Diese Blätter er¬ scheinen wie bisher wöchentlich 2 ma in groß Quart auf schönem Maschin¬ papier, und zwai jeden von jetzt an, Nittwoch und Samstag ein halber Druckbogen und dieser, wenn er die Anhäufung in teressanten MMin terials erforber noch mit einer# lage vermehrt Zwanglose Blätter für Oberösterreich. Preis für den hal¬ ben ahrgang fl. C.M viertel. jähri fl. C. 9 FürAuswärtige: pr. Post unter Con¬ ert: Halbjährig 2 42 kr viertel¬ jährig 1 fl. 21 kr. N. Inserate al¬ ler Art werden auf¬ genommen bei Un¬ erzeichneten, der Raum einer Zeile mit nur 2 kr. be¬ rechnet. Nro. Steyr am 19. Juli 1848. 36. „Bleib bei uns, denn es will Abend werden und der Tag hat sich schon geneigt.“ Lucas XXIV. 29. Der konstituirende Reichstag und der Spra¬ chenkampf. Ein geistreicher Freund gibt uns über die Phisogno= mie des Reichstages diese Nachricht: „Was das Lokale selbst betrifft, so ist es unpassend, namentlich die Gallerie wenig geräumig und schlecht ge= baut. Hast du dich je über die letzten Stockwerke des Wiedner Theaters geärgert? Es verhält sich zur Reichs= taggallerie wie ein Fauteuil zu einem Schusterstuhle. Die Deputirten sind alle auf der Linken, worunter zu verstehen, daß diese bis ins rechte Centrum reicht. Rechts sitzen die Taubstummen, d. i. die der teutschen Sprache und viel= leicht auch keines Gedanken fähigen gallizischen Bauern, in ihrer Tracht wie Halbwilde und dünn gebaut, ein paar schwarzgelbe zierliche Herrn aus Steiermark und Tirol. Gestern hat der Reichstag die erste Halbheit begangen, daß er sich nicht auszusprechen getraute: die Geschäftssprache des Reichstages ist die teutsche. Jedermann sah es ein, alle slavischen Deputirten sprachen dafür, aber sie wollten es vorausgesetzt wissen, als Gesetz ausgesprochen, würde es die anderen Nationalitäten verletzen. Dieser letztere Ge= danke wurde durch alle erschütternden Frasen ausgemahlt. Dadurch wurden die guten Teutschen eingeschüchtert man setzt voraus, die Sache ist auf die lange Bank ge= schoben und man athmet wieder frei. Man glaubt den Folgen vorgebeugt zu haben, weil man die Augen davor verschlossen hat. Trotz dieser hübschen Voraussetzung wird es aber wohl täglich Sprachstreitigkeiten geben, und man wird das Gesetz trocken aussprechen müssen, wenn die Aufregung vielleicht eine viel gründlichere ist. Diese indi= rekten Drohungen der Slaven, man möge sie nicht reitzen, ihre Nationalität nicht unterdrücken u. s. w. werden wir bei jeder Gelegenheit haben, und wenn wir auf diesem Wege des Sicheinschüchternlassens so fortgehen, so ist es geschehen um uns. Ich fürchte sehr, man scheut sich so manches zu berühren, was doch nicht umgangen werden kann. Würde man das Unvermeidliche rasch und kühn aussprechen und in Vollzug setzen, so könnte vielleicht noch geholfen werden. Nach dem Vorgefallenen besorge ich aber, daß die polnische Frage nur halb gelöst, der Vereinigung Teutschlands dadurch eine Prügel unter die Füße gewor= fen werde, und aus lauter Beschwichtigungenwollen man uns in die Anarchie jage. Aenders wer's kann. Hinter= her wird es erstaunlich viele geben, die erklären werden, warum es so und nicht anders kommen mußte. Wir bedauern laut, daß es dem Reichstage an der nöthigen Energie mangelt jene perfide Lücke des provisor. Wahlgesetzes, das bekanntlich des natürlichsten Erfordernißes eines Deputirten: der Kenntniß der teutschen Sprache nicht erwähnt, durch einen kräftigen Schlag auszufüllen. Jetzt wäre die Zeit, (die Majorität läge zur Hand und ein entschlossenes, gründliches und geistreiches Auftreten könnte diesen scheinbar unheilvollen Augenblick der Spra= chenverwirrung zum glücklichsten machen seit der Morgen= röthe der jungen Freiheit. Nicht blos defensive soll sich der Deputirte verhalten, der seiner Anfgabe gewachsen sein will, sondern auch offensive, er soll nicht nur die Hinder= nisse, die man ihm in den Weg legt, wegräumen und dann zufrieden auf der alten Stelle sitzen bleiben, bis man ihm den Weg vom Neuen verlegt — er soll nach freigeworde= ner Bahn rasch den Besitz ergreifen von dem geöffneten Gebiete, er soll so schnell als Kraft und Vorsicht es gestatten vorwärts eilen, daß er dem Ziel schon nahe steht, während sich die Feinde noch mit den Bäumen zum Verhau schleppen, dessen Linie schon weit hinter seinem Rücken blieb. Was sich gegen ihn stellt muß er nicht nur unschädlich zu machen, er muß es auch zum Vortheile zu wen= den trachten und dazu gäbe der Sprachenkampf im Reichs= tage jetzt eine Gelegenheit. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Verdolmetschung jedes Antrages in die vielen sla= vischen Dialekte wie ein Bleigewicht den Reichstag in sei= nen Fortschritten hindern würde — abgesehen davon, daß es mit der Verläßlichkeit der Dolmetsche auch so ein eige= nes Ding wäre — und die Uebersetzung der Diskussion des Entstehungsprogresses der Stimmen, die mit Ge= wissenhaftigkeit abgegeben werden — wenigstens für die Dauer eine baare Unmöglichkeit bliebe. Gab es denn bei dieser Ueberzeugung keinen Deputirten, der den Muth gehabt hätte den Antrag zu stellen: „In Erwägung, daß in den slavischen Provinzen Mil= lionen eingeborner Einwohner der deutschen Sprache vollkommen mächtig sind, während in den deutschen Pro= vinzen kaum so viele, einer slavischen Sprache mächtige Deutsche zu finden sind, als die Anzahl ihrer Deputir= ten beträgt, sei die Geschäftssprache im konstituirenden Reichstage die deutsche. Es seien demnach statt jenen
Deputirten, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind neue zu wählen. — die Wahl derselben sogleich (nach kais. Sanction der Beschlüsse) vom Ministerium auszu= schreiben und anzuordnen, daß die Neugewählten binnen 20 Tagen nach geschehener Ausschreibung in Wien ein= zutreffen haben. Um aber die dadurch erzeugte Verzöge= rung des Reichstages für das Vaterland nicht verderb= lich zu machen, möge zugleich mit vorerwähnter Wahl= ausschreibung (unter gleicher Sanktion) die unverzügliche Beeidigung aller geistlichen und weltlichen Staatsdie= ner mit Einschluß des Militärs in allen Rangstufen auf die Erhaltung der faktischen Errungenschaften seit dem 15. März d. J. bis zur Ablegung des Eides auf die vom Herrscher und Volk auf dem Vertragswege zu Stande gebrachten Constitution anbefohlen werde.“ Dieses schiene mir das Mittel, durch welches die un= glückselige Lücke des prov. Wahlgesetzes ausgefüllt und zu= gleich die finsteren Wolken zerstreut würden, die von allen Seiten gewitterschwanger, am Horizont heraufziehend, die junge Freiheit, die Freiheit eines konstituirenden Reichsta= ges tödlich bedrohen. Wenn die Zeit bis die Neugewähl= ten eintreffen verflösse, ohne dem Vaterlande dennoch Nu= tzen gebracht zu haben, so wäre das nur die Schuld der zahlreich in Wien zurückbleibenden Deputirten, denen es an Stoff zu Vorbesprechungen, zu gemeinschaftlichen Ent= würfen, an Vorarbeiten zur höchst wichtigen Prüfung der Wahlen u. dgl. wohl nicht fehlen wird. Daß für obi= gen einzelnen Antrag, die von den Slaven projektirte Verhandlungsweise durch Dollmetscher wohl ausführbar wäre, ist klar. Eine Frage zum Schlusse. Wo waren denn bei je= ner wichtigen und so ungenügend gepflogenen Verhandlung über die Sprachenfrage jene Deputirten, die ihre Staats= künste von Ferne her schon so laut priesen, für die man im weißem Halstuche in die Häuser der Wahlmänner lief und supplizirte, zu deren Gunsten man unbescholtene Män= ner verdächtigte und verläumdete — Männer denen das be= glückende Vertrauen des Volkes vollwichtig zugemessen war? Wo waren jene Deputirte? Wir haben ihre Stimmen nicht gehört. Reichte ihre Staatskunst schon das Erste= mal nicht aus? Beging ihr vielbelobtes Gehirn schon das Erstemal die Perfidie keinen Gedanken zu präsentiren? Dürfte es vielleicht doch besser gewesen sein Männer vor erprobter Tüchtigkeit in Gesinnung, Wort und Schrift zu wählen, als seine Stimme und sein Wohl einer kleinlicher Gehässigkeit willen, wenn nicht gar aus Wohldienerei wegzuwerfen? Ueber die Wirksamkeit des k. k. Traunkreis= amtes als Vogtei der ob der ennsischen Sen= senhammers=Gewerke. (Schluß.) Um nun auf die ursprünglich Frage, in welcher Art ich die Amtswirksamkeit des k. k. Traunkreisamtes als Vogtei bisher äußerte, zurückzukommen, so bestand selbe bei= läufig in Folgendem: Der jeweilige Kreishauptmann präsidirte bei den jährlichen Jahrtagssitzungen der Gewerke, bei denen das Aufdingen und Freisprechen der Jungen stattfand, er verlas die außer Kraft gesetzten Statuten, hörte die Kla= gen der Gewerken über ihre darniederliegenden industriellen Verhältnisse gleichgiltig an, vertröstete allenfalls auf bes= ere Zeiten, präsidirte dann bei der Tafel, lächelte bald diesem, bald jenem der Gewerken, aber insbesondere deren Frauen, (die in ihrem Feiertagsputze noch immer an eine alte bessere Zeit erinnern) — huldvoll zu, das wichtigste Geschäft vor allen jedoch war, als Lohn für Schweiß und Mühe durch 2 Tage dem Vernehmen nach 42 Stück voll= wichtige Dukaten in Empfang zu nehmen, worauf dann in Begleitung des jederzeit noch beigezogenen höchst über= flüssigen kreisämtlichen Aktuars, indem ohnehin der Distriktskommissär zu Pernstein die Schreib= und Rech= nungsgeschäfte versieht, die Abreise erfolgte. Wahrscheinlich mußten die Reisegebühren eigens ver= gütet werden, gewiß aber wurde der kreisämtliche Aktuar jedesmal noch mit 10—15— 20 fl. C. M. für sein Reise= vergnügen honorirt. Der unverkennbare Einfluß, den die Gewerke auf die vaterländische Industrie, auf den österreichischen Aktivhan= del, und sohinigen Geldverkehr, auf den Unterhalt so vieler Familien nahmen, insbesondere aber der Umstand, daß alle Gewerke im gleichen Verhältnisse behandelt, somit jede mög= liche Bevorzugung von einzelnen Privat=Dominien respek= tive deren Beamten hindan gehalten werden sollte, daß die Beobachtung und Festhaltung der Innungsordnung durch eine ganz unabhängige Behörde überwacht werde, waren die Veranlassung, daß die unmittelbare Leitung und Vorstehung der Gewerke einer höheren landesfürstlichen Behörde, und zwar an der Stelle des k. k. Bergerichtes dem k. k. Kreisamte*) als Vogtei übertragen wurde, und in welcher Weise, und wie kostspielig wurde dieser Zweck erreicht? Wenn es auch immerhin wahr ist, daß der auf den einzelnen Gewerken an Honorar repartirte Betrag letzterem nicht schwer fiel, so frage ich doch, hätte durch die seit dem Jahre 1803, also seit 44 Jahren bezahlten 1848 Stück Du= katen (8316 fl. C. M.) von den Gewerken nicht eine schöne Stiftung, sei es auf Almosen für arme und kranke Arbei= ter, oder zu einer technischen Schule, gegründet werden können, ja hätte nicht selbst die Hälfte des so großmüthigen Honorars (der Diäten an den Aktuar und Reisegebühren nicht zu erwähnen) für den jeweiligen Herrn Kreishaupt= mann, der nur als eine Ehrenperson fungirte, genügt, und die andere Hälfte zu einem der obigen Zwecke verwendet werden können. Beim letzten Jahrtage im Jahre 1847 präsidirte der *) Daß grade an das Kreisamt die Vogtei übertragen, daß ein so kostspieliges Honorar gegeben wurde, dürfte durch den Stolz der alteren Gewerke veranlaßt worden sein, die sich nicht wenig brüsteten, daß ein Kreishauptmann Vorsteher der Innung war.
Kreishauptmann Freiherr von Hohenbruck*) große Versprechungen zum Schutze der Gewerke machend, die sich aber, so wie viele andere Versprechungen dieses Herrn nicht realisirten. Da derselbe allgemein als sehr reich galt, wäre es interessant zu wissen, ob auch er dieses durch alte Gewohnheit hergebrachte Honorar, das sich die Gewerke in der Gegenwart, wenn auch der jüngere intelligentere Theil verselben es für zu hoch hält, aus Scheu vor den hohen Behörden, und um, wie man zu sagen pflegt, es nicht mit denselben zu verderben, nicht einzustellen wagt, annahm, oder es großmüthig den damals schon in bedeu= tender Anzahl brodlos gewordenen Arbeitern als Geschenk *) Im Mai 1847 soll ihm von Seite der Gewerke ein Ge= such zur Ueberreichung an Se. Majestät über dessen Auf= orderung übergeben worden sein, über das sich derselbe der freien Sprache halber, insbesondere wegen gebetener Re= publicirung der die theilweise Befreiung der Sensenham= mersgewerke von den grundherrlichen Veränderungsgebüh= ren aussprechenden Gesetze nicht sehr günstig aussprach. Ob selbes wirklich durch Freiherrn von Hohenbruck an Seine Majestät überreicht wurde, ist zu bezweifeln — we= nigstens erfolgte keine Erledigung oder Aufforderung an die Landesregierung zur Berichterstattung, welch letzteres doch bei jedem Majestäts-Gesuche zu geschehen pflegt. widmete? Leider verlautete nichts — gewiß wäre, wie es doch sonst bei Geschenken großer Herrn geschieht, augen= blicklich in die Lärmtrompete gestossen worden. Bei solchen Verhältnissen möge sich das k. k. Kreis= amt überzeugen, daß seine Wirksamkeit als Vogtei der Sensengewerke so lange der Innungsverband und neben den Innungsstatuten das Normale vom 3. Juli 1819 noch aufrecht bestehen, rein illusorisch sei, und deßhalb auch diese Vogtei dem k. k. Berggerichte abtreten, wodurch wenn je= nes nicht auch zum Schutze der Gewerke gegen muthwil= lige Klagen ihrer Arbeiter und gegen die erwähnten Lau= demial Bezüge der Dominien wirksamer einschreiten könnte, doch Uebereinstimmung in den Gesetzen hergestellt würde. Wäre aber die Abtretung der Vogtei im gedachten Sinne nicht möglich, so möge das k. k. Kreisamt bewir= ken, daß nach den Innungsstatuten Streitigkeiten zwischen Gewerken und Arbeitern, die sich auf ihren Dienst oder ihre Disziplin beziehen, nach der Dienstbothenordnung durch die politischen ersten Instanzen geschlichtet werden, das oben angezogene Gesetz vom 3. Juli 1819 sohin die betreffende Modifikation erhalte. Städte= und Landschafts=Bilder mit Figuren aus unsern Tagen. Berlin. Eine Volksversammlung in Berlin unter den Zelten macht zuweilen einen fast komischen Eindruck. Denke man sich einen ungeheuern Platz, an der einen Seite von Ta= bagien, an der andern Seite von Bäumen begränzt. In der Mitte eine überdachte Tribune, auf welcher sich das Comite und die Redner befinden. Dicht um dieselbe ge= drängt das Volk, wie eine einzige, schwarze wogende Masse. Zwischen den Bäumen sieht man hier und da Feuer auf= flackern, und ein angenehmer Bratengeruch verbreitet sich dann und wann, denn dort röstet man kleine Würste und kocht Eier zur Stärkung des Volkes; — ohne Bratwürst= chen und Eier ist in Berlin keine Volksversammlung denk= bar. Männer mit Fässern gehen auf und nieder und schrei= en: „Saure Gurken!“ Jungen brechen sich Bahn und brüllen: „Revolutionszigarren mit Vereinbarungsfeuer, wunderschöne Ministerzigaren mit Barrikadenfeuer! andere kommen gerannt mit kleinen Flugschriften: „Meine Herrn kaufen Sie das Allerneueste, das Allerneueste, — der Pabst hat geheirathet! — der Kaiser von Rußland dankt ab! ganz etwas Wunderschönes, der Krakehler und der Klad= deradatsch! — Kaufen Sie, kaufen Sie, der unschuldige Prinz von Preußen, er kostet nur einen Sechser!“ — Kau= fen Sie,“ schreit ein anderer „der schuldige Prinz von Preußen, einen Sechser!“ — Hier kömmt einer und schreit: „An die Bewohner Berlins, ein Wort der Warnung aus den Provinzen, einen Sechser.“ Dort brüllt ein anderer „Offener Brief an Camphausen!“ — Neulich hört ich ei= nen Jungen mit Flugschriften in der Hand rufen: „Meine Herrn, ungeheuer interessant; zehn Bund Cichorien für nen Groschen! Ne, ich versprach mir, det war gestern da hatte ick Cichorien! meine Herrn, keine Cichorien, sondern der Prinz von Preußen ist unschuldig!“ Auch an Kindergeschrei, Hundegebell, Pferdegewie= her fehlt es nicht bei diesen Zeltversammlungen. Plötzlich wird Ruhe geboten, ein Redner tritt vor. Noch wogt es und tobt es in den äußersten Kreisen, während das Zent= rum schon eifrig lauscht. Endlich ist es gelungen, allge= meine Ruhe herzustellen, der Redner beginnt: „Meine Her= ren, mit traurigem Herzen stehe ich vor ihnen, das Mini= sterium Camphausen ist ein schmachvolles, unwürdiges, ich sage es mit tiefer Trauer, es ist ein“ — da beginnt plötz= lich in einem der Zeltetablissements irgend eine rauschende Walzermusik. Nun wird „Ruhe!“ gebrüllt. Unmöglich die Musik hat auch ihre Rechte, sie spielt fort, der Redner brüllt fort, wer nicht unmittelbar neben der Tribune steht, versteht kein Wort, aber er ist unermüdlich, man sieht ihn mit den Armen umhersäbeln, und wenn die Musik eine Pause macht, so hört man seine Donnerstimme, welche schreit: „Das Ministerium Camphausen ist unmöglich ge= worden“ oder „pfui über diese mit dem Fluche einer gan= zen Nation belasteten Minister!“ oder „das soll eine Ver= fassung sein auf den breitesten Grundlagen? Ja breit schla= gen werden wir sie müssen! „Das sind die stehenden Phra= sen der Redner unter den Zelten. Das Volk hörte sie an und amüsirt sich wundervoll und lacht dazu wie zu einem guten Witze und sagt: „des is stark! Es gehört doch viel Kourage dazu, so was zu sagen. Es ist aber hübsch!“ Weiter macht es keinen Eindruck, es regt sie durch= aus nicht auf, die stärksten revolutionären Reden bringen sie nicht in Wallung, sie essen dabei Bratwürstchen und sauere Gurken, und freuen sich ungeheuer, daß so etwas
gesagt werden darf, und daß wir so viel Redefreiheit ha= ben. Das alte, träge Blut der Wenden verläugnet sich noch immer nicht; ein wenig Phosphor, ein wenig Ingre= dienzien Süddeutschlands fehlen uns! Uebrigens wissen Sie, wer einer der treuesten Besucher der Zeltver= sammlung ist? Der Exminister Eichhorn! Er fehlt bei kei= ner Versammlung, überall ist er dabei, hört alles mit dem regsten Interesse an und lächelt dabei vergnüglich, wenn auf ihn und seine Regierung geschimpft wird. Man kann sich über diese launige Schilderung eines gemüthlichen Lächelns nicht enthalten. Es ist sehr viel Bonnhomie, besonders in diesem lächelnden Exminister der Mann weiß recht gut, daß man seinen Gegnern nie mehr imponirt als wenn man zu ihren Streichen lächelt. Uebrigens scheint es unserem lieben österreichischem Vaterlande mit der Freiheitsliebe eben so zu ergehen, wie mit seiner Liebe zu Backhendeln. Man konnte früher in keiner außerösterrei= chischen Zeitung einen Reisebericht aus Wien lesen, ohne vom Backhendelessen der Oesterreicher und namentlich der Wiener viel vernehmen zu müssen, und jetzt scheint man dort von jedem Oesterreicher (Süddeutschen) vorauszusetzen er liebe die Freiheit eben so leidenschaftlich wie die Back= hendel. Es gibt überall Ausnahmen. Backhendel waren doch nur bei den bevorzugten Ständen im Schwunge und bei diesen will die Freiheit jetzt gar nicht in Schwunge kommen. Windischgrätz, Brandis, Kraus und noch meh= rere Andere, deren ganzen Namen und Titel herzusetzen der beschränkte Raum nicht gestattet, legen gewiß keinen Spott auf gebackene Hühner — desto mehr spotten sie der Freiheit. Ach — und diese Gesinnung ist in Oesterreich leider so weit verbreitet und vertreten, als Hühner gackern, und Schmalz in Pfannen prasselt. Von Leuten, denen ein Backhuhn lieber ist als die Freiheit, könnte man in mancher Stadt ein Verzeichniß liefern, das nicht viel kürzer wäre als die Liste jener, die sich durch milde Gaben ans Armeninstitut von der Pflicht des Neujahrwünschens los= gekauft haben. Zur Geschichte des Tages. Montags reiste der deutsche Reichsverweser Prinz Johann durch Linz nach Wien. Die Hauptstadt Oberösterreichs trug ihr festlichstes Kleid, Blumen, Teppichen und Fahnen aus allen Fenstern und wenn man mir die Wahrheit berichtet hat, so trug selbst die Regierungspräsidentin ein weißes Kleid. Damen und Herrn hatten breite schwarz=roth=goldene Schärpen über die Schul= tern geworfen — herrlicher Patriotismus und wie schnell griff er um sich! Als jene Deputation von Wiener Freiheitskämpfern, deren Muth und Ausopferung Linz die Möglichkeit des Anblicks weißer Kleider und schwarz-roth=goldener Schärpen, Deutschland aber die Möglichkeit eines Reichsverwesers verdankt vor wenig Wochen dort war, lebten die hohen Herrschaften, die hochlöbliche Bureaukratie und die übrige Elite von Linz noch in großer Zu= rückgezogenheit. Unbewegte Fahnen trauerten auf den Gibeln schöner Häuser, wie Kraniche, die vor dem Beginn des Wander= fluges auf einem Bein stehend schlafen und schwarz-=roth=gol= dene Schärpen waren höheren Ortes nicht gerne gesehen. Gott sei Dank, auch diese Kruste ist durchbrochen, das deutsche Volk hat einen Prinzen an seiner Spitze und jetzt erst hat seine Sache, seine Farbe einen allgemein gultigen Werth. Als das deutsche Volk erschien, repräsentirt durch den Prinzen eines regierenden Hauses — da jauchzten alle Adelsstufen, der gesammte Beamten und Handelsstand und so hinunter — als das deutsche Volk selbst kam, das Freiheitsschaffende, das Todverachtende, das treue Schwert an der Seite und den schlichten Stürmer auf dem Haupte, über dem Gottes segnende Hand sichtbar schwebt — da zog man sich vornehm zurück und rümpfte die Nase. So treibt ihrs recht. Macht aus der deutschen Freiheit eine Hoheit oder Excellenz Frau und führt sie dann in eurem Salons — das Volk wird ihr dorthin nicht nachfolgen und die alte Scheide= wand wird wieder glücklich aufgerichtet sein. Aber bald werdet ihr zu spät erkennen, daß ihr eine falsche Dirne heimgeführt habt und daß die echte bürgerliche Jungfrau in unseren schlich= ten Häusern sitzt, aus denen wir treten werden um die Wahr= heit mit Gut und Blut zu Ehren zu bringen. Rundschau eines politischen Thürmers. In Jassy sind am 10. d. M. Abends 7 Uhr die Russen eingerückt. — Der Abgeordnete Pillersdorff sprach in der letz= ten Reichstagssitzung die Meinung aus, ein konstitutioneller Mi= nister kann auch auf seine eigene Faust Truppen ausheben las= sen. — Die Wiener Garnison hat sich bei einem Feste im Au= garten als konstitutionell erklärt. — Windischgrätz und Radetzky befolgen seit längerer Zeit keine Verhaltungsbefehle von Wien. — Nach der Allgemeinen intriguirt Erzherzog Franz Carl um neuen Einfluß und der Kaiser will abdanken und das Herzogthum Salzburg an Baiern abtreten, um in der Stadt Salzburg zu leben. Wird diese Abtretung nicht auszuführen sein? — Der Wiener Gemeindeausschuß erklärt in einem Pla= kate die Reaktion für ein Gespenst, spricht aber schon in den nächsten Zeilen von einer Handvoll Leute, die den alten Zustand wieder herbeiführen wollen. Wenn nun diese Handvoll Leute aus Ministern, Prinzen, Feldherrn u. dgl. bestünde? — Nach der Berliner Voßischen Zeitung wird der Prinz von Preußen (!! liberalen Angedenkens !!) vom Reichsverweser zum Reichs= marschall gewählt werden. — Ungarn hat 200000 Mann und 42 Millionen Gulden fur sich bewilligt — Der sehr begabte Dr. Wieser aus Linz soll zum Justizminister vorgeschlagen sein. Eine glückliche Wahl wenigstens für — die Advokaten. — Die Mitglieder der Rechten im deutschen Parlamente erhalten den Titel kaiserliche Volksvertreter. Um allen Moßverständnissen mit Einmal vorzubeugen erkläre ich: daß jeder meiner Aufsätze in diesen Blättern mit meinen Namen gefertiget ist. F. W. Arming. Die Abfertigung der Erklärung des Herrn Dr. Starzen= gruber in Hall in No. 56 des Intelligenzblattes der Linzer Zei= tung wird in den nächsten Nummern desselben Blattes zu lesen sein. Wir weisen hier lediglich darauf hin, um unseren interessan= teren Mittheilungen gewidmeten Raum nicht zu verschwenden. Die Redaktion. Berichtigung: Im Blatt No. 35 Seite 153, 1. Spalte 12. Zeile an= statt „meine Wege wären“ soll es heißen „meine Wiege wäre“; dann auf derselben Seite Spalte rechts letzte Zeile anstatt „März“ — „Mai“. Mit einem Anzeiger Nr. 23. Verantwortlicher Redacteur Alex. Jul. Schindler; Mitredacteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Sandbök und Haas in Steyr.
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