Alle, die gute Augen haben, verständigen können. Der Magistrat hat es nicht nöthig mit guten Verfügungen so geheim zu thun — schon ihre Seltenheit verdient, daß et= was Geld darauf spendirt werde. In Wien verbreitete sich in den letzten Tagen das Gerücht, bei Linz werde viel Militär zusammengezogen und man wolle dort die Donau und so für Wien die Zufuhr sperren. Laut Protokoll des Sicherheitsausschus= ses in Wien zeigte dort ein Linzer Bürger an, daß die Befestigungsthürme um Linz mit Geschütz Munition und Mannschaft immer zahlreicher besetzt werden. In Linz sitzt ja auch ein Sicherheitsausschuß — warum über= zeugt er sich nicht ob diese Gerüchte wahr sind! Meint er es liege außer seiner Pflicht die Gemüther zu beruhigen? Im Reichstage wird beantragt werden, sämmtliche Gou= vernements aufzuheben, das Reich im Departements ab= zutheilen und so die alte kostspielige Verwaltungsmethode mit 8 Vicekaiser abzuschaffen. Da verlieren wir aber unsern fürtrefflichen Landespräsidenten Skrbensky! (Ober= österreich weint!) Briefe. Wien, am 5. August 1848. Hier fehlt es mir, lieber Freund, eben so sehr an Zeit als an Ruhe des Gemüthes um dir von dem politischen und socialen Zustande Wiens von einem genügend= allge= meinen und hohen Standpunkte ein erschöpfendes Bild zu entwerfen. Diese dankbare Arbeit soll die Aufgabe der ersten Stunden nach meiner Rückkehr in das geliebte Steyr sein. Was ich treibe? Ich gehe von der Kammer zu den Ministern, von den Ministern in die Kammer, von Klubb zu Klubb, von einer Macht, die meinem Vaterlande durch Intelligenz und Einfluß nützen kann zur Andern — ach und mirgend fand ich eine Spur von dem Dasein und dem Wirken des Abgeordneten der uns Steyrer vertritt — nur in der Kam= mer sah ich ihn sitzen. Er sieht sehr blühend und zu= frieden aus und verhält sich so ruhig wie es Metternich nur von seinen Bureaukraten wünschen kann. Seine Wahl hat der Reichstag, obwohl der Abgeordnete Paul lebhaft dagegen sprach — für giltig erklärt, ohne, hört! — in die Wahlprotokolle der Urwahlen und die dazugehörigen Stimmzettel, die objektiv als verfälscht erschei= nen — eine Einsicht genommen zu haben. Uebrigens ist meinen Mitbürgern eine neue weitere 4 wöchent= liche Protestfrist zugestanden. Jellachich, der vor 3 Tagen abreiste, ohne daß eine Vereinigung mit Ungarn zu Stande gebracht worden wäre be= kam von den anwesenden Kroaten und dem Militär eine Nachtmusik mit Fackelzug und es machte einen sonderbaren Eindruck, als ein Stabbsoffizier in voller Uniform „dem großen Mann“ eine Lobrede hielt, „dem großen Mann“ der durch ein kaiserliches Res= kript ddo. Innsbruk und zwar mit Recht als Hoch= verräther erklärt ist. So spielt man noch immer mit dem Volke und jedermann nennt die zarten Wittelsbacher Händchen, welche die schwarzgelben Fäden dieses Spie= les lenken. Das Volk ist aber durchaus nicht gesonnen mit sich spielen zu lassen, der Reichstag ebensowenig (von seiner Spreu rede ich hier nicht), das Verhalten beider, wenn der Kaiser der Forderung der an ihn entsendeten Deputation nicht Folge leistet, wird meinen Ausspruch be= weisen. Es gibt hier viele Parteien aber keine — mit Aus= name weniger Hof= und Bureau=Schranzen — ist von der andern so weit verschieden, daß nicht alle einmüthig rufen: „der Kaiser muß zurück, widrigenfalls — ! Die republikanischen Wühler sind hier unermüdlich. Gestern rief man auf offener Strasse ein Flugblatt aus: „Was müssen wir thun, wenn der Kaiser nicht kommen will?“ und „Oesterreich als Re —! das Andere dürfen wir nicht sagen. „Gott sei Dank, für den Augenblick hat die Republik in Wien zu wenig Sympathie, um sich länger als im schlimmsten Falle wochenlang halten zu können. Von Thronfolgern spricht man desto lauter. An welche Abgründe führt uns treue Oesterreicher der blinde Trotz von Leuten, deren Sonne gesunken, deren Tag zu Ende ist. Katzenmusiken sind hier an der Tagesordnung. Die großartigste war vorgestern beim Pfarrer in der Alservor= stadt. Er wollte nämlich einen armen Studenten, der ge= storben war, keine Grabglocke läuten lassen. Das Volk bemächtigte sich der Kirchenthürme und läutete mit allen Glocken die in den Stühlen hingen den armen Burschen zu Grabe. Abends erhielt der Pfarrer sein Conzert. Man wünscht auch hier herzlich, daß diese im höchsten Grade aufregenden Demonstrationen ihr Ende nehmen möchten man wirft aber nicht ungerechter Weise einen Groll auf jene, die sie ausführen, sondern auf jene Männer, die aus Eigennutz, Eitelkeit oder Uebermuth dem einmal fest ausgesprochenen Willen des Volkes der Nothwendigkeit des Tages, dem erfreulichen Lichte der Neuzeit, dem Wohle des eigenen Vaterlandes mit frecher Stirne entgegen treten. Die Reaktion wirft sich jetzt auf die Judenverfol= gung, da Goldmark und Fischhoff, 2 Israeliten! begei= sterte Wortführer der Freiheit sind. Gestern wurde in den Strassen ausgerufen; „Das neue Blatt, wie's die Juden in Preßburg ausgejagt haben.“ Indem man diese alte trau= rige Geschichte aufwärmt, ladet man die Menge zur Nach= ahmung freundlichst ein. Und die Parthei, die zu solch' schändlichen Waffen greift, soll uns noch einmal beherr= schen?? Verantworlicher Redacteur Alex. Jul. Schindler; Miredackeur F. W. Arming. Druck und Verlag von Sandbök und Haas in Steyr.
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