Zwanglose Blätter, Nr. 35, vom 15. Juli 1848

Zwanglose Blätter für Oberösterreich. Nro. Steyr am 15. Juli 1848. 35. Die Wahlen sind nur indirekt, Der Wurm sitzt in der Frucht versteckt. Ein Fibelvers. Ueber die Wirksamkeit des k. k. Traunkreis= amtes als Vogtei der ob der ennsischen Sen= senhammers=Gewerke. Die 42 Sensenhammerwerke des Traunkreises, unter sich im Zunftverbande, unterstanden seit den ältesten Zeiten*) der vormaligen k. k. Eisen=Obmannschaft. Als letztere unter der Regierung Josef II. aufgehoben worden war, wurde die Vogtei über diese Innung dem k. k. Kreisamte übergeben. Durch das Hofdekret vom 3. August 1792 wurden die Sensenhämmer, als Rohstahl verarbeitende Gewerke dem an die Stelle der Eisen=Obmannschaft ins Leben gerufenen k. k. Berggerichte zu Steyr unterstehend erklärt, und es wurde sohin auch dieses die Vogtei der Innung. Da aber letzterem die Abordnung eines Kom= missärs zu dem jeweiligen Jahrtage untersagt wurde, be= wirkten es die Gewerke im Jahre 1803, daß die Vogtei neuerdings dem k. k. Traunkreisamte übertragen wurde, seit welcher Zeit denn auch der jeweilige Kreishauptmann als Vogtei=Commissär den Jahrtags=Zusammenkünften bei gewöhnlichen Zusammenkünften aber der jeweilige Di= strikts=Commissär von Pernstein intervenirt. Läßt sich nun auch im Allgemeinen bei jeder Innung der gesetzliche oder kommerzielle Zweck (ein polizeilicher war es sicher) weßhalb ein obrigkeitlicher Commissär bei Zu= sammenkünften der Gewerksgenossen interveniren, oder zu welchem Ende überhaupt eine Vogtei existiren mußte, sehr in Frage stellen, so ist dieser Zweck bezüglich der Sensen= hämmer um so zweifelhafter, als de facto die Innungs= regeln, nach welchen z. B. bei Streitigkeiten zwischen Ar= beitern und Gewerken die Dienstbothenordnung für das flache Land so wie Schiedsgerichte festgesetzt sind, gar keine praktische Wirksamkeit haben, im Gegentheile laut montanistischen Hofkammer Normale vom 3. Juli 1819 alle Angelegenheiten, sie mögen auf das eigentliche Werks= befugniß und die dahin einschlagenden Gegenstände Bezug haben, oder den Dienst, oder die Disziplin der Sensen= arbeiter betreffen, nur durch die Berggerichte, also nicht nach den Innungsstatuten mittelst der Vogtei (nach §. 8 III. Abschnitt der Innungsstatuten) zu schlichten sind. *) Die älteste dießfällige Urkunde ist das Privilegium Kaiser Rudolf 2. ddo. 9. May 1604. Die dießfälligen Gesetze, wodurch einerseits die Ge= werke dem Politico, anderseits dem Montanistico zuge= wiesen wurden, standen also untereinander in einem auf= fallenden Widerspruche (eine zwar bisher nicht seltene Er= scheinung) hatten aber für die Gewerke eine doppelt nach= theilige Folge, denn das Kreisamt und die höheren politi= schen Stellen fanden sich auf Grund dieser dem Kreisamte zustehenden Vogtei über die Gewerke veranlaßt, das Recht zum Betriebe eines Sensenhammers als radizirtes unter= thäniges Gewerbe zu betrachten, und schützten dadurch ge= gen die bestehenden Gesetze*) die Dominien im Bezuge der 10, 15, 20 % Veränderungs= und Lehensgebühren vom Werthe der Sensenhämmer, indem nie der entspre= chende Werth der Betriebsrechte sammt Zugehör, wodurch doch der Preis der Gebäude allein erhöht wurde, bei Schätzungen ausgeschieden wurde. Der zweite Nachtheil ist dadurch gegründet, daß jeder Arbeiter nach Willkühr Streitigkeiten zwischen sich und dem Gewerksinhaber bei dem k. k. Berggerichte anhängig machen kann, so daß der Gewerke, will er eine Verurthei= lung in contumaciam vermeiden, die weite Reise nach Steyr zu machen hat, was oft um so nöthiger ist, als eine Verurtheilung des Gewerken ein Freibrief für die Willkühr aller Arbeiter würde. Wäre das k. k. Berggericht Vogtei geblieben so würde diese wahrscheinlich auch den Innungs=Statuten Geltung zu verschaffen gewußt haben, eine Geltung, die dem Kreisamte ganz gleichgiltig war, wofür auch der Um= stand einen deutlichen Beleg liefert, daß dasselbe dem Un= fuge der Sensenarbeiter, die, während sie doch nach den Jahren ihre Löhnung erhalten, und durch ein ganzes Jahr verköstet werden, an den abgebrachten Feiertagen, vielleicht 30 Tage im Jahre die Arbeit verweigern, — zu steuern, nicht der Mühe werth hielt. Wäre das Kreisamt als Vogtei einer so wichtigen Innung sich seiner Aufgabe bewußt gewesen, so hätte es, um aus vielen nur eines zu erwähnen, die Assentirung der Sensenarbeiter zum Militär in den Kriegsjahren, in= dem durch die theils als Kriegsgefangene, theils freiwillig *) Normale vom 29. Mai 1806. Hofkanzlei=Dekret vom 4. Mai 1824 Zahl 32684.

in Frankreich, Würtemberg und Rußland zurückgebliebenen Arbeiter der Grund zur Errichtung und Vermehrung so vieler deutscher französischer und selbst russischer Sensen= fabriken gelegt wurde, zu verhüthen gewußt. Gesetzlich erfolgte die Aushebung der Militär=Befreiung der Sen= senarbeiter erst im Jahre 1829. Wurde von Seite des k. k. Kreisamtes als Vogtei zum Schutze dieser Industrie, da oft durch Assentirung ei= nes einzigen Sensenarbeiters, z. B. Eßmeisters, Hammer= schmiedes beim bestehenden Sisteme der Arbeitstheilung der Betrieb eines ganzen Gewerkes auf Wochen, Monate ge= hemmt wurde, aber auch nur eine Vorstellung dagegen gemacht! (Schluß folgt.) Bedenken gegen den am 16. und 17. Juni vorgenommenen Akt der Wahlmänner=Wahl. (Ausgesprochen von mehreren Urwählern.) Zuerst muß es auffallen, daß die Stadt Steyr in so viele Wahldistrikte abgetheilt wurde, was offenbar bei der Wahlmänner=Wahl den Urwählern theilweise Zwang auf= erlegte, da sie auf den Distrikt beschränkt waren, den sie angehörten, und aus dem sie die Wahlmänner wählen mußten. Ist auch diese Eintheilung dem prov. Wahlge= setze nicht entgegen, so muß unser Bedenken gegen dasselbe doch um so mehr als gegründet erscheinen, als durch selbe Zwang und Wahlerschwerung hervorgerufen wurden die im Widerspruche mit der Freiheit unserer Rechte stehen. Der Wahlbezirk Stadt Steyer kann und darf füg= lich nur in so viele Distrikte eingetheilt werden, als die Stadt in Ortschaften unterabgetheilt ist. Ein zweites Bedenken ergibt sich uns aus der Art und Weise wie die Wahlkommission sich gebildet hat. Be= kanntlich müssen derselben in jedem Wahldistrikt 3 bis 5 Urwähler beigegeben werden. Wir fragen, ob diese Bei= gebung in Steyr nach Anordnung des prov. Wahlgesetzes geschah und wünschen die Belege zu sehen. So lange aber die Zuziehung solcher Urwählern als Mitglieder der Wahlkommission nicht auf Grundlage einer durch Stim= menmehrheit erfolgten Wahlbestimmung nachgewiesen wer= den kann, müssen wir unser Bedenken für begründet hal= ten. Es sei jedoch fern von uns diese Rüge etwa der Wahlkommission zur Last zu schreiben, sie trifft vielmehr gerade die Urwähler selbst, welche kaum im Wahllokale an= gekommen, augenblicklich wieder fort zu kommen trachteten, um ja dem eigenen Wohle keine Stunde Zeit widmen zu dürfen. Ein drittes Bedenken finden wir in der Bildung der Wahlkommission auch dadurch, daß derselben auch die Oe= konomieräthe angewohnt hatten, von denen das proviso= rische Wahlgesetz keine Erwähnung macht. Ein viertes Bedenken ergibt sich uns aus dem Um= stande, daß bei der am 17. Juni vorgenommenen zweiten Wahlmänner=Wahl, nachdem am Tage zuvor nicht Alle die erforderliche absolute Stimmenmehrheit erhalten, nicht nach Vorschrift des provisorischen Wahlgesetzes vorgegan= gen worden ist. Oder haben die Wahlkommissionen an diesem Tage neue Wahlprotokolle und Gegenlisten geführt? So viel wir wissen, geschah dieses nicht. Wir kön= nen unsere Behauptung beweisen, da die Namen der an diesem Tage gewählten lediglich nur dem am Tage zuvor aufgenommenen Protokollen und Gegenlisten einverleibt wurden, was zur nothwendigen Folge hatte, daß das erste Wahlprotokoll an seiner ursprünglichen Reinheit verlor. Beispielsweise führen wir folgenden Fall an. Im Wahldistrikte Nr. 15 hatte am 16. Juni unter 14 erschie= nenen Urwählern Einer davon 8 Stimmen erhalten und wurde daher ganz richtig als Wahlmann erklärt. Bei der am 17. vorgenommenen zweiten Wahl zur Erzielung des zweiten Wahlmannes, sind viel mehr Urwähler erschienen und diese ihre abgegebenen Wahlen ohne Anstand in das Wahlprotokoll vom vorigen Tage hinzu geflickt worden. Nach unserem Dafürhalten hätten aber am 2. Wahltage eigene Wahlprotokolle geführt werden sollen, was aber un= terblieb. Es würde sich sodann sehr leicht herausgestellt haben, daß der am vorigen Tage mit 8 Stimmen unter 14 Urwählern gewählte schon Wahlmann war, folglich die neue Wahl am 17. wenn auch noch so viele Urwähler er= schienen wären, auf diesen keinen Einfluß mehr nehmen konnte. Die Kommission war aber ängstlich bedacht, ihm noch zwei Stimmen zuzuzählen, welche am 2. Wahltage ihm zufielen. Wir halten unser Bedenken für gegründet. Ein letztes Bedenken finden wir darin, daß bei der am 17. Juni vorgenommenen zweiten Wahl der Wahl= männer die Bestimmungen des prov. Wahlgesetzes wenn auch gewiß nicht absichtlich, aber doch bestimmt umgangen worden sind. Wir führen nur ein Beispiel an. Bei der zweiten Wahl am 17. Juni konnte bei einem Wahlmanne aus dem Distrikt Nro. 14 die absolute Stim= menmehrheit nicht herausgefunden werden, es fehlten im= mer noch 3 Stimmen und die Wahl war bereits zu Ende. Da entschloß sich ein Mitglied der Wahlkommission die noch fehlenden 3 Stimmen dadurch für demselben zu erzie= len, daß sich derselbe persönlich in ein benachbartes Haus verfügte und die dortbefindlichen 3 Urwähler zur Abgabe ihrer Stimmen für den erwähnten Wahlmann ersuchte. Unter solchen Vorgängen, so gut sie Zweifels ohne auch gemeint waren, wird man doch nicht umhin können unser Bedenken richtig zu finden. W. S. A. H. Hier haben wir gesiegt! Fürst Windischgrätz meint der Freiheit bereits über den Kopf gewachsen zu sein. Er verspottet die Männer, die nach dem Rechte der Volksbewaffnung Waffen tragen und versucht das Ministerium durch Drohungen einzuschüch= tern. In einer Zuschrift ans Ministerium, die im Sicher= heitsausschuß zu Wien am 10. d. M. vorgetragen wurde bietet er sich an, den Wiener Deputirten, denen er bei ihrer Ankunft in Prag die Waffen abnehmen ließ, den Werth derselben, — da sie verlegt worden sind — in Geld zu er= setzen. Was würde Windischgrätz dazu sagen, wenn man ihm mit schimpflichem und beschimpfen dem Uebermuthe sei=

nen Degen abnähme und ihm zwanzig Gulden dafür gäbe? Freilich ist er ein Soldat, und jene waren nur — Nationalgarden! Schließlich droht der liberale Mann: man möge ihn in seinen Maßregeln nicht stören, sonst müßte er seine Entlassung nehmen und diese dem Lande und der Armee bekannt geben? Wie — sotief wärst du gesunken mein Oesterreich, daß ein Windischgrätz dir nothwendig geworben wäre? Hast du sonst keinen General mehr, der so viel über die Armee vermag, um Ordnung und Gesetz in Falle der Noth mit Waffengewalt aufrecht zu erhalten? Wenn es so ist — dann armes, zu unvermeidlicher Knecht= schaft geborenes Land — dann wünsche ich meine Wege wären statt an den wein= und weitzenreichen Ufern der Do= nau auf dem dürrsten Boden der Shetland=Inseln gestan= den, wo man mit den weißschäumenden Wogen des Meeres um magere Fische kämpft und den Feind doch achten kann, der uns verschlingt. „Ihr Fischer habt acht“ — singt Masaniello. Den Lobern. Wir und viele mit uns in den Thälern der Enns und der Steyer, deren Felswände Tag und Nacht vom dröhnenden Schlage der Eisenhämmer wiederhallen, haben mit Staunen das allgemeine Vertrauen vernommen, das man dem deutschen Reichsverweser Johann von Lothringen aus allen deutschen Gauen zujauchzt. Die Meisten dieser jauch= zenden Deutschen würden wohl als Grund ihrer warmen Simpathien zuerst jenen schönen Trinkspruch anführen, den der Prinz bei der Grundsteinlegung des alten Domes in Cöln mit so viel Beifall vortrug. Er lautete „Kein Preu= ßen, — kein Oesterreich, — sondern ein einiges Deutsch= land, und es ist dieser schöne Spruch so innig in Fleisch und Blut — namentlich unserer Landsleute übergegangen, daß jeder, der sich vor 10 Wochen dazu bekannte, als Re= publikaner gemieden und namentlich zu einer Deputirten= stelle beim deutschen Parlamente in Frankfurt für unfähig erklärt, worden ist. Nach diesem Trinkspruche hat es den Prinzen unendlich populär gemacht, daß er vor Jugend an die schönen Sommermonate in den Alpen zuzubringen pflegte, die von allen fassionablen Alpenreisenden beliebte Aelplertracht d. i. Lodenrock, Lederhose, Federhut und grüne Strümpfe trug, ein leidenschaftlicher Liebhaber der Gemsen= jagd war und eines Postmeisters Tochter von Aussee hei= rathete. Von dem Vergnügen, das er von seinen Radge= werken in Vordernberg seit langen Jahren erlebte, scheint in Deutschland weniger bekannt zu sein. Man wird auch jetzt nicht davon hören wollen — es ist zu viel Jubel in der Luft und zu viel Lob in allen Zeitungen. Wir müs= sen gestehen, daß uns dieses Lob oft ganz unverständlich klingt, öfter aber noch so schal erscheint, wie eine F. C. Weidemann'sche Hofschmeichelei von 1846. Ein Korrespon= dent in No. 191 der unglückseligen Augsburger Allgemei= nen ruft dem Prinzen zu „Du hast nun für eine hartge= prüfte Vergangenheit den Lohn.“ In welches Lebensjahr des Prinzen fielen denn die harten Prüfungstage, so hart, daß eine Kaiserkrone nicht für zu gering befunden wird sie aufzuwiegen? Lewin Schücking süßelt in der Kölnischen Zeitung einige Nachrichten über den Prinzen, die nicht recht Stich halten und sehr auf den Effekt gearbeitet sind. Da heißt es Johann habe auf seinem Brandhofe ge= wirthschaftet, mit dem Volke aus demselben Milch= napf geschöpft — ein schlichter Landmann, der nichts vor den andern Menschenkindern voraushaben wollte. Ein Jagdliebhaber im Hochgebirge kommt freilich viel mit den Volke in Berührung — ob es aber des Volkes willen geschieht und aus der Absicht sich damit auf eine Stufe zu stellen das ist eine zweite Frage. Gar naiv erzählt Schücking die bekannte Geschichte, wie die jetzige Baronnin Brandhof als Postillion verkleidet den Erzherzog fuhr. Als der Prinz die Formen der Weiblichkeit an seinem Postillion entdeckt hatte und dieser seiner Verkleidung „dunkelroth glühend“ geständig war, habe der hohe Passagier zu ihm oder viel= mehr zu ihr gesagt. „Sie haben sich meinethalben zum Manne gemacht (?) — ich kann nicht weniger (?) thun als Sie zur Frau (sollte wohl heißen zu meiner Frau) ma= chen.“ Solche Unüberlegtheiten legt man einen so geist= reichen Prinzen in den Mund. Muß man gegenüber hoch= gestellter Männer mit dem Tadel behutsam und gründlich sein, so sei man das auch konsequent mit dem Lobe. Ue= berhaupt haltet ein mit eurem Kanonen= und Lobgedonner und laßt den Mann unserer rosenfarbnen Hoffnungen zu Athem kommen, damit er sie erfüllen könne. Er möge das deutsche Reich — doch halt — wir haben noch keines. Die konstituirende deutsche Nationalversammlung hat es zu konstituiren vergessen! Wiener Tagsberichte. Eine Stimme aus Wien über den Fall des Ministeriums Pillersdorff. Panem et circenses war des römischen Volkes Verlan= gen zu einer Zeit, als schon der Wurm der Auflösung an dem einst so kräftigen Staate nagte und die Kaiser nichts Angelegent= licheres zu thun hatten als den Hunger und die Schaulust ihrer Sklaven zu befriedigen, damit sie durch den Taumel der Lust vom Gedanken an ihre verlorene Freiheit abgehalten werden. Traun! Unsere Verhältnisse haben mit den Geschilderten viel Aehnlichkeit, ungestümme Forderungen nach Brod sind nichts sel= tenes und Vertbeilung dieses nothwendigsten Nahrungsmittels an die arbeitslos Gewordenen findet fast taglich vor den Fran= zensthor statt. Dabei folgt Spektakel auf Spektakel, Aufzüge des Militärs und der Nationalgarde, die über 50000 Mann stark den Feinden der Freiheit gewaltige Scheu einzuflößen im Stande ist, Revuen, Paraden, Zapfenstreiche, Fackelzuge, die 5 Stunden dauern, Aufzüge vor Sr. Hoheit dem Erzherzoge Jo= hann, feierliche Aufsteckung der deutschen Fahne an die Josefs= Statue, Volksschießen, Verbrüderungsfeste folgen schnell aufein= ander, so daß man vor lauter Augen= und Ohrenlust kaum Zeit findet, an die Gefahren zu denken, von denen unsere junge Frei= heit allenthalben umgeben ist. Doch das Volk von Wien ist nicht mit jenem entarteten zu vergleichen, sondern es liebt seine Freiheit über alles und ist fur deren Wahrung ein treuer, muthiger Wächter, der bei all diesen Paraden selbstgefällig seine eigene Macht anstaunt. Das Volk von Wien hat den 15. und 26. März nicht vergessen und

im Bewußtsein seines Rechtes und seiner Kraft konnte es nicht länger dulden, daß die mit seinem Blute erkaufte Freiheit durch ein wetterwendisches, im größten Theil seiner Mitglieder mit der Camarilla zu Innsbruck buhlendes Ministerium in Frage ge= stellt werde, welches sich mit seiner Rath= und Thatlosigkeit mit seiner Unehrlichkeit am getreuesten in seinem Präsidenten abspie= gelt. Ich sage Unehrlichkeit, allein dieser Ausdruck ist noch viel zu höflich fur die Perfidie mit der es nur dann den Volkswillen verstand, und demselben nachkam, — wenn das Volk mit den Waffen in der Hand zum Kampfe bereit war oder wenn es von den Barrikaden herab Gesetze diktirte; im nächsten Augen= blick aber auf nichts mehr bedacht war, als durch die feinsten Kniffe und Schleichwege die erzwungene Freiheit zu verbittern und zu schmälern, kein Wunder, wenn der so oft wiederholte Betrug und Verrath des Ministeriums in der Bevölkerung Wiens ein Mißtrauen hervorrief, welches zu mindern die Er= eignisse in Prag, über die der Sicherheitsausschuß nach so oft= maliger Anfrage von Seite des Ministeriums keine genügend Aufklärung erhalten konnte, keineswegs geeignet waren. Dazu erfuhr man, daß die Nordbahn immer mehr Militär nach Wien befördert, als mit der Südbahn nach Italien abgeht. Bauern machten die Anzeige, man habe ihnen bedeutet, sie möchten ihre Ernte in Sicherheit bringen, weil sie sonst möglichen Falls keine Entschädigung dafur bekommen würden. Die Kammerdienerge= schichte, das immer keckere Hervortreten der Schwarzgelben, der Aufruf eines Offizieres des Regiments Rassau, trugen auch das Ihrige bei zur immer mehr sich kundgebenden Befurchtung: Man habe einen Tag, wie die Moldaustadt zu erwarten. Sam= stag verbreitete sich das Gerücht, Erzherzog Johann werde nicht abreisen, denn er habe von einem beabsichtigten Gewaltstreich des Ministerpräsidenten Kenntniß bekommen, welcher im Einverständ= niß mit dem Würgeengel Windischgratz und dem Verräther Thun auf Befehl einer Person, die nicht genannt werden wolle, die Stadt Wien den 10. d. M. im Belagerungszustand erklärt hätte, um durch der Waffengewalt seinen reaktionären Gesetzen Geltung zu verschaffen. Da heißt es plötzlich der Sicherheits ausschuß für Wahrung der Volksrechte habe das Ministerium gestürzt. Die Freude über diese Nachricht konnte man jedem, der es mit der Freiheit ehrlich meint, am Gesichte lesen und allge= mein ward die Frage gestellt, wie es denn kam, daß dieser Hr. Pillersdorff, der sich als Minister erhielt, ohngeachtet fast jedes seiner schnöden Gesetze mit Entrüstung zuruckgewiesen wurde, der ohngeachtet der Sturmpetitionen und der Barrikadentage immer das ehrliche aber auch leichtgläubige Volk durch seine Aalfisch=Glattheit zu täuschen wußte nun so plötzlich und ich möchte sagen mit solcher Stille zu Fall gebracht worden war. Nun in aller Kürze das Faktum. Das Ministerium hatte durch seine Gesetze wie Abfuhr der Depositengelder in die Staatskasse durch sein starres Festhalten an den indirekten Wahlen, deren Frucht wir an den gallitzischen Deputirten sehen, von denen die meisten nicht deutsch verstehen, die in der Kaserne übernachten, und jede Annäherung mit den Worten zurückweisen: sie hätten ihre Edukation, worunter sie Instruktion verstehen, vom Kreis= amte erhalten; durch die jüngst erlassene Geschäftsordnung für den konstituirenden Reichstag, durch den sich immer verschlech= ternden Finanzstand, des Volkes Vertrauen gänzlich verloren, das nun vom Ausschuß für Wahrung der Volksrechte Abhülfe erwartete. Dieser war aber durch mehrere Fragen schon seit länger mit dem Ministerium in Konflikt gerathen, denn als er die Absetzung der Provinzialregierungspräsidenten Grafen Bran= dis und — Thun, alle beide Stockaristokraten und Vollblut= Jesuiten verlangte, gab Pillersdorff die Antwort, daß diesem Begehren, so lange der Hof in Innsbruck weile, nicht zu ent= fernende Hindernisse im Wege stünden; als der Sicherheitsaus= schuß den Herrn Minister an sein gegebenes Ehrenwort erin= nerte, daß die Militätmacht in und um Wien nicht vermehrt werden dürfte, so gab es wieder ungeheure Hindernisse, als der Sicherheitsausschuß forderte, daß den nach Prag geschickten Deputirten Genugthuung für ihre brutale Behandlung von Seite des aufgereitzten Militärs werde, so speiste der Herr Minister den Ausschuß wieder mit lauter Hindernissen ab und so ging es mit allen Fragen, die angeregt wurden. Wahrschein= lich mochte der Herr Minister in dem Sicherheitsausschuß das größte Hinderniß gegen die Ausführung seiner unsauberen Pläne entdeckt haben und er versuchte es daher den Ausschuß durch sich selbst aufzulösen; doch der Mann der ewigen Hindernisse machte die Rechnung ohne den Wirth; der Bruch war voll= ständig. Pillersdorff der Meister im Lavieren rief Dr. Fisch= hof den Präsidenten des Ausschusses zu sich, dieser war aber so klug in Begleitung von 6 Mitgliedern seine Aufwartung zu ma= chen und nun erklärte Herr Pillersdorff was??! Daß er mit den direkten Wahlen, mit dem Einkammersystem, kurz mit al= len Einrichtungen, wodurch die Freiheit des Volkes in Wahrheit gesichert werden kann, vollkommen einverstanden sei. Der Him= mel lasse 9 Tage Pulver regnen, und schlage dann mit seinem Blitze drein. Die Herrn sahen sich erstaunt an, empfahlen sich höflich und statteten im versammeltem Ausschuß Bericht über das ab, was sie gesehen und gehört. Das war zu viel Perfidie, die Heuchelei hatte ihr Maaß erreicht, denn die meisten hatten aus dem Munde des Ministers bei seiner Candidatur ganz an= dere Worte vernommen. Die Versammlung war stürmisch, alle waren entrüstet, doch Erfahrung macht klug und zu oft wieder= holte Täuschung erzeugt das Gefühl des Haßes in der Brust des Gekränkten. Man stimmte ab, ob der Mann, der mit der Freiheit ein so verächtliches Spiel treibt, noch länger Minister seyn könnte, er wurde mit 165 gegen 5 Stimmen verworfen. Augenblicklich begab sich eine Deputation zum Erzherzog Jo= hann mit der Bitte, er möge ein neues Ministerium bestellen. Sr k. k. Hoheit empfing sie mit den Worten „es wundert mich daß sie mit dieser Bitte nicht schon früher gekommen“ und fragte sie auf wem sie das meiste Vertrauen hätten. Die Deputirten verwahrten sich nun gegen Stadion und gegen folgende 4 Mit= glieder des früheren Ministeriums Pillersdorff, Sommaruga, Kraus, Baumgartner. Von Se. k. k. Hoheit wurdenun Dobbl= hoff, der unerschrockene Bekämpfer der Innsbrucker Camarilla mit der Bildung eines Ministeriums beauftragt. Abends trat Erzherzog Johann seine Reise nach Frankfurt an in Begleitung von 6 Deputirten, denn Raveaux liegt krank darnieder. Heil diesem Volksfreunde. Auf die Verfechter für Deutschlands Ein= heit mußte es einen angenehmen Eindruck machen, daß die Na= tionalgarde, vom Burgplatze bis an den Bahnhof aufgestellt war. Beide Divisionen der berittenen Nationalgarde begleiteten die Wägen. Glück auf, euch Kämpfern für unseres gemeinsa= men Vaterlandes Größe, bringt unsern Brudern draußen un= sere Grüße und erzählet ihnen, daß wir stark und einig sind. Ehre auch dem Sicherheitsausschuß, der sein Prädikat für Wahrung der Volksrechte nicht umsonst hat, sondern sich treu der Freiheit und kräftig handelnd bewiesen hat. An demselben Tage war auch eine nordamerikanische De= putation auf der Aula, deren Redner uns der Hochachtung ih= rer freien Mitburger versicherten, uns vom Jubel, mit dem die Kunde von der Erhebung des österreichischen Volkes in New York aufgenommen wurde, viel zu erzählen wußten. Sie brach= ten 8000 fl. C. M. der Universität für arme Studirende zum Geschenke, eben so hatten sie dem Parlament in Frankfurt eine bedeutende Summe fur die deutsche Flotte übergeben. Deutsche Männer bleibt nicht zurück! A. P. Pfefferkörner. Es ist uns aus den Zeitungen bekannt, daß so viel Staatsbeamte beträchtliche Theile ihrer Besoldungen als Opfer auf den Altar des Vaterlandes niederlegen. Unter diese ehrenwerthe Zahl patriotischer Männer, — von denen gewiß die wenigsten ein bedeutendes Privatvermögen besitzen, ist der suspendirte Kreis= hauptmann des Traunkreises Bar. Hohenbruck, der= zeit in Ischl, nicht zu rechnen. Daß er trotz seiner Suspendi= rung vom Dienste seinen vollen Gehalt fortzieht, darüber könnte man allenfalls hinwegsehen, daß er sich aber all monatlich sein nicht unbedeutendes Reisepau= schale auszahlen läßt, obwohl er gar nicht mehr in der Lage ist Dienstreisen zu machen — darüber können Mehrere ihr Erstaunen nicht verschweigen. Verantwortlicher Redacteur Alex. Jul. Schindler; Mitredakteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Sandbök und Haas in Steyr.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2