Zwanglose Blätter, Nr. 36, vom 19. Juli 1848

gesagt werden darf, und daß wir so viel Redefreiheit ha= ben. Das alte, träge Blut der Wenden verläugnet sich noch immer nicht; ein wenig Phosphor, ein wenig Ingre= dienzien Süddeutschlands fehlen uns! Uebrigens wissen Sie, wer einer der treuesten Besucher der Zeltver= sammlung ist? Der Exminister Eichhorn! Er fehlt bei kei= ner Versammlung, überall ist er dabei, hört alles mit dem regsten Interesse an und lächelt dabei vergnüglich, wenn auf ihn und seine Regierung geschimpft wird. Man kann sich über diese launige Schilderung eines gemüthlichen Lächelns nicht enthalten. Es ist sehr viel Bonnhomie, besonders in diesem lächelnden Exminister der Mann weiß recht gut, daß man seinen Gegnern nie mehr imponirt als wenn man zu ihren Streichen lächelt. Uebrigens scheint es unserem lieben österreichischem Vaterlande mit der Freiheitsliebe eben so zu ergehen, wie mit seiner Liebe zu Backhendeln. Man konnte früher in keiner außerösterrei= chischen Zeitung einen Reisebericht aus Wien lesen, ohne vom Backhendelessen der Oesterreicher und namentlich der Wiener viel vernehmen zu müssen, und jetzt scheint man dort von jedem Oesterreicher (Süddeutschen) vorauszusetzen er liebe die Freiheit eben so leidenschaftlich wie die Back= hendel. Es gibt überall Ausnahmen. Backhendel waren doch nur bei den bevorzugten Ständen im Schwunge und bei diesen will die Freiheit jetzt gar nicht in Schwunge kommen. Windischgrätz, Brandis, Kraus und noch meh= rere Andere, deren ganzen Namen und Titel herzusetzen der beschränkte Raum nicht gestattet, legen gewiß keinen Spott auf gebackene Hühner — desto mehr spotten sie der Freiheit. Ach — und diese Gesinnung ist in Oesterreich leider so weit verbreitet und vertreten, als Hühner gackern, und Schmalz in Pfannen prasselt. Von Leuten, denen ein Backhuhn lieber ist als die Freiheit, könnte man in mancher Stadt ein Verzeichniß liefern, das nicht viel kürzer wäre als die Liste jener, die sich durch milde Gaben ans Armeninstitut von der Pflicht des Neujahrwünschens los= gekauft haben. Zur Geschichte des Tages. Montags reiste der deutsche Reichsverweser Prinz Johann durch Linz nach Wien. Die Hauptstadt Oberösterreichs trug ihr festlichstes Kleid, Blumen, Teppichen und Fahnen aus allen Fenstern und wenn man mir die Wahrheit berichtet hat, so trug selbst die Regierungspräsidentin ein weißes Kleid. Damen und Herrn hatten breite schwarz=roth=goldene Schärpen über die Schul= tern geworfen — herrlicher Patriotismus und wie schnell griff er um sich! Als jene Deputation von Wiener Freiheitskämpfern, deren Muth und Ausopferung Linz die Möglichkeit des Anblicks weißer Kleider und schwarz-roth=goldener Schärpen, Deutschland aber die Möglichkeit eines Reichsverwesers verdankt vor wenig Wochen dort war, lebten die hohen Herrschaften, die hochlöbliche Bureaukratie und die übrige Elite von Linz noch in großer Zu= rückgezogenheit. Unbewegte Fahnen trauerten auf den Gibeln schöner Häuser, wie Kraniche, die vor dem Beginn des Wander= fluges auf einem Bein stehend schlafen und schwarz-=roth=gol= dene Schärpen waren höheren Ortes nicht gerne gesehen. Gott sei Dank, auch diese Kruste ist durchbrochen, das deutsche Volk hat einen Prinzen an seiner Spitze und jetzt erst hat seine Sache, seine Farbe einen allgemein gultigen Werth. Als das deutsche Volk erschien, repräsentirt durch den Prinzen eines regierenden Hauses — da jauchzten alle Adelsstufen, der gesammte Beamten und Handelsstand und so hinunter — als das deutsche Volk selbst kam, das Freiheitsschaffende, das Todverachtende, das treue Schwert an der Seite und den schlichten Stürmer auf dem Haupte, über dem Gottes segnende Hand sichtbar schwebt — da zog man sich vornehm zurück und rümpfte die Nase. So treibt ihrs recht. Macht aus der deutschen Freiheit eine Hoheit oder Excellenz Frau und führt sie dann in eurem Salons — das Volk wird ihr dorthin nicht nachfolgen und die alte Scheide= wand wird wieder glücklich aufgerichtet sein. Aber bald werdet ihr zu spät erkennen, daß ihr eine falsche Dirne heimgeführt habt und daß die echte bürgerliche Jungfrau in unseren schlich= ten Häusern sitzt, aus denen wir treten werden um die Wahr= heit mit Gut und Blut zu Ehren zu bringen. Rundschau eines politischen Thürmers. In Jassy sind am 10. d. M. Abends 7 Uhr die Russen eingerückt. — Der Abgeordnete Pillersdorff sprach in der letz= ten Reichstagssitzung die Meinung aus, ein konstitutioneller Mi= nister kann auch auf seine eigene Faust Truppen ausheben las= sen. — Die Wiener Garnison hat sich bei einem Feste im Au= garten als konstitutionell erklärt. — Windischgrätz und Radetzky befolgen seit längerer Zeit keine Verhaltungsbefehle von Wien. — Nach der Allgemeinen intriguirt Erzherzog Franz Carl um neuen Einfluß und der Kaiser will abdanken und das Herzogthum Salzburg an Baiern abtreten, um in der Stadt Salzburg zu leben. Wird diese Abtretung nicht auszuführen sein? — Der Wiener Gemeindeausschuß erklärt in einem Pla= kate die Reaktion für ein Gespenst, spricht aber schon in den nächsten Zeilen von einer Handvoll Leute, die den alten Zustand wieder herbeiführen wollen. Wenn nun diese Handvoll Leute aus Ministern, Prinzen, Feldherrn u. dgl. bestünde? — Nach der Berliner Voßischen Zeitung wird der Prinz von Preußen (!! liberalen Angedenkens !!) vom Reichsverweser zum Reichs= marschall gewählt werden. — Ungarn hat 200000 Mann und 42 Millionen Gulden fur sich bewilligt — Der sehr begabte Dr. Wieser aus Linz soll zum Justizminister vorgeschlagen sein. Eine glückliche Wahl wenigstens für — die Advokaten. — Die Mitglieder der Rechten im deutschen Parlamente erhalten den Titel kaiserliche Volksvertreter. Um allen Moßverständnissen mit Einmal vorzubeugen erkläre ich: daß jeder meiner Aufsätze in diesen Blättern mit meinen Namen gefertiget ist. F. W. Arming. Die Abfertigung der Erklärung des Herrn Dr. Starzen= gruber in Hall in No. 56 des Intelligenzblattes der Linzer Zei= tung wird in den nächsten Nummern desselben Blattes zu lesen sein. Wir weisen hier lediglich darauf hin, um unseren interessan= teren Mittheilungen gewidmeten Raum nicht zu verschwenden. Die Redaktion. Berichtigung: Im Blatt No. 35 Seite 153, 1. Spalte 12. Zeile an= statt „meine Wege wären“ soll es heißen „meine Wiege wäre“; dann auf derselben Seite Spalte rechts letzte Zeile anstatt „März“ — „Mai“. Mit einem Anzeiger Nr. 23. Verantwortlicher Redacteur Alex. Jul. Schindler; Mitredacteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Sandbök und Haas in Steyr.

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