Zwanglose Blätter, Nr. 37, vom 22. Juli 1848

Der Unterstaatssekretär des Ministerium des Unter= richtes Baron Feuchtersleben hat bis jetzt mehrere sehr kaltblütige Schriften belletristischen Inhaltes geschrieben. Von seiner staatsmännischen Befähigung, haben wir noch kei= nen praktischen Beweis. Wie faßt er unsere Zeit auf? Sitzt er rechts oder links? Was that er für die Freiheit? Kurz Feuchtersleben ist in der Sphäre, in die er jetzt ge= getreten, für die Oeffentlichkeit ein unbekannter Name. Das können wir nicht loben. Professor Füster, ein im Un= terrichtswesen und im Kampfe für die Freiheit praktischer Mann war fürs Portefeuille des Unterrichtes vorgeschla= gen. Warum wagte man nicht den volksthümlichen Griff? Als Füster zum Reichstagsdeputirten gewählt wurde, sagt er: er werde sich auf die Linke setzen und die Rechte des Volkes vertheidigen. Hat ihn das vielleicht schlecht empfohlen? Dr. Alexander Bach ist gleichfalls ein im Staatsle= ben unbekannter Mann. In gewissen Wiener Zirkeln wur= den seine Fähigkeiten oft gelobt. Wir haben keine Ursache sie zu bezweifeln. Professor Hye erwähnte im verflossenen April im Gespräche, daß wohl Alex. Bach einst Justizmini= ster werden wird. Bekömmt Herr Minister Bach auch ei= nen Unterstaatssekretär? und welchen? Männer des entschiedensten Fortschrittes, die ihre Gesinnungen häufig und auf das Bestimmteste bethätiget haben sind der Minister des Handels: Hornbostel — ein bürg. Fabrikant, und Schwarzer — der Redakteur. Erste= rer wirkte im Bürgerausschusse der Stadt Wien, im nie= derösterreichischen Gewerbverein (nicht zu verwechseln mit dem innerösterreichischen) mit all der anerkennenswerthen Kraft, die ein Mann mit gebundenen Händen entwickeln kann, er wirkte überall wo er schrieb, sprach und handelte, — denn dem Sämann der Freiheit ist die ganze Welt ein aufgeackertes Feld. Schwarzer wirkte als Schriftsteller durch seine Feder — sie ist das schärfste Schwert und springt nie ab — das sicherste Geschütz und trifft in alle Weiten. So hätten wir endlich ein Ministerium, das wenig= stens zum Theile aus Männern besteht, wie die Zeit sie fordert. Wir hoffen, die welche ihre Zeit überlebt haben werden abfallen, wie andere welke Blätter — nach dem unab= änderlichen Gesetze der Natur. Die grünen Blätter aber mögen treu bleiben dem Stamme, aus dem sie gewachsen sind. Der Volksunterricht. „Der Keim und Anfang des furchtbaren Proletariats liegt in der Volkserziehung, d. h. im gänzlichen Mangel an Volkserziehung. Das Proletariat wird nicht geboren sondern erzogen, und nur durch einen künftigen Volksun= terricht wird man diesem gefährlichsten Feinde der Gesel=l schaft beikommen können.“ Dieses ist ein wahres Wort und zu einer Zeit ge= sprochen, wo der Umschwung aller Dinge erwarten läßt, daß auch in dieser wichtigen Angelegenheit einem bisher bestandenem Mangel abgeholfen werde. Es wird an einem neuem Studienplan gearbeitet; — ganz recht und so noth= wendig als irgend etwas, denn wohin es mit den Lehran= stalten in der Zeit der Metternich=Sedlnitzki — jesuitisch — absolutmonarchischen Regierung gekommen ist, wissen wir; aber eben so nothwendig ist es dem Volksunterrichte seine Aufmerksamkeit zuzuwenden. Meine Ansichten, nach wel= chen Grundsätzen dieser geleitet werden sollte, will ich in einen nächstfolgenden Aufsatz aussprechen, für jetzt nur Ei= niges im Allgemeinen. Vor Allem muß der Lage der Schullehrer aufgeholfen werden. Dieses ist nun freilich ein Ziel, welches dem Staate leichter vorzustecken ist, als, daß er dasselbe möglich erreichen kann; aber geschehen muß was nothwendig ist. Die Lage dieser Classe muß unmit= telbar verbessert, und ihr durch noch günstigere Aussichten neuer Muth eingeflöst, dadurch auch Befähigten die Auf= munterung gegeben werden, sich diesem bisher außer al= lem Credite stehenden Stande zuzuwenden. Die Besoldun= gen unserer Schullehrer sind von einer Art, daß der alte Spruch „zu wenig zu leben und zu viel um zu verhun= gern“ nicht einmal seine Anwendung findet sie sind wirklich zum Verhungern, und die dem herben Schick= sale Verfallenen, Schullehrer sein zu müssen, sind angewie= sen, sich nebstbei als Meßner, Glockenläuter, Tagschreiber zu verdingen, oder sie müssen trachten, durch Nebenbeschäf= tigungen als Bier= und Most=Ausschenker, Tanzelgeiger u. dgl. sich einen Nebenerwerb zu verschaffen, .... wo= hin derlei führen muß, kann man sich denken, und ebenso erklärlich ist es auch, daß der Staat an so armselig bezahlte Diener keine großen Ansprüche machen konnte. Betrachten wir in den Provinzen, besonders auf dem Lande den Zu= stand der Schulen, prüfen wir die Intelligenz der Lehrer mit wenigen Ausnahmen, so sehen wir ein, daß es anders werden muß, aber dieses erfordert nicht nur energische, son= dern noch mehr langwierige, mit großer Beharrlichkeit durch= geführte Mittel von Abhülfe, es wird natürlich viele Jahre währen, ehe sich eine neue Generation von Schullehrern bildet; aber die Verbesserung der Lage der gegenwärtigen ist jedenfalls das Erste. Diese Abhilfe in Anbetracht des mangelhaften Volks= unterrichtes ist Sache des Staates. Er muß durch Geld= mittel, durch Errichtung von Schulen, durch zweckmäßige Gesetzgebung für einen besseren Unterricht sorgen; aber es ist dann doch nur von einer Seite etwas geleistet, es gibt noch eine andere Seite, welcher volle Aufmerksamkeit zu schenken ist. Wenn man Jemanden lesen und schreiben gelehrt hat, muß man ihm auch Bücher verschaffen, welche machen, daß seine Kenntnisse ihm nicht mehr schäd= lich als nützlich werden. Daran fehlt es. Wir sehen Viele der unteren Volksklassen lesen, selbst in den Wohnungen des Landmannes trifft man Bücher — aber welche Art von Literatur ist hier zu Hause? — Kalender mit schlech= ten Anekdoten und unsauberen Witzen, Lügenbiografieen und Martyrergeschichten, Ritter= und Räuber=Romane à la Dellarosa und Spieß, wo auch die blutende Gestalt mit Dolch und Lampe nicht fehlt, daumenlange Hansel und ge= hörnte Siegfriede, sind das Bücher, welche Nutzen bringen? — Die Lekture übt wichtigen Einfluß auf die mo=

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