serem Urtheil! Wie aber — und das ist eine rein mensch= liche Frage — ist der Umstand zu erklären, daß nach ge= schehener Erwägung, in welcher Art die Abreise des Kai= ers erfolgen sollte und der vollen Beistimmung der erz= herzoglichen Familie zu derselben, wenigstens von letzteren durchaus keine Anstalt getroffen wurde, die allernothwen= digsten Reiseerfordernisse und Kleidungsstücke zu verschaffen? Daß hier ein fast an Entblößung streifender Mangel zu Schau gestellt ist, wird allgemein behauptet, von Niemand bezweifelt und von Niemand widersprochen. Mit Recht forscht man, bisher aber erfolglos nach der Grundursache dieser insbesondere für die Person des Monarchen grausam, fast unmenschlich verschrieenen Maß= regel. Sollte sie etwa, im Sinn der Wiederstandspartei dazu dienen, aus den Provinzen die Brandfackel in die Hauptstadt Wien zu schleudern, wenn diese, obgleich der höchsten Regierungsgewalt beraubt, dennoch die Ruhe aufrecht zu halten, und das Eigenthum zu schützen, im Stande wäre! Daß sie beides vermochte, hat der Erfolg bewiesen. Ein solcher teuflischer Plan konnte jedoch nur von einer Teufelsbrut entworfen sein, und vom Kaise in irgend einer Weise geahnt, würde er von ihm vermöge sei= ner unendlichen Herzensgüte und rechtlichen Gesinnung nicht nur mit Abscheu betrachtet, sondern auch durch je= des Mittel unterdrückt sein. Auch dem Erzherzog Franz Carl würde bei seiner bisher bekannten ehrenhaften Hal= tung derselbe als unbedingt verwerflich und schändlich er= schienen sein. Dessenungeachtet steht der gerügte Mangel an noth= wendigen Reiseerfordernissen noch als eine unbestritten Thatsache fest, und soll nach den obgewalteten Umständen hierbei ein absichtliches Verschulden, als unstatt= haft, nicht Platz greifen: welch anderer Ausweg bleibt dann übrig, um in den sich durchkreuzenden Wirren einen Lichtpunkt zu finden, als wieder rückzukehren auf jenes nach Schönbrunn getragenen Gerücht von der in Wien ausgerufenen Republik, und gläubig anzunehmer daß es in seiner gespenstischen Schreckensgestalt die bereits beschlos= sene Abreise des kaiserlichen Hofes zu einer solchen Eile för= derte, daß bei einer völlig eingetretenen Rathlosigkeit jede Nach= forschung unterblieb, jeder helle Blick in die nächste Zukunft owohl, als in die einstige Beurtheilung des gethaner Schrittes und der unausbleiblichen Folgen — selbst der erzherzoglichen Familie unmöglich wurde. Jedenfalls auch wie die Reise selbst, ein beklagenswerthee Ereigniß! Die oben in den erwähnten Artikel „Zur Geschichte des Tages“ enthaltene Frage findet vielleicht in meiner Ge= genfrage und den nachgefolgten Zeilen ein andeutendes Streiflicht, dessen weitere Erleuchtung jeder Nachdenkende in seiner Macht hat. Der Erzherzog fühlt sich wohl vor= läufig eben so wenig berufen als geeignet, in der Reichs= versammlung als Stellvertreter seines kaiserlichen Bruders aufzutreten, und diese erlangte Selbstkenntniß, wenn sie wirklich vorhanden ist, überwiegt bei weitem sein zu dem Deputirten des Wiener Schriftstellervereins Dr. Wildner — der den Vorsatz gehabt, möglich weit in das Innere (sic) des Erzherzogs zu dringen (!) *) — über Volksvertre= tung auf breiter Basis und seine Eifersucht aufdie unange= tastet fortbestehende Heiligkeit (Unverletzbarkeit) des Mo= narchen, kundgegebene Ansichten, von welchen, da sie jede beliebige Ausdehnung und Beschränkung gestatten, weder etwas zu hoffen, noch zu fürchten ist. Fruchtbringender wäre es vielleicht gewesen, hätte Herr Dr. Wildner auf ein ohnehin unfruchtbares Gelüste „Herz und Nieren ei= nes Erzherzogs zu prüfen“ Verzicht geleistet, und dafür ihm meine obige Vorfrage mit dem Hinweis auf die daran sich knüpfenden Folgerungen zur klaren Beantwortung vorge legt. Dr. W. H. Die Resultate der Wahlen. Die bis jetzt bekannt gewordenen Resultate der Wah= len in den Provinzen Ober= und Niederösterreich, in Polen und Mähren zeigen uns das neun Zehntheil der gewähl= ten Deputirten dem Bauernstande angehören. Tirol, die Provinz in der auch unter der alten Regierung der Bau= ernstand die bedeutendste Rolle spielte, hat 19 Deputirte darunter auch nicht einen Bauer gewählt. Durch= aus Männer der Intelligenz, mit Ausname eines einzigen Kaufmannes, der für Roveredo gewählt wurde, lauter Be= amte — ja sogar Juristen!! Ob diese Wahlen darum schon liberale sind, läßt sich noch nicht behaupten, um so weniger, da uns Allen die Parthei bekannt ist, die leider noch verfinsternd in Tirol die Gemüther beherrscht. Ei= nes aber könnten wir Liberale von dieser Partei lernen: eine kluge Organisirung unserer Kräfte lange vor dem entscheidenden Tage. — Eines müssen wir nachah= men: ein eisernes, unverrückbares und unbeugsames Hin= streben nach unserem Ziele — und unser Ziel ist ein ed= les, denn es ist die vernünftige Freiheit. Einigkeit und Muth, so düster auch die Wolken über unserem Haupte, so ungünstig auch die Verhältnisse des Augenblickes, so unverdrossen auch die verläumderischen und anonymen Be= mühungen unserer Gegner sein mögen. Einigkeit, Ver= ständniß, gegenseitiges Vertrauen und deutschen Muth und nie und nirgends wird es geschehen können, daß ir= gend ein schwänzelnder Wohldiener hoher Namen, irgend eine bestochene, schmutzige Seele einer freigesinnten Bevöl= kerung einen Candidaten auf den Nacken intriguirt — ei= nen Candidaten, dessen Wähler sich nachträglich ihrer Wahl nicht zu rühmen wagen, — einen Candidaten, der früher nie aus der Höhe seiner Diätenklasse niedergestiegen war an den Herd des Bürgers. Die Wahlen für Oberösterreich sind im Ganzen schlecht ja verderblich ausgefallen. Fast lauter Bauern wurden gewählt und das ist schlimm für sie selbst. In den Staatskünsten unerfahren nur der Robot= Zehent= und Finanzfrage ihre ausschließende Aufmerksamkeit widment — werden sie in der Abstimmung der wichtigen Verfa= sungsfragen ein Spielball sein jener Partei, der sie eber in die Hände fallen. Ihre Stimmen können eben so leicht *) S. Wiener Zeitschrift No. 123. 19. Juni 1848.
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