Zwanglose Blätter, Nr. 45, vom 19. August 1848

gelegt, als daß er sich jetzt abmüht ein Princip auszuspre= chen und die dadurch bedingten weitgreifenden organischen Ge= setze auszuarbeiten, welches durch die später endlich doch zu Stande kommende Reichsverfassung umgestossen werden kann. Wer zahlt uns dann die verlorene Zeit, wer dämpft dann die Aufregung der eigennützigen und aufgeregten Menge? Die Frage über die Aufhebung des bisher bestan= denen Verbandes des Dominikal=Unterthanverbandes muß bei Berathung des Staatsgrundgesetzes ohnehin im Prinzipe entschieden werden, so gut wie die Frage über Wehrpflicht, Adelsvorrechte, Gewerbefreiheit, Selbstständigkeit der Ge= meinden u. s. w. Die organischen Gesetze durch welche die einmal anerkannten Prinzipe in Anwendung kommen müs= sen, hat ein gesetzgebender Reichstag in der ihm vom Grundgesetze bestimmten Form und innerhalb der Gränzen der ihm von diesem eingeräumten Rechte zu geben. Wir wünschen, daß dieser normale Weg eingeschlagen werde, um so mehr, da der jetzige konstituirende Reichstag durch sein Fürgehen bis jetzt, wenig beruhigende Ueberzeugung in Bezug auf seine legislativen Fähigkeiten gegeben hat. Was brachte er uns bis jetzt? Im Vergleiche zu ihrem Wortreichthum sehr geistesarme Debatten über Fragen, die er in der Form und in der Ausdehnung, in der sie gestellt wurden, gar nicht zu entscheiden berechtiget ist. Zu welchen Anomalien kann Kudlichs Antrag und die Verhandlung darüher den Reichstag noch führen? 60 Amendements sind eingebracht, 30 Redner sind vorge= merkt, viele Incidenzfragen veranlaßt durch Verstösse gegen die Geschäftsordnung sind mit Recht zu erwarten — wenn das Alles zu Ende gebracht ist, muß ja der Verfassungs= ausschuß, wenn seine Mitglieder ihrer Aufgabe gewachsen sind, mit dem Verfassungsentwurfe zu Ende sein. Soll dieser nun auf seine Berathung warten, bis jenes Speci= algesetz vollendet ist? Oder wird man ihm zu Liebe abbre= chen und die Verfassung berathen, nach deren Annahme von Seite des Monarchen der constituirende Reichstag auseinander zu gehen hat, und also die ganze auf den Kudlich'schen Antrag verwendete Zeit verloren ist? Ist es nothwendig, daß wir in kürzester Zeit auf dem Vertragswege eine Verfassung erhalten? Ist es noth= wendig, daß der Kaiser, Beamte, Geistliche und das Heer auf die Verfassung beeidet werden? Kann uns der Reichs= tag diese Fragen mit „nein“ beantworten? Gewiß nicht — warum wirket er nicht in dieser Richtung? Das Ministerium und der ganze Reichstag scheint in einer hartnäckigen Begriffsverwirrung zu leben — der letztere, der sich schon über das Wahlgesetz bei den Wahl= prüfungen so eigenmächtig hinausgesetzt hat, wird nach und nach in Antrag bringen und beschließen, was ihm nur einfällt, die Ministerien werden ihm Gesetzesvorschläge vor= legen, als ob er sie annehmen könnte, er wird den Kaiser die Civilliste votiren, wahrscheinlich die Steuer pro 1849 bewilligen u. dgl. m. Hat er dazu das Recht, erfüllt er seine Pflicht, wenn er sich damit beschäftiget und die Ver= fassungsfrage unerledigt läßt und ihre Lösung dadurch, daß er sich zur präjudizirlichen Anerkennung von Prinzipien drängt oder drängen läßt, immer in gefährlichere Ferne hinausschiebt? Möge der Reichstag — dem ich gewiß keinen bösen Willen zutraue — diese wohlerwogenen, wenn auch flüch= tig geschriebenen Andeutungen eines Freundes der Freiheit wohl beherzigen. Wie wenn die Provinzen gleichen Sin= nes mit dem Schreiber dieser Zeilen wären, wenn sie ihren Abgeordneten zum konstituirenden Reichstage energisch auf die erhaltene Vollmacht hinwiesen, oder im äußersten Falle protestirten gegen die Gültigkeit jener Beschlüsse, welche der Reichstag ohne Berechtigung faßt?! Al. Jul. Schindler. Die Barrikaden spielen in unserm Jahrhundert eine bedeutende Rolle. Die Kunst sie zu erbauen wurde schnell eine geachtete; die Fran= zosen waren die Lehrer, die Wiener, Berliner gelehrige Schüler; es soll gleichwie „in Wein — in Indigo“ so auch Reisende „in Barrikaden“ geben, . . .. wir wollen wünschen, daß ihre Geschäfte zu Ende sind, glauben aber unsere Leser nicht zu langweilen, wenn wir Ihnen etwas Geschichtliches über die Barrikaden mittheilen. Die Barrikaden verdanken ihren Ursprung den Frei= heitsideen, welche im Mittelalter auftauchten, und waren wirklich die kräftigsten Befestigungen, welche die geknechte= ten Bürger dem von seinem Schloße herab die Stadt ti= rannisch beherrschenden weltlichen oder geistlichen Herrscher entgegensetzen konnten. Hinter wohl aufgeführten Barri= kaden machte sich in jener denkwürdigen Revolution des 11. Jahrhunderts der dritte Stand, der Bürgerstand, frei von dem Joche der Franken, und in allen französischen Provinzen wo es zu Feudalkämpfen kam, waren die Bar= rikaden stets die wichtigsten Vermittler. In Paris kamen sie aber erst später in Wirksamkeit. Es war im Jahre 1358, als die üble Aufführung der Günstlinge des Dau= phin Karl das Pariser Volk zum Aufstand brachte. Etienne Marcell, der Vorsteher der Kaufmannschaft, ließ alle Stras= sen von einer Ecke zur andern mit starken Ketten sperren, und an sie wurden Reihen von Steinen, Kisten, Balken u. s. w. gestützt. Diese Ketten blieben bis ins Jahre 1383 unbeweglich an den Straßenecken, um an ihnen, sogleich wenn es Noth that die Barrikaden aufzuführen. Dieß ge= schah auch zu verschiedenen Malen. Im Jahre 1436 erhob sich das Pariser Volk, wü= thend über die Tirannei der Engländer, während die Trup= pen des Connetable von Richmond in die Stadt drangen. Dachziegel, Töpfe, Mobilien flogen aus jedem Fenster auf die Köpfe der Eindringenden, und wie durch einen Zauber= schlag erhoben sich in den Straßen die Bollwerke, welche der Stadt Paris, wenn auch nicht die Freiheit, doch wenig= stens die nationale Unabhängigkeit zu erringen möglich machten. Eine besonders wichtige Rolle spielten jedoch die Barrikaden am 12. Mai 1588 in den Strassen der Haupt= stadt von Frankreich. Es war nach dem Tode Ludwigs des XIII. als die willkührliche Verwaltung Anna's von

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