Zwanglose Blätter, Nr. 32, vom 5. Juli 1848

Jahr in ihren bestehenden Rechten gewaltsam geschmälert und sie so, nach und nach landesgesetzwidrig fast ver= nichtet. Nach unserem Toleranzgesetz sind gemischte Ehen christlicher Confession unbedingt zu trauen. Nach 70 Jahren fand die Geistlichkeit für gut, diesem Gesetze nicht mehr zu gehorchen, — die Partheien wandten sich auf ge= setzmäßigem Wege an ihre Obrigkeiten, und was thater diese, nähmlich unsere Regierung? — Sie gab keine Ant= wort. Sie hat zwei Gesetze zugleich gebrochen, einmal daß sie auf Klagen die schuldige Erledigung ver= sagte, das anderemal, daß sie sich an den Umsturz der ge= setzlichen Ordnung von Seite eines einzelnen Standes mit= betheiligte. Wir besaßen ein Censurgesetz wohl ein sehr drückendes, jedoch wir besaßen es, und zwar seit vielen Jahrzehnten. — Hielten sich unsere Censurstellen an dieses Gesetz? Nein; sondern an die geheimen Befehle des Gra= fen Sedlnitzky, als oberste Censurbehörde; .... auf die demüthige Vorstellung unserer Literaten an die Regierung, sie gegen diesen abscheulichsten Mißbrauch zu schützen, kam — keine Antwort; dafür eine Besoldungserhöhung der Censoren! (und eine Verstärkung, die Censurbehörde und neue Verationen). Genug der Beispiele der empörendsten Mißachtung der bestehenden Gesetze von Seite der gestürzten österreichischen Regierung. Je= der in seinem Kreise kennt deren noch mehr als genug, und nur der empörendste Preßzwang verbarg es bisher der Welt; — dabei erkühnte sich das Metternichsche Sy= stem das „Justitia regnorum fundamentum“ zur Devise anzunehmen, — diese Regierung wagte sich eine konserva= tive zu nennen, sie, die die Gesetze nur dann kannte, wenn sie sich ihrer zum eigenen Nutzen bedienen konnte, und aber über alle Schranken derselben aufs schamloseste hinwegsetzte, sobald sie es im Interesse einiger bevorzugten Adelsfami= lien fand; sie, die ihre maßlose Gewalt tagtäglich zur Un= tergrabung und zum nicht plötzlichen aber langsam stets fortschreitenden Umsturz aller bürgerlichen und po= litischen Freiheit — mißbrauchte, ja bis zum qual= vollstem Drucke steigerte; . . . . das Wort Conservatis= mus ist im Munde einer solchen Regierung eine starre Unwahrheit, — ein lügenhafter Deckmantel der Beraubung einzelner Stände wie einzelner Individuen zum unerlaubten Vortheil der Gewalthaber, . . .. das war die revo= lutionäre Regierung von oben herab! Die Regierung, die ihre Gewalt auf das Unver= antwortlichste zum willkührlichen Umsturz jeder im Staat vorhandenen gesetzlichen Ord= nung jeden Augenblick zu mißbrauchen sich nie und nirgend scheute! Die schon lange währende Revolution der k. k. österreichischen Regierung rief endlich das männliche Auf= treten der Wiener Studenten hervor. Es war der endliche Ausbruch der lang verhaltenen Verzweiflung; aber es war kein Aufruhr, es war ein sich zur Wehre setzen, — die Studenten verlangten nichts anderes als „Achtung vor den Gesetzen“ — Herstellung einer guten Lan= desvertretung und geregelte Preßfreiheit, —Beides zu for= dern waren wir nach Gesetz und Bundesakte berechtigt. Sie waren, als sie dieses verlangt, unbe= waffnet, ihr Auftreten der revolutionären Regierungskekheit gegenüber war also im eigentlichen Sinne des Wortes nicht und nirgends revolutionär, —es war eine War= nung gegen die Staatsgewalt sich zu mäßi= gen, und in die Schranken der Gesetze zurück zutreten. Man antwortete hierauf brutal genug mit Flintenkugeln, — auch wieder ein gesetzwidriger Mißbrauch der Gewalt, — nur das Blutvergießen durch die Regierungstruppen war revolutionär, nicht die ursprüngliche Haltung der Studenten. Man darf auch nicht sagen, daß aus dem, was anfangs Selbstvertheidigung war, späterhin Revolution geworden sei. Wie freudig dankbar waren die Studenten, als die Regierung ihnen auf ihre Forderungen Versprechungen machte, die genügsamen jungen Männer, sie waren zufrieden mit dem, daß die Regierung versprach, die Versprechungen zu halten, welche uns schon seit 30 Jahren durch die Bun= desakte gegeben worden. In der That, unsere Studenten waren sehr genügsam; keine Revolution, so weit die Welt= geschichte reicht, hat je die Bescheidenheit so weit getrie= ben, wie die Wiener, — jeder muß es einsehen, der die Hergänge mit der Geschichte der letzten 60 Jahre vergleicht. Und wie benahmen sich dann unsere Regierungsmän= ner, nachdem die Versprechungen geleistet waren? Durfte man ihnen trauen . . ..? Man erwartete die Einberu= fung des österreichischen Parlamentes, aber Wochen um Wochen, ja Monate vergingen undes erschien nicht einmal ein Wahlausschreibung . . . . dafür ein Preßgesetz, das wieder allen Elementen der Bedrückung die Thore öffnete, — end= lich ein Verfassungsedikt, statt einer mit dem Lande in Uebereinkommen abgeschlossenen, einer von oben gegebenen Constitution, . . . . man gab, was man nicht empfangen wollte; spielte das Zuvorkommen, um damit soviel für die privilegirten Stände zu bergen, als nur immer möglich war, schob eine erste Kammer ein, welche die Landesvertretung dem Belieben der bevor= rechteten Stände in die Hände lieferte. War das nicht ein neuer Bruch der gegebenen Verheißungen? War das nicht wieder ein Mißbrauch der Gewalt zum Bruche des Gesetzes? War es also nicht abermals ein Handlung revolutionären Charakters von oben herab? Und war es den Studenten zu verargen, wenn sie nun aufs Neue gährten, wenn sie von Verrath sprachen, wenn sie sich in Komités vereinigten, berathschlag= ten, beschlossen, petitionirten? Und war es ihnenzu verargen, daß sie endlich, als ihre Petitionen unbeantwortet blieben, auf= kochten, sich zum Widerstande schaarten, waffneten und den 15. Mai machten, wo sie in Sturm geriethen und mit Gewalt Ant= wort und Recht begehrten? Wer hat sie dazu gebracht, etwa ihr aufrührerischer Charakter? Keineswegs; — man hat sie methodisch hingetrieben .... Der 15. Mai war

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