Kopfe oder nach seiner Brieftasche greifen — durch solche Leute ist wohl Alles schlimm gesichert, was man zu ge= nießen hat. Von parlamentarischer Taktik hat unsere Linke wie es scheint, noch gar keinen Begriff. Mehr Spuren davon zeigen sich auf der Rechten, besonders auf den Bänken der Slaven. Auf der Linken drängt sich Mann auf Mann aus Wort, die stärksten Gründe, den entschiedensten Ein= druck dessen — der vorher sprach, schwächt ein nichtssagender Plauderer, der eine halbe Stunde lang spricht, um auch als Sprecher in der Zeitung zu erscheinen, auf die unver= zeihlichste Weise; gewährt so der Gegenpartei Zeit zur Samm= lung, reicht ihr durch sein unbegründetes und unlogisches Geschwätz Waffe um Waffe, gibt ihr Gelegenheit zu glänzenden Ausfällen und die leider nur allzugroße träge Masse der Kammer wird dorthin gerissen, wohin sie nie kommen wollte. So leidet das allgemeine Wohl, die Feinde frohloken und die Bundesgenossen werden entmuthiget. Durch gedankenarme und zweckwidrige Debatten werden kostbare Stunden verdehnt, endlich wird aus Ermüdung abgestimmt und die Hälfte der Stimmenden weiß oft nicht um was es sich handelt. Die Abgeordneten sprechen in der Regel stehend von ihrem Platze, nur die Berichterstatter besteigen die Tribune. Während der letzten Woche, in der ich die Kammer be= suchte, nahm sie der Berichterstatter der Geschäftsordnung Unterstaatssekretär Maier mit vieler Grazie ein. Maier ist ein kleines putziges Männchen, das auf hohen Absätzen steht und sich recht hoch empor streckt. Er erscheint meist im eleganten schwarzen Kleide, sein pechschwarzes Haar und sein dichter Backenbart sind immer wohl gekräuselt und die Jugendröthe der Unerfahrenheit liegt auf seinen Wangen. Der Mann weiß aber seinem Amte mit großer Würde vorzustehen. Zuerst liest er den Paragraf, der berathen werden soll. Dann setzt er sich mit einem selbst zufriede= nen Lächeln nieder, das der Kammer zu verstehen gibt „der ganze schöne Paragraf, den ich da gelesen habe, ist eigent= lich mein Werk.“ Während die Kammer Amendements stellt, debattirt udgl. sitzt er ruhig und freundlich lächelnd oben, wie ein Schullehrer, dem seine Schüler die Lektionen aufsagen, nikt mit dem Haupte, oder schüttelt es nach Maaß des Verdienstes. Nach geschlossener Debatte ergreift er wieder das Wort mit einem Lächeln, das etwa sagen will: Nun Kinderchen habt ihr eine Freude gehabt, jetzt will ich Euch einmal etwas Gescheidtes sagen. All eure Entwürfe sind keinen Kreuzer werth, nur mein Entwurf ist der richtige. So muß er sein, weil — er so sein muß, das sage ich zu euch: der Unterstaatssekretär Maier und ich müßen doch gescheidter sein als ihr Alle — denn sonst wäret ihr alle Unterstaatssekretäre und ich wäre das was ihr jetzt seid: simple Abgeordnete!“ Während er so geist= reich argumentirt hält er zwischen dem Daumen und dem Zeigefinger seiner Linken den Bleistift und agirt damit so zierlich wie Meister Bakel mit seinem Stäbchen und er überzeugt die Kammrr immer. Ich bin froh, daß ich die= sen Mann in der Kammer habe, er wird das Vaterland retten — fragt ihn nur selbst. Der Abgeordnete Brestel ist lange nicht so hübsch und so elegant wie der Unterstaatssekretär Maier. Bre= stels Bart und Haare hängen schlicht herab, der Schnitt seines Frakes ist vom vorigen Jahre, er spricht das deutsche nicht rein aus, noch viel weniger die französischen Worte, auch ist er durchaus nicht hübsch und Grazie sehlt allen seinen Bewegungen. Wenn er spricht, so bewegt er takt= mäßig dazu die rechte Hand, als ob er aus einem Brun= nen pumpe. Wäre Brestels Sprache und Erscheinung so edel und gebildet, als seine Einsicht tief, sein Wille red= lich, sein Muth unerschütterlich und seine Schlüsse richtig sind, dann wäre seine Wirkung in der Kammer bedeutend. Die Natur hat aber an äußeren Vorzügen so viel an den Hrn. Unterstaatssekretär Maier verschwendet, daß sich Bre= stel mit seinen inneren Vorzügen begnügen muß. Er war es, der in jener denkwürdigen Sitzung wegen des Kaisers Rückkehr behauptete: „der Kaiser müsse nach Wien um dort seine Pflichten zu erfüllen.“ Herr Unterstaatssekretär Maier salutirte ihn für diese Rede mit seinem welthistori= schen Bleistifte und lieferte zum Beweise, wie wohl er ihn verstanden eine hofrekursähnliche Adresse, welche die Kam= mer alsogleich in der Stille zur Erde bestattete. Ich erinnere mich bei dieser Gelegenheit lebhaft an den Abgeordneten Umlaufft, dessen Adressentwurf, obwohl er leider nicht viel besser war, als der des Hrn. Unterstaats= sekretär Mayer, von der abgekühlten Kammer angenom= men worden ist. Umlaufft spricht bei jeder Gelegenheit und immer vieles und immer wenig Geistreiches. Den Mann sollte man einmal durch ein paar Sitzungen allein reden lassen, da flösse seine Beredsamkeit gänzlich aus, wie das Wasser aus einem Eimer und die Kammer hätte Ruhe für immer. Umlaufft war früher Censor und sitzt jetzt auf der äußersten Linken — doch hat man ihm — wie ich höre, seine Censorstelle reservirt. Sobald die italienische Armee disponibel ist wird Umlaufft wieder auf seinem Cen= sorstuhl gesetzt und dann streicht er das Jahr 1848 aus der Geschichte sammt sich selbst und seinen eigenen Parla= mentsreden und setzt seiner parlamentarischen Wirksamkeit ein schwarzes Kreuz als Denkmal, umso lieber, da die undank= bare Mit= und Nachwelt zu einen ähnlichen Act der Dank= barkeit sich nicht veranlaßt fühlen wird. (Fortsetzung folgt). An die Frau Erzherzogin Sofie. Frau Erzherzogin! Als die Wiener am 18. Mai 1848 erwachten, traf sie zum Morgengruße die Nachricht: Der Hof sei fort. Staunen, Beklommenheit, Wehmuth bemächtigte sich der Guten, Hohn und Schadenfreude lagerte in den in= nersten Falten der Bösen, in einem Gefühle aber verein= ten sich Alle, in dem der Anhänglichkeit an die Dinastie. Haben Sie von anderen Manifestationen gehört, so stan= den diese zu vereinzelt da, zerstoben zu sehr in Nichts, um eine Erwähnung zu verdienen. Am Hoflager freilich wurde
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