Zwanglose Blätter, Nr. 38, vom 26. Juli 1848

vinzen, wo wart ihr — ihr Vertrauensmänner Oberöster reichs, als jener Slave dieses keke Wort sprach, als er mit einer Geschicklichkeit und einem Muthe, für den ihm seine Nation Dank wissen muß das slavische Prinzis wie eine Bombe in die Mitte des — ach so arglosen Reichstages schleuderte, den es zersprengenwird? Wo war denn der große, berühmte Staatsmann, den sich die Majo= rität der Wählerschaft der Stadt Steyr zur Wahrung ih= rer Volksrechte aus Klagenfurt verschrieb? Warum hob er da die eiserne Stirne nicht empor mit der er seine Wahl annahm, die doch wie ihm von ein paar hundert Ehren= männer bekannt gegeben wurde — auf Urwahlen basirt ist, deren Ungesetzlichkeit schwarz auf weiß bewiesen vorliegt!? Weder das slavische, noch das deutsche Prinzip darf im Reichstage anerkannt werden, wenn er seine Aufgaben lösen soll: aus den Ländern, für welche die selige Constitutions= urkunde vom 25. April gegeben war, ein konstitutionelles Kai= serreich zu bilden. Das slavische und das deutsche Prinzip, zwei oberste Grundsätze können in einem logischen Ganzen und ein solches wird wohl das neue Oesterreich, wenn es Lebens= fähigkeit haben soll, sein müssen — nicht nebeneinander be= stehen; in einem solchen kann nur ein oberster Grundsatz herrschen. Sollte dieses bei uns das slavische Prinzip sein, so muß das deutsche fallen und umgekehrt das slavische — jedes von beiden fiele aber nur durch einen der blutig= sten Kriege, den die Welt je gesehen. Man muß daher um eine Stufe höher treten, als die Nationalitätsgefühle stehen, man muß sich zur Höhe des Weltbürgerthumes, des Kosmopolitismus erheben, wenn man auf friedlichem Wege ein neues, demokratisch=konstitutionelles Oesterreich in der alten Grenzen erschaffen will. Nur auf diesem Wege ist ein solches Oesterreich möglich und wer sich nicht auf die humane Höhe dieses Standpunktes zu schwingen, wer nicht die nach Gerechtigkeit, Sittlichkeit und Friede dürsten= den Völker durch die Gewalt seines Geistes so hoch zu sich empor zu reissen vermag — der verschießt fruchtlos die Pfeile seines magern Witzes, seiner alltäglichen Weisheit im Reichstagsaale zu Wien. So rollt die Welt und ich liege an meiner vergesse= nen Küste, schreibe meine tristia ex Ponto und erwarte mit Sehnsucht das papierene Segel, das mir Kunde bringen wird von einem großen Gedanken, der unter der Kuppel der Paulskirche oder des Wiener Reichstagssaales entstand und sich Geltung verschaffte. Bis dahin habe ich ein klei= nes, ärmliches, provinzielles Journalistengefühl und rechne nach und zähle an meinen Fingern ab, was uns unsere Volksvertretung kostet und was sie uns noch Alles kosten kann! Sieben und dreißig Kreuzer ein Wort in der Paulskirche! wie theuer mag das Schweigen ei= nes Deputirten im Reichstagsaale zu Wien sein?! Alex. Jul. Schindler. Die Volksbewaffnung Das Jahr 1848 hat nebst manch anderer vom Libe= ralismus beschützten und getragenen Idee nothwendig auch die Idee der Volksbewaffnung zur Ausführung gebracht. Um dieser aber den Werth zu verschaffen, der in ihr liegt, ist es nöthig, daß man die Idee sorgfältig begründet und ausbildet, sie praktisch in Ausführung bringet, und daß man sich bemühet, sie so recht nach ganzer Tiefe in Geist und Gemüth des Volkes zu versenken; wenn das Volk einmal in der vollen Einsicht steht, was seine Bewaffnung für eine Bedeutung hat, wenn es in dieser Beziehung zur festen Ueberzeugung und zur unerläßlichen Gewohnheit gelangt ist, dann erst wird die Volksbewaffnung den Hoffnungen und Erwartungen entsprechen, die man ihr vernünftiger Weise zuwenden darf. Es gibt nichts von Menschen Gedachtes oder Aus= geführtes, das nicht seine Gegner, Beschnüffler, Bekrittler gefunden hätte, also auch die Volksbewaffnung, und zwar in einer Art, daß mit gutem Rechte das Sprichwort anzu= bringen ist: „Es sind die schlechtesten Früchte nicht, an de= nen die Wespen nagen“, aber deshalb darf man doch auch nicht zu weit gehen, und mit all zu sanguinischen Forderungen und Hoffnungen auftreten; dadurch würde man der Sache wieder schaden, während Beurtheilungen der gepriesenen Vorzüge und der zum Vorwurfe gebrachten Mängel die Begriffe erhellen und eben dadurch von guten Nutzen sein werden. Die gepriesenen Vorzüge der Volksbewaffnung sind: 1. Die allmälige Ersetzung und Abschaffung der ste= henden Heere; 2. Die Belebung des männlichen kriegerischen Sin= nes im Volke; 3. Die Wehrhaftmachung des Volkes als sicherste Schutzwache seiner Freiheit; 4. Die Belebung des Gemeinsinnes, die Annäherung und Verschmelzung der verschiedenen Stände. Was den ersten Punkt betrifft, so wird er nie in vollster Ausdehnung in Anwendung kommen. Gewisse Cadres eines regulären Militärs werden immer bestehen müssen, namentlich einzelne Waffengattungen, wie Artillerie und Kavallerie, welche eine mehrjährige unausgesetzte Uebung voraussetzen; aber die allgemeine Volksbewaffnung wird den Nutzen haben, daß sie eine Beschränkung der Zahl des stehenden Heeres, oder vielmehr, daß sie die Aufstellung eines größeren Heeres möglich macht, als die Finanzen des Staates eigentlich zu halten erlauben. Daß dabei nach Vernunft und Billigkeit gehandelt werden muß, versteht sich von selbst. Immer wird man eine kluge Aus= wahl treffen müssen und zunächst nur die Jüngeren, Un= verheiratheten weniger im eigenen Geschäfte angesessenen Bürger zum ersten Dienste aufrufen. Diese sind aber dann auch für die Dauer des ersten Dienstes wirklich zu Solda= ten umzugestalten. Sie müssen von ihrem bürgerlichen Gewerbe sich trennen, Heerd und Heimath verlassen, sie erhalten Uniform und Sold, werden dem Kriegsgesetze unterworfen, müssen vollkommen die Eigenschaften erhalten,

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