Zwanglose Blätter, Nr. 36, vom 19. Juli 1848

Kreishauptmann Freiherr von Hohenbruck*) große Versprechungen zum Schutze der Gewerke machend, die sich aber, so wie viele andere Versprechungen dieses Herrn nicht realisirten. Da derselbe allgemein als sehr reich galt, wäre es interessant zu wissen, ob auch er dieses durch alte Gewohnheit hergebrachte Honorar, das sich die Gewerke in der Gegenwart, wenn auch der jüngere intelligentere Theil verselben es für zu hoch hält, aus Scheu vor den hohen Behörden, und um, wie man zu sagen pflegt, es nicht mit denselben zu verderben, nicht einzustellen wagt, annahm, oder es großmüthig den damals schon in bedeu= tender Anzahl brodlos gewordenen Arbeitern als Geschenk *) Im Mai 1847 soll ihm von Seite der Gewerke ein Ge= such zur Ueberreichung an Se. Majestät über dessen Auf= orderung übergeben worden sein, über das sich derselbe der freien Sprache halber, insbesondere wegen gebetener Re= publicirung der die theilweise Befreiung der Sensenham= mersgewerke von den grundherrlichen Veränderungsgebüh= ren aussprechenden Gesetze nicht sehr günstig aussprach. Ob selbes wirklich durch Freiherrn von Hohenbruck an Seine Majestät überreicht wurde, ist zu bezweifeln — we= nigstens erfolgte keine Erledigung oder Aufforderung an die Landesregierung zur Berichterstattung, welch letzteres doch bei jedem Majestäts-Gesuche zu geschehen pflegt. widmete? Leider verlautete nichts — gewiß wäre, wie es doch sonst bei Geschenken großer Herrn geschieht, augen= blicklich in die Lärmtrompete gestossen worden. Bei solchen Verhältnissen möge sich das k. k. Kreis= amt überzeugen, daß seine Wirksamkeit als Vogtei der Sensengewerke so lange der Innungsverband und neben den Innungsstatuten das Normale vom 3. Juli 1819 noch aufrecht bestehen, rein illusorisch sei, und deßhalb auch diese Vogtei dem k. k. Berggerichte abtreten, wodurch wenn je= nes nicht auch zum Schutze der Gewerke gegen muthwil= lige Klagen ihrer Arbeiter und gegen die erwähnten Lau= demial Bezüge der Dominien wirksamer einschreiten könnte, doch Uebereinstimmung in den Gesetzen hergestellt würde. Wäre aber die Abtretung der Vogtei im gedachten Sinne nicht möglich, so möge das k. k. Kreisamt bewir= ken, daß nach den Innungsstatuten Streitigkeiten zwischen Gewerken und Arbeitern, die sich auf ihren Dienst oder ihre Disziplin beziehen, nach der Dienstbothenordnung durch die politischen ersten Instanzen geschlichtet werden, das oben angezogene Gesetz vom 3. Juli 1819 sohin die betreffende Modifikation erhalte. Städte= und Landschafts=Bilder mit Figuren aus unsern Tagen. Berlin. Eine Volksversammlung in Berlin unter den Zelten macht zuweilen einen fast komischen Eindruck. Denke man sich einen ungeheuern Platz, an der einen Seite von Ta= bagien, an der andern Seite von Bäumen begränzt. In der Mitte eine überdachte Tribune, auf welcher sich das Comite und die Redner befinden. Dicht um dieselbe ge= drängt das Volk, wie eine einzige, schwarze wogende Masse. Zwischen den Bäumen sieht man hier und da Feuer auf= flackern, und ein angenehmer Bratengeruch verbreitet sich dann und wann, denn dort röstet man kleine Würste und kocht Eier zur Stärkung des Volkes; — ohne Bratwürst= chen und Eier ist in Berlin keine Volksversammlung denk= bar. Männer mit Fässern gehen auf und nieder und schrei= en: „Saure Gurken!“ Jungen brechen sich Bahn und brüllen: „Revolutionszigarren mit Vereinbarungsfeuer, wunderschöne Ministerzigaren mit Barrikadenfeuer! andere kommen gerannt mit kleinen Flugschriften: „Meine Herrn kaufen Sie das Allerneueste, das Allerneueste, — der Pabst hat geheirathet! — der Kaiser von Rußland dankt ab! ganz etwas Wunderschönes, der Krakehler und der Klad= deradatsch! — Kaufen Sie, kaufen Sie, der unschuldige Prinz von Preußen, er kostet nur einen Sechser!“ — Kau= fen Sie,“ schreit ein anderer „der schuldige Prinz von Preußen, einen Sechser!“ — Hier kömmt einer und schreit: „An die Bewohner Berlins, ein Wort der Warnung aus den Provinzen, einen Sechser.“ Dort brüllt ein anderer „Offener Brief an Camphausen!“ — Neulich hört ich ei= nen Jungen mit Flugschriften in der Hand rufen: „Meine Herrn, ungeheuer interessant; zehn Bund Cichorien für nen Groschen! Ne, ich versprach mir, det war gestern da hatte ick Cichorien! meine Herrn, keine Cichorien, sondern der Prinz von Preußen ist unschuldig!“ Auch an Kindergeschrei, Hundegebell, Pferdegewie= her fehlt es nicht bei diesen Zeltversammlungen. Plötzlich wird Ruhe geboten, ein Redner tritt vor. Noch wogt es und tobt es in den äußersten Kreisen, während das Zent= rum schon eifrig lauscht. Endlich ist es gelungen, allge= meine Ruhe herzustellen, der Redner beginnt: „Meine Her= ren, mit traurigem Herzen stehe ich vor ihnen, das Mini= sterium Camphausen ist ein schmachvolles, unwürdiges, ich sage es mit tiefer Trauer, es ist ein“ — da beginnt plötz= lich in einem der Zeltetablissements irgend eine rauschende Walzermusik. Nun wird „Ruhe!“ gebrüllt. Unmöglich die Musik hat auch ihre Rechte, sie spielt fort, der Redner brüllt fort, wer nicht unmittelbar neben der Tribune steht, versteht kein Wort, aber er ist unermüdlich, man sieht ihn mit den Armen umhersäbeln, und wenn die Musik eine Pause macht, so hört man seine Donnerstimme, welche schreit: „Das Ministerium Camphausen ist unmöglich ge= worden“ oder „pfui über diese mit dem Fluche einer gan= zen Nation belasteten Minister!“ oder „das soll eine Ver= fassung sein auf den breitesten Grundlagen? Ja breit schla= gen werden wir sie müssen! „Das sind die stehenden Phra= sen der Redner unter den Zelten. Das Volk hörte sie an und amüsirt sich wundervoll und lacht dazu wie zu einem guten Witze und sagt: „des is stark! Es gehört doch viel Kourage dazu, so was zu sagen. Es ist aber hübsch!“ Weiter macht es keinen Eindruck, es regt sie durch= aus nicht auf, die stärksten revolutionären Reden bringen sie nicht in Wallung, sie essen dabei Bratwürstchen und sauere Gurken, und freuen sich ungeheuer, daß so etwas

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