Zwanglose Blätter, Nr. 34, vom 12. Juli 1848

Mannes dem unsere Hoffnung so lange treu blieb und der sie in vier langen, welthistorischen Monaten nur Einmal erfüllen zu wollen schien; als er — man mußte es annehmen — empört über die Ränke einer volksfeindlichen Camarilla, die uns die Person des Kaisers stahl, laut erklärte, an den Er= rungenschaften des 15. Mai festhalten zu wollen. Leider recht= fertigte der 26. Mai, an welchem die Militärmacht — jeden= falls nicht ohne Wissen Pillersdorff's — zur Entwaffnung der akademischen Legion ausrückte, die schönen Erwartungen nicht und legte die Schwäche oder Gesinnungslosigkeit die= es Mannes für alle Zukunft offen. Die schweren Be= schuldigungen die aber das fliegende Blatt der Ultras auf das Silberhaupt des gestürzten Ministers häuft, sind ohne Beweis auf dasselbe herabgeschleudert — das ist nicht wohl= gethan. Ueberlassen wir es den Feinden der Freiheit in ihrer gelbsüchtigen Nachteulen= wuth über den Glanz der immer höher stei= genden Freiheitssonne in grundlose und anonyme Beschuldigungen, in pöbelhaft Beschimpfungen, in all' jene hirn= und ehr= lose Verächtlichkeiten auszuarten, mit denen gemeine Seelen sich den Schimpf ihrer Nie= derlage erträglich zu machen trachten, uns laßt offen, ehrlich und anständig die Wahr= heit sagen — wir reichen damit aus. Vielleicht kommen die Beweise obiger Beschuldigungen noch nach? Allerdings kann ein Mann von schwachem Charakter leicht verdächtig erscheinen. Eines ist jedoch bewiesen, fehlte es Herrn Pillersdorff nicht an Ehrlichkeit so fehlte es ihm doch ganz gewiß an den Fähigkeiten, an den Kenntnissen, die sein Amt erforderte. Seine oktroy= irte Verfassung vom 25. April, das provisorische Preßge= setz, die provisorische Wahlordnung, die provisorische Ge= schäftsordnung für den Reichstag, ja schon das Faktum daß er letztere als Gesetz gab, statt eine dem versammelten Reichstag als erstes Berathungsstück vorzuschlagen bewei= sen, daß er von der Souverainität des Volkes keinen Be= griff hatte oder keinen haben wollte. In wie ferne die Schritte Pillersdorff's in der That re= aktionäre waren, wie wenig er den Zustand unseres Staa= tes begriff oder begreifen wollte, der sich gegenwärtig in seine Grundbestandtheile aufgelöst hat, die erst durch den Vertrag zwischen dem Volke durch seine Vertreter einerseits und dem Herscher anderseits wieder zu einem organischen Ganzen vereinigt werden können, dieses grundhältig darzu= stellen, soll die Aufgabe unserer nächsten ruhigen Stunden und den Inhalt unserer nächsten Blätter bilden. Für jetzt wünschen wir uns Glück einen Mann vom Staatsruder entfernt zu wissen, der bewußt oder unbewußt der Reak= tionsparthei in die Hände arbeitete. Zur Geschichte des Tages. Wien. (Graf Leo Thun ist noch immer Gubernial=Präsident in Prag.) Es gibt einen Mann in Böhmen, der früher an der Spitze der Ultracze= chen stand, jetzt aber wieder ein guter Deutscher sein will. Dieser Mann, welcher die Wahlen zur Nationalver= sammlung nach Frankfurt nicht ausgeschrieben, welcher frei sinnigen Männern, welche nach Frankfurk gewählt wurden, die Bestätigung verweigerte, welcher bei Errichtung der provisorischen Regierung in Prag äußerst thätig mitgewirkt welcher auch die Wahlen zum hiesigen Reichstage in Böh= men das erste Mal nicht ausgeschrieben, und es jetzt nur gezwungen that, — dieser Herr Graf ist noch immer k. k. Gubernialpräsident in Böhmen. Es zeigt das Belassen dieses Mannes auf seinen hohen Posten jedenfalls nur ein bedeutende Schwäche unseres Ministerpräsidenten. Das Erste, was das Ministerium hätte thun sollen, ist gegen denselben eine Criminaluntersuchung einzuleiten. Es gibt zwei Verbrechen, deren dieser Graf rechtlich angezeigt ist. Das eine steht im §. 52 lit. b., das andere in §§. 85 und 86 1. Th. St. G. Man möge nur bedenken, welche nach= theilige Wirkung das jetzige gute Einvernehmen unseres Ministeriums mit diesem Manne im Gemüthe des Volkes erzeugt. Wenn die großen Beamten ungestraft die Be= fehle des Ministeriums vernachlässigen können, so werden sich die kleinen auch bald dazu bereit finden. Exempla trahunt. Fähige Männer zur Bekleidung dieses Postens gibt es genug; man möge nur einen bürgerlichen dazu er= nennen und nicht unter der Aristokratie herumsuchen; denn diese ist jetzt freilich zu arm, um tüchtige den Freiheitsgeist der Völker verstehende Männer in ihrer Mitte zu zählen. Aus Südsteiermark. Das Resultat unserer Wahlen hat auf den intelligenteren Theil der Bevölkerung einen so peinlichen Eindruck gemacht, daß man in hiesigen Gegenden dem noch nicht eröffneten Reichstag ein sehr üb= les Prognosticon stellt und schon im Voraus an eine bal= dige Auflösung desselben Hoffnungen knüpft. Ohne in dieser Beziehung zu den Kleingläubigen zu gehören, erblickt man dennoch in den so heterogenen Bestandtheilen und der offenbaren Präponderanz wenig intelligenter und theilweise kaum des deutschen Idioms kundiger Rusticaldeputirter, de= ren sich reaktionäre Leiter ohne große Mühe als Spielball bedienen mögen, wenig gedeihliche Elemente, aus denen sich die weiteren Grundlagen eines großen Staatsbaues conso= lidiren könnten. Ein zweiter Umstand verdient alle Auf= merksamkeit der Regierung. Am Agramer Landtage kam in der Sitzung vom 9. Juni das Verhältniß der österrei= chischen Slaven zur Sprache. Wie es voraus zu sehen war, wurde die Motion gestellt, mit den benachbarten sla= vischen Provinzen in einen engern politischen Verband zu treten und diese Bitte dem Wiener Reichstage zu unter= breiten. Nicht genug, mit allgemeiner Begeisterung wurde der Vorschlag angenommen, zu verlangen, daß am Reichs= tage auch slavisch gesprochen werde. In diesem Sinne wer= den bereits Proklamationen an die slavische Nationalitäten Oesterreichs erlassen, um für jenen Plan allseitige Unter= stützung zu finden. Wir danken es den Croaten, daß sie uns einen Blick in Wallensteins Feldlager machen ließen, und sind sehr begierig, wie sich der deutsche Michel in sla= vischen Costume ausnehmen wird, ingleichen zerbrechen wir uns, mit Rückblick auf Swornost und Nationalkongreß,

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