Zwanglose Blätter, Nr. 42, vom 9. August 1848

dieser dunkle Punkt im lichten Sonnenmeere unsere Erge= benheit mikroskopisch vorgewiesen, mußte ja die Hand schnell= möglichst das Feuer schüren, die es nach dem 15. Mai mordbrennerischer Weise angefacht hatte. Wien hatte einen schweren Tag vor sich, eine drü= kende Atmosphäre beengte die Gemüter, Einer frug den Andern: Wo hinaus? — Doch Wien rieb seine Stirne, wie mans beim Erwachen thut nach bösem Traume, schürzte sein Kleid und ging zur Tagesarbeit. Wien handelte. Die Nationalgarde eilte auf ihre Sammelplätze und ver= ließ sie durch 24 Stunden nicht, das Militär wurde mit Jubel begrüßt, Studenten bewachten die Burg, Arretirun= gen erfolgten vom Volke auf die leifeste Verdächtigung hin, das Zentralkomite löste sich auf, der Schreckvogel, die aka= demische Legion war moralisch vernichtet und die ganze be= waffnete Macht unterwarf sich dem Militärkommandanten Graf Auersperg; es war ein freiwilliger Belagerungszu= stand, den sich Wien als Asche der Reue auf den Scheitel drückte, während zahlreiche Deputirte dem Kaiser nacheilten die Rückkehr zu erflehen. Wenige blieben nüchtern und zu den Nüchternen ge= höre leider auch ich. Wir, die wir die stürmende Form des 15. Mai mißbilligten, wir konnten auch keinen Gefal= len an dem kriechenden Wesen des heutigen Tages finden. Die Reaktion, riefen wir uns zu, hat ihre letzte Karte aus= gespielt und Trumpf gemacht! Warum, Frau Erzherzogin, hielten Sie damals nicht am Fuße des Riederberges und warteten die Ereignisse ab? Schnell zurückgekehrt hätten Sie wolgefällig die schwarz= gelbe Tünche ausgebreitet gesehen über die in Demuth zer= flossene Residenz, und siegreich wären Sie über unsere ge= beugten Naken gezogen. — Doch nein, anders stand es im Buche des Geschikes, in dem nur Der blättert, der die Haare zählt auf unserem Haupte, der dem Sperlinge seine Nahrung gibt, der Throne aufbaut und Throne stürzt. Nicht Ihr Troz, nicht der Uebermuth Ihrer Umgebung ließ diesen Wendepunkt versäumen, der Geist der Zeit wollte es nicht, daß die kaum erblühte Freiheit geknikt werde durch den kalten Hauch des absoluten Frostes. (Forts. folgt). Neustes. Innsbruck, 4. August. Gestern Abends verkün= deten uns Kaufmannsbriefe, daß für die Sendung ihrer Waaren bereits wieder der Weg über Verona gehe; Ap= pelationsrath G. hat einen Brief aus Mailand erhalten, der sagte: daß eine Revolution in der Stadt selbst, wobei die österreichische Partei siegte, den Ausschlag gegeben. Nobili wollten sich aus der Stadt entfernen, und dieß em= pörte das betrogene Volk. Nach einem blutigen Kampfe wurden die ehemals verhöhnten Bilder des Kaisers und Radetzkys in Triumpf unter Vivats durch die Stadt ge= getragen und augenblicklich 14 Millionen zusammen= geschossen um sie als Kriegssteuer dem anrückenden Feld= herrn entgegen zu tragen. Heute, vor wenigen Stunden kam Gr. Crenville zu= rück, mit der Bestätigung, daß unsere Truppen bereits in Mailand eingezogen wären; daß aber die Forderungen Ra= detzkys natürlich größere seien. Gr. Crenville hatte den ehrenvollen Auftrag gehabt, die Dekoration, die der Kaiser sich selbst von der Brust nahm, Radetzky persönlich zu über= geben, der alte Feldherr empfing sie mit Thränen und bat Crenville ihn zu begleiten, um dann als seinen Dank, die Eroberung Mailands den Kaiser mittheilen zu können, wie es nun heute geschah. Pfefferkörner. Es heißt der Exgouvernär von Tirol Graf Brandis sei an das Kreuz des Leopoldordens — doch wir verspre= chen uns! dieses sei an ihn gehängt worden. Auf der Jesuiten=freundlichen dunklen Brust müssen sich die lichten Diamanten vortrefflich ausnehmen. Soll denn wirklich so viel Lug und Trug in der Burg zu Innsbruk spielen, daß einen abgesetzten Beamten, solche Zeichen „allerhöchster Gnade“ ertheilt werden! Der Banus Jellachich heißt jetzt allgemein ein gro= ßer Mann. Vor wenig Wochen begünstigte er den Sepa= ratismus der Südslaven und verweigerte dem von Könige ernannten ungarischen Ministerium den Gehorsam und griff gegen die verfassungsmäßige Gewalt zu den Waffen. Der Kaiser erklärte ihn dafür öffentlich für einen Hochverräther gleich darauf reißte Jellachich — seine Schaaren in Waffen hinter sich lassend — nach Innsbruck wo er auf das Freundlichste empfangen wurde. Da uns unser Hof und leider auch unsere Regierung über diese wunderbaren Ver= zweigungen eines menschlichen Geschickes im Dunkel läßt, wäre es die Pflicht des Banus als Ehrenmann öffentlich uns zu erklären aus welchen Beweggründen er handelte, was seine Absichten waren und jetzt sind. Der Magistrat und der Bürgerausschußzu Steyr haben den Beschluß gefaßt, in Zukunft die Bestimmung des Brod= satzes mit Zuziehung der erforderlichen Organe zweimal des Monates und zwar öffentlich vorzunehmen. Bravo! Der Magistrat hat es aber für überflüssig erachtet diese Verfügung durch die Presse allgemein bekannt machen zu lassen, sondern hat nur hie und da einen klein geschriebe= nen Zettel an die Wände kleben lassen, aus dem sich

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