Zwanglose Blätter, Nr. 33, vom 8. Juli 1848

eine Beute der Reaktionäre, als der Republikaner werden — und ich fürchte immer die wahrhaft liberalen mit ihrem edlen Streben nach bürgerlicher Tugend, nach Achtung vor der gesetzmäßigen Majorität und nach einer starken Regierung, werden von den Mißtrauischen nicht gewürdig und verstanden werden. Um einen Beweis zu liefern, wie ein zum Deputir= ten gewählter Bauer seine Stellung und Aufgabe auf= faßt, führ ich hier an, daß Jos. Mitterndorfer von Feiregg, gewählt von dem Wahlbezirk des flachen Landes der in Steyr wählte, in seinergedruckten Proklamation sagt: Die Gegner mögen bedenken: „daß ein Bauer, wenn er am konstituirenden Reichstage unserer guten und gerechten Sache keinen offenbaren Nut= zen bringen kann, derselben gewiß nicht scha= den werde.“ Für einen Deputirten, der uns keinen Nutzen bringen kann, müssen wir doch danken — ob er uns und sich selbst durch seine Unwissenheit und Unerfah= renheit in Staatsgeschäften nicht dennoch schaden werde ist er gar nicht zu beurtheilen im Stande! Ich muß hier bittere Dinge niederschreiben — sie sind aber wahr — und darum schreibe ich sie. Die Bau= erschaft wird mich feindseliger Gesinnungen gegen sie be= schuldigen — mit schwerem Unrecht. Die Hand, — die diese Zeilen schreibt, hat seit Jahren für ihre vernünf= tige Freiheit, so wie für die jedes andern Staatsbürgers mit Unerschrockenheit, mit Verachtung aller Gefahr geschrie= ben; sie hat gegen die Willkühr Mißbrauch übender Beam= ten, sie hat für Volksvertretung und Preßfreiheit gestrit= ten, schwarz auf weiß liegen diese Thaten unwiderlegbar da und alles schmuntzelnde Verläumden, alles Ohrenzitscheln hilft nichts dagegen. Meine Sünden stehen im schwar= zen Buche der verstorbenen Polizei verzeichnet — und ich bin stolz darauf; ob meine Gegner auf ihre Verdienste, die im goldenen Buche derselben Polizei verzeichnet ste= hen, auch so stolz sind, das weiß ich nicht. Der ursprünglich gesunde Sinn unseres Landvolkes ist zweifach irre geführt. Einmal durch ein unbegränztes Mißtrauen, das die Spreu vom Waitzen durchaus nicht sondern läßt, dann durch die unüberlegten Reden einer heißblütigen Propaganda, die als das einzige Erforderniß eines Deputirten zum konstituirenden Reichstage „ein gu= tes Herz“ bezeichneten. Ach — was nützt mir — wenn ich mir eine neue Einrichtung machen lassen will das gute Herz meines Tischlers — wenn er sein Handwerk schlecht versteht. Ich will — ich muß eine gute neue Einrich= tung haben — und in derselben Lage sind wir Alle. Wir müssen eine gute, neue Einrichtung haben, dazu brau= chen wir wohlerfahrene Tischler. Recht, wenn sie ein gutes Herz haben — aber vergeßt ja nicht euch zu be= kümmern — ob sie ihr Handwerk verstehen. Wer nichts gelernt hat, der kann nichts, und wer nie eine Säge in der Hand hatte, sich dennoch der Arbeit anmißt und mir mein Holz verschneidet, den nenne ich gewissenlos! Das ist eine traurige Wahrheit: wenn die Dum= heit einmal den Mund öffnet, schadet sie oft mehr, als ein Weiser, der zehn Jahre predigt genützt hat. So sagte ein si= cherer Doktor der Medizin im Wahlsaale zu Steyr zu ei= nem Bauer, den eben ein achtbarer Bürger über die nothwendigen Eigenschaften eines Deputirten belehrte: „Ei was, wir brauchen keine alten Gesetze, drum können wir auch keinen brauchen, der die alten Gesetze weiß. Wir brau= chen neue Gesetze und die kann der Bauer auch machen.“ Niesewurz für diesen Doktor! Al. Jul. Schindler. Zur Geschichte des Tages. Aus Tirol. Dem Briefe eines Tiroler Freiwilli= gen entnehmen wir folgende merkwürdige Stelle: „Verneh= met den Dank, welchen das Vaterland seinen Söhnen spen= det, die aus der Ferne herbei eilten, um mit ihrem Blu= te die bedrohte Heimath zu vertheidigen. Nachdem wir durch 7 Wochen an den äußersten Marken Tirols gestanden und uns durch unsere musterhafte Haltung selbst das Lob Ra= detzkys erworben hatten, findet es Herr Graf Brandis für gut, uns mittelst eines geheimen Gubernialdekretes un= ter polizeiliche Aufsicht zu stellen, wie gemeine aus dem Zuchthaus entlassene Sträflinge. Wir werden den Mann, diesen tirolischen Siegwart Müller vor der Natio= nalversammlung in Frankfurt in Anklagestand versetzen. Zu= gleich wird uns von glaubwürdigen Männern versichert, daß der Plan gemacht war, uns bei unserer Heimkehr zu entwaffnen und unter die Linie zu stecken.“ — Zu diesem Pröbchen des Tiroler=Regimentes läßt sich passend die Mit= theilung anfügen, die wir so eben vernehmen, daß die ge= wählten Tiroler Deputirten von geistlichen und weltlichen Landesautoritäten verhalten werden zu schwören, für die Beibehaltung der Censur in Tirol und für die alleinige Herrschaft der katholischen Kirche zu stimmen. Auf den Ber= gen wohnt die Freiheit! O bittre Ironie! In Folge der am 3. Jui 5. J. stattgefundene Kat= zenmusik sind die Aeußerungen laut geworden, daß jeder, der daran Theil genommen hat ein Schuft sei, ferner, daß diese ganze Demonstration eine Büberei war. Ich spreche mich hiemit offen gegen eine solche Ansicht aus, und erkläre daß ich, so lange ein konstitutionelles Gesetz diese nicht verbietet, die Theilnahme an einer Katzenmusik für gar nichts Ehrenrühriges erkenne, denn eine Katzenmusik, so lange sie ihre Grenzen als solche nicht überschreitet, ist eine Demonstration zum Beweise des Mißfallens an einer politischen Person und jeder Bürger ist eben so gut da= zu berechtigt, als zum Auspfeifen eines mißfälligen Schau= spielers. Al. Jul. Schindler. Einverstanden mit A. J. Schindler. F. W. Arming. Mit einem Ergänzungsblatt Nr. 10. Verantwortlicher Redacteur Alex. Jul. Schindler; Mitedacteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Sandböck und Haas in Steyr.

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