsversammlung zu= sandte. Hohe constituirende Reichsversammlung. Es sind in jüngster Zeit durch die Presse, ja selbst aus dem Schooße der hohen Reichsversammlung Stimmen laut geworden, welche die unbedingte Gewerbefreiheit für gänzlich untrennbar von der Verfassung eines freien Vol= kes halten, und welche diese daher im entscheidenden Augen=

blicke mit jener glänzenden Dialektik, mit jener wohlge= schulten Beredsamkeit fordern werden, der wir bei dem Umstande, daß durch ein im Allgemeinen, namentlich für unsere Provinz bedauerliches Resultat der Wahlen, der Gewerbestand in der hohen Reichsversammlung höchst un= zulänglich vertreten ist, keine gleichgerüsteten Kämpfer ent= gegen zu stellen im Stande sein werden. In der festen Ueberzeugung, daß jedes einzelne Mit= glied in der hohen Reichsversammlung sich seine Verpflich= tung gegenwärtig halten wird, nicht nur die Interessen der Majorität, die es gewählt hat, sondern auch die der Mi= norität, gegen deren Willen es gewählt worden ist, zu vertreten, erklären wir der hohen Reichsversamm= lung, als eine ergänzende und wohlberechtigte Stimme au= ßerhalb der Wände ihres Saales: daß Kraft, Wohlstand, und Bedeutung des Bürger= standes, des fruchtbarsten Bodens der Intelligenz, des gewaltigsten Bollwerkes gegen die wilde, sittenlose Herrschaft eines entfesselten Proletariats, so wie ge= gen jede Despotie, sie komme von was immer für ei= ner Seite, durch Einführung unbedingter Gewerbe= freiheit, mit einem Schlage für immer vernichtet; durch Erlassung eines Gewerbegesetzes aber, welches die Rechte zeitgemäß erneuerter Innungen, ebenso als die Rechte der neuorganisirten selbstständigen Gemeinde achtet, für alle Zukunft zum besten Gedeihen unseres geliebten Vaterlandes erhalten werde. Wir bitten demnach eine hohe Reichsversammlung in unserem und unseres Vaterlandes wohlerwogen und wohlverstandenen Interesse, bevor sie bei Berathung des Staatsgrundgesetzes die Gewerbefrage im Prinzipe entschei= det, diese unsere Vorstellung wohl zu beherzigen und durch die Einführung unbedingter Gewerbefreiheit nicht neue Noth und neue Verwirrung über unser schwer heimgesuchtes Vaterland zu verbreiten. Nicht der Bauernstand war es allein der unter einem schweren Drucke seufzte, sein Wohlstand war wenigstens in dem bei weiten größeren Theile unserer Provinz ein ge= nügender, seine Beisteuer zu der Staatsauslage leistete er im Ganzen genommen in einem gerechten Ausmaße und die Zukunft wird lehren, ob der Staat durch die bean= tragte Aufhebung des Dominikal= Unterthansverbandes und der daraus fließenden Giebigkeiten ihm mehr als die lä= stige Form einer Abgabe wird von den Schultern nehmen können. Aber in den äußersten Mangel, in die hoffnungs= loseste Lage versetzten die letzten Jahre den Gewerbestand, den man jetzt schutzlos sich selbst überlassen, — sagen wir es gerade heraus — aus einem zu weiten Begriffe von Freiheit im Staate — einem gewerblichen Faustrechte Preis geben will. Faktische Monopole in den Händen des Staa= tes oder bevorzugter Privatpersonen, z. B. die Innerber= ger=Hauptgewerkschaft u. dgl. Zoll= und Gewerbegesetze, die einerseits der Veration, anderseits der Corruptur den bequemsten Spielraum boten, Mangel an zweckmäßigen Bildungsanstalten für den Gewerbsmann u. s. w. haben seit Jahren untergraben, was die Einführung unbeding= ter Gewerbefreiheit über Nacht wird zum Falle bringen das Glück des fleißigen Bürgers. Diese unsere Lage in ihrem ganzen Umfange wohl erkennend haben wir uns heute in der Landeshauptstadt Linz versammelt und einen Verein zur Gründung eines zeitgemäßen Innungswesens und zur Beförderung einer guten Gewerbegesetzgebung gestiftet, dessen Centrale in Linz, dessen Filiale in den bedeutendsten Orten der Provinz haben werden. Wir haben unter einem ein Comite ge= wählt, welches die Statuten des Vereins zu entwerfen, die Orte, in denen Filialen zu bestehen haben, zu ermitteln und bis zur gänzlichen Organisirung des Vereines densel= ben zu repräsentiren und seine Obliegenheiten zu erfüllen haben wird. Das Zustandebringen einer guten Gewerbegesetzge= bung glaubt dieser neue Verein am besten dadurch beför= dern zu können, daß er sich erklärt, dem hohen Ministe= rium des Handels und der Gewerbe, und jeder dazu beru= fenen Behörde in Fragen der Gewerbegesetzgebung gegrün= dete und umständliche Aufschlüße zu ertheilen, durch welche die Regierung die Wünsche und die Bedürfnisse des Ge= werbestandes gewiß zuverlässiger erfahren wird, als nach der bisher bestandenen Gepflogenheit, in ähnlichen Fällen die politischen Behörden einzuvernehmen, die meistens eben= sowenig sachverständige als vorurtheilsfreie Berichte erstat= teten, und so es der Regierung bei dem besten Willen un= möglich machten, das Beste zu beschließen. Wir bitten, eine hohe Reichsversammlung wolle we= der unsere Erklärung gegen die Einführung unbedingter Gewerbefreiheit, noch das Anerbieten der Mitwirkung, des von uns heute gestifteten Vereins zur Beförderung einer guten Gewerbegesetzgebung unbeachtet lassen, und Hoch= dieselbe möge die billigen, keines Menschen Recht verletzenden Forderungen des Bürgerstandes mit dem= selben Kraftaufwande zu befriedigen trachten, mit der sie die Realisirung der Ansprüche des Bauernstandes in An= griff genommen hat. Linz am 30. August 1848. Die vereinten Innungsmeister von Oberösterreich. Ueber Volksversammlungen. Der denkende Volksfreund, welcher mit warmer, auf= richtiger Theilnahme Schritt für Schritt die geistigen Er= rungenschaften unserer Tage begleitet, und deren Zurück= wirkung auf Oesterreich, namentlich die unteren Schichten von dessen Bevölkerung beobachtet hat, kann sich des schmerz= lichen Gefühles nicht erwehren, wie wenig noch die bil= dungslose, doch nicht bildungsunfähige Masse sich auf die Höhe unserer sozialen Reformeurs geschwungen, und die Fähigkeit erlangt hat, die leitenden Ideen der Neuzeit in sich aufzunehmen und zu verarbeiten. Wie ein Kind, das mit einer tödtlichen Waffe spielt, deren Kraft und Trag= weite es nicht kennt, bebt es vor Gefahren zurück, die es ahnt, doch nicht begreift, verschmäht es die Hand seiner Freunde, weil sie in einer ihm fremden Mundart sprechen,

und bangt in seiner kindlichen Einfalt vor einem Sprunge, den es mit verschlossenen Augen wagen möchte. Seit län= gerer Zeit von den Kanzeln, aus den Amtsstuben, und durch die bezahlten Federn serviler Organe vor den wüh= lerischen, verderblichen Umtrieben prahlender Weltverbes= serer gewarnt, sieht es überall nur Feinde, und faßt die Gottheit nicht, die in ihm lebt weil es deren Refler auf sich selbst vermißt. Und war es anders zu erwarten? Bei der durch eine Reihe von Jahren sistematisch betriebenen Verdummung des Volkes konnte das plötzlich hereinbre= chende Lichtmeer wohl blenden, doch nicht erwärmen. Man wird uns einwenden: Ihr habt die freie Presse, um durch sie versöhnend belehrend einzuschreiten. Wohl, doch wie hat man diesen, in gewandten Händen so fruchtbaren Fak= tor bis jetzt benützt? Während die Einen, die es vorzogen zu dem Volke herabzusteigen und in dessen Sprache zu spre= chen, es nicht verstanden, den leitenden Gedanken der verjüngten Zeit, so wie die Forschungen unserer Denker und Filosofen demselben faßlich zu machen, versuchten die Andern, es zu sich emporzuheben, und verunglückten gleich= falls. Nicht für die Bevöllkerung von Thury und Lichten= thal hat Hegel seine Deduktionen, Kant seine Beweise ge= schrieben. Zwei sich ungleichartige Elemente arbeiteten sich fortwährend entgegen, statt fördernd zu dem gemeinsamen Ziele zu wirken, und das Volk blieb unwissend wie zuvor. Nein, hier muß rasch, energisch eingegriffen werden, soll nicht das verhängnißvolle „Zu spät“ erschütternd in unsere Ohren klingen! Kennt ihr das Mittel, wie man erhebend, begeisternd, elektrisch zündend auf diese Masse wirkt? Es ist nicht das geschriebene, sondern das gesprochene Wort. Warm wie es aus dem Herzen kommt, muß es zu den Herzen des Volkes dringen, und es wird Euch verstehen. Versucht es, schreibt Versammlungen aus, denn mit Clubbs ist es nicht gethan — motivirt sie, ladet das Volk zu den= selben ein, und ihr werdet in kurzer Zeit eine erstaunliche Veränderung gewahren. Dieselbe Masse, die jetzt planlos ihren Vergnügungen nachjagt, den Augenblick genießt, und in der Fluth von ephemeren Tagesblättern bloß aus dem Grunde wühlt weil sie eben Skandal machen wird sich in die Versammlungen drängen und willig, begierig, dank= bar Euren Worten lauschen. Nicht jetzt gilt es, den Grundsatz: Odi profanum vulgus geltend zu machen; tretet auf, ihr Redner wenn ihr das wahre Wohl Eueres Vaterlandes vor Augen habt, und sprecht begeisternd und aufklärend zu der Masse! Denn nicht bloß heilsam und zeitgemäß sind derlei Versammlungen; wir halten sie auch für eine gebieterische und dringende Nothwendigkeit, soll nicht dieselbe kindliche Unbefangenheit und Gemüthigkeit dieses Volkes, die es jetzt so empfänglich für das beleh= rende wohlwollende Wort der Demagogen macht, vielleicht in den nächsten Tagen schon eine furchtbare, tödtliche Waffe in den Händen unserer Feinde werden! A. Z. Ein Brief Radetzky's. An den löblichen Magistrat der Stadt Steyr. Erlauben Sie mir, meine Herren, daß ich Sie ersu= che, den Bewohnern der Stadt Steyr meinen herzlichsten innigsten Dank auszudrücken. Sie haben mir in dem herr= lich gearbeiteten Schwert ein kostbares Geschenk gemacht, mir doppelt theuer, da es von Eurer eigenen Hand gear= beitet, das ich mit aufrichtiger Freude annehme; ich fühle, wie sie in dem greisen Führer das tapfere Heer unter mei= nen Befehlen ehren wollten, und darf stolz sagen, ein solches Heer verdient jede Ehre; mit Todesverachtung stürzte es sich auf den Feind, warf jeden Widerstand nieder, er= trug freudig jede Entbehrung und die Glut einer tropi= schen Sonne. Gott hat seine Mühen gesegnet, der Feind ist gedemüthigt über unsere Grenzen zurückgeworfen, auf dem geheiligten Haupte unseres Herrn und Kaisers ist die eiserne Krone befestigt. Und Eure Söhne, sie waren unter den Tapfersten der Tapfern, sie haben gezeigt, daß das alte Blut Oesterreichs noch in ihren Adern rollt, und daß Treue und Muth bei ihnen nie wanken. Nochmals meinen herzlichen Dank und Gruß den wohnern der Stadt. Hauptquartier Mailand am 12. August 1848. Radetzky m. p. Mit diesem herzlichen Schreiben erfreute der ausge= zeichnete Führer der italienischen Armee, die in Italien für unsern konstitutionellen Kaiser und die Ehre und Integrität des österreichischen Kaiserstaates kämpfte, unsre Stadt und diese hat sich somit um ein Zeichen ihrer Hoch= achtung einen schätzenswerthen Beweis ritterlichen Dankes eingetauscht. Indem wir dieses Schreiben mit Vergnügen der Oeffentlichkeit übergeben, knüpfen wir daran den Wunsch, der greise Feldherr möge noch lange seinen wohlverdienten Ruhm und die Liebe und Achtung seiner freien Mitbürger genießen. Die Redaktion. „Tutti-frutti“ von F. W. Arming. Wir stiegen zu Siders in den Eilwagen; trafen be= reits einen Passagier — einen Engländer. Freund Fuchs schlief bald ein, — ich mochte nicht schlafen, wollte plau= dern; aber es gehört in der That Muth dazu, einen Eng= länder anzusprechen; ich wagte es, und sieh da, Wunder genug! anstatt des eisigen yes oder no, erhielt ich eine freundliche Antwort, sicher, weil ich ihn nicht französisch son= dern englisch angesprochen. Seine Antwort war auf meine Anrede: „auch er freue sich der schönen Erntehoffnungen, wozu Frühling und Sommer berechtigt; — übrigens habe er schon einer Ernte beigewohnt in diesem Sommer, und die zweite werde dort sicher die Erste noch übertreffen“

..... wo? war meine neugierige Frage — „in Egyp= ten“ war die Antwort. — Die Britten sind doch überall zu Haus, trinken überall ihren Thee, haben überall ihr handbook for travellers in der Hand, und sind überall Engländer, d. h. Söhne einer mächtigen, auf dem ganzen Erdball nicht allein gekannten, sondern auch geachteten, ja noch mehr: einer gefürchteten Nation. Mein neuer Reisegefährte hatte den Winter in Alexandrien zugebracht, dann einen kleinen Ausflug von beiläufig hundert Meilen dem Niel aufwärts gemacht, und war dann ganz ruhig und gleichmüthig, als ginge er aus einer Stube in die andere nach Palermo, Rom, Neapel, dann über Triest, Venedig, Mailand und über den Simplon gegangen, jetzt auf dem Eilwagen des Canton Wallis, um von Mar= tigny aus weiters durch das Thal Chamounir nach Genf zu begeben; . . . . das geht Alles so leicht, so sicher, so ru= hig; ein gewaltiger Schutz umgibt den fahrenden Britten überall, und darum ist er überall zu Haus. Werden wir Deutschen uns auch noch einmal eines solchen gewaltigen Schutzes zu erfreuen haben? Vielleicht, wenn der König von Hannover, die juten Berliner und die böhmisch spre= chenden Oesterreicher nichts dagegen haben. Börne sagt: „Wie der Mensch beim Erwachen ei= nige Augenblicke hindurch irre redet und irre denkt, so auch die Völker. Der Modergeruch des früheren Zustan= des der Willkür verbreitet sich in die neu erwärmte Atmos= färe, und alter Haß, lange verhaltener Groll und grau= sam verhöhnende Schadenfreude machen den Anfang des köstlichen Geschenkes der Preßfreiheit zum Fluche.“ Dieser treffende Ausspruch erklärt die verübten Mißbräuche, deren sich die periodische Presse, die Flugblätter jeder Farbe bei Verleihung der Preßfreiheit überall zu Schulden kom= men lassen; aber er entschuldigt sie zugleich, und verheißet tröstend genug: ist das Erwachen einmal ein vollkommenes, dann wird auch Reden und Denken ein geordnetes. Die Auswüchse am Baume der Freiheit werden immer seltener werden, je älter und kräftiger er wird, und das richtige Gefühl des Volkes, das sich wohl eine Zeitlang irre lei= ten, aber nie ganz verkehren lassen kann, wird strenge da= rüber richten: darum werde nicht zu früh gerichtet, und nicht zu voreilig die Preßfreiheit ein Unglück genannt. Es gibt nur sehr wenige Menschen, welche Sinn, Kraft und Entschluß für den Werth und das Erringen persönlicher Lebensfreiheit haben; die Meisten können nur leben und besinden sich nur wohl in abhängigen Ver= hältnissen; und doch sind es gerade diese, welche am lau= testen von öffentlicher Freiheit schwätzen; — aber sie schwätzen auch nur davon. Daß Handel und Gewerbe in unser neu sich ge= staltenden Zeit darnieder liegen, ist erklärlich und löblich, daß der spart, welcher nur ein mäßiges, vielleicht gar un= gewisses Einkommen hat; aber ungerecht, ja selbst unklug ist es von dem Reichen, von den Millionären, daß auch sie jetzt sich in ihren Ausgaben so auffallend einschränken, Gouvernanten, Stallmeister, Bediente abdanken, allen Ue= berfluß entsagen, ihre Kapitalien im Kasten behalten, und dem Erwerbsmanne, der von der Hand in den Mund lebt, jeden Verdienst abbrechen, — sie rufen dadurch Vergröße= rung des Proletariats hervor, — dieses wird sie früher oder später selbst am schwersten treffen. Sicher wäre es besser, sich zu zeitigen Opfern zu verstehen, und der arbei= tenden Klasse durch Arbeitgeben den nöthigen Lebensunter= halt zu gewähren, als die Masse durch Arbeitsverweige= rung zum Almosenempfangen zu nöthigen, und wäre es auch nur, weil letzteres in der Regel die Moral unter= gräbt, indem es das Ehrgefühl unterdrückt. Die Regierungen, welche sich dem Associationsrechte entgegenstimmen, begehen einen groben Fehler. Ein Volk ist nie leichter zu revolutioniren, als wenn vorher alles Körper= und Genossenschaftliche vertilgt worden. Verein= zelte geben sich nur zu leicht jeder Gewalt preis. Wer ist revolutionär? — Nicht bloß der, welcher alle Dämme niederreißt, sondern auch jener, der sie quer in den Strom hineinbaut. Pfefferkörner. Montecucoli, der am 26. Mai unsern Liebkosungen Entronnene, ist auf Reclamation Radetzky's an Hartig's Stelle Staatsminister in Italien geworden. Für Italien ist keine Strafe hart genug. Sch. Der schauerliche politische Krebs Ebelsberg hat be= kanntlich eine Katzenmusik erhalten. Wir protestiren feier= lich dagegen. Welche Ansprüche vom Rechtsboden betrach= tet hat Ebelsberg, das Ideal der Zöpfe, auf eine Katzen= musik? Das Institut der Charivari's ist entwürdigt, jeder poetische Zauber ist den Katzenmusiken genommen, nach= dem Ebelsberg mit einer solchen Serenade honorirt, distin= quirt und dekorirt wurde. — Ebelsberg soll ausgerufen haben: ich theile das Schicksal jener ehrwürdigen Väter, Fiquelmont's und des Erzbischofs, das ist das Loos des Schönen auf der Erde. Sch. Mit einem Anzeiger Nr. 26. Verantwortlicher Redacteur Alex. Jul. Schindler; Mitredacteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Sandbök und Haas in Steyr.

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