Zwanglose Blätter, Nr. 31, vom 1. Juli 1848

Städte= und Landschafts=Bilder mit Figuren aus unsern Tagen. 3. Berlin. Berlin, vor Kurzem noch die glänzende Königstadt mit der bunten Kriegerfülle, der stolzen Aristokratie und der hochmüthigen Bureaukratie, hat ganz sein früheres Aus= sehen verloren, denn es ist eine Volkshauptstadt geworden, in der man statt der prächtigen Equipagen nur bürgerlich Droschken, statt der Garde einfache Bürgerwehr sieht. Alle Getreuen des Hofes sind in dem preußischen Versailles in Potsdam vereiniget. Diese Stadt und ihre nächste Um= gebung wimmelt von Soldaten, das Schloß ist überfüllt, alle Wohnungen der Stadt sind besetzt von Gästen; glän= zende Equipagen, Reiter und Fußgänger beleben die sonst so stillen Strassen und die schattigen Kais der Kanäle. Das freundliche Schloß „Sorgenfrei“ (Sanssouci) aber sollte jetzt „Sorgenvoll“ heißen; denn dumpfe Gerüchte halten die „Getreuen“ in beständiger Spannung. Im Volke glaubt Niemand daran, im Schloße zu Potsdam aber werden sie geglaubt und alle Eingänge und Treppen alle Corridore und Thüren starren von Wachen. Den König sah ich nicht, sagt ein Reisender; wer vermöchte ihm aber Mitgefühl zu versagen bei so tiefem plötzlichem Sturze von so schwindelnder Höhe der stolzesten Macht? — Im Schatten eines einsamen Laubganges sah ich in tiefer Trauerkleidung eine hohe Frauengestalt wandeln, — die Prinzessin von Preußen, die seit zwei Monaten Leid trägt um den verbannten Gemal. Der Greis ihr zur Seite ist Alexander von Humbold. Welchen Trost mag sie von ihm empfangen in ihrem Schmerze? In der Nähe von Babelsberg, wo das Sommer= schloß des Prinzen von Preußen steht, sprengte ein schlan= ker Jüngling auf muthigem Rosse durch den Park der Höhe zu, — der Sohn des Prinzen von Preußen, vielleicht noch vor seinem Vater bestimmt zum Throne. Die glückliche Sorglosigkeit der Jugend malte sich auf seinem Gesichte. Wiener Tagsberichte. Wien am 27. Juni 1848. „Obgleich unsere Deputirten für den Reichstag noch nicht gewählt sind, so sind gerade aus der entferntesten Provinz aus Galizien nämlich (schon 51) darunter 24 Bauern eingetroffen. Ich bin neugierig wie Letztere, welche kaum der deutschen Sprache mächtig sind, sich bei der Reichsversammlung benehmen werden. Man spricht, daß bis zum 6. Juli der Reichstag sicher beginnen werde. Heute hielt Erzherzog Johann über die hiesige Gar= nison Revue auf dem Glacis, und morgen findet sie eben daselbst über die sämmtliche Nationalgarde statt. Die auf der Rückreise von Innsbruck begriffenen kroatischen Deputirten kamen gestern hier an, und wurden im feierlichen Zuge auf die Universität geleitet. Die Wie= ner halten also die Kroaten für keine Rebellen, obgleich sie sich von ihrem Mutterlande losreißen wollen. Sie se= hen ein, daß indem diese dem Könige von Ungarn den Gehorsam versagen, dem Kaiser von Oesterreich treu und den Interessen eines großen Oesterreichs förderlich sind (?) Wenn Ungarn, wie es allgemein heißt auf eigene Mi= nister des Krieges und der Finanzen verzichtet, so haben wir hiedurch viel gewonnen und dürfen uns dafür nur bei den Kroaten bedanken, denn die Folgen dieser zwei von Oesterreich getrennten Ministerien waren zu fühlbar, als daß wir nicht für die ganze Monarchie eine gemeinschaft= liche Verwaltung der Finanzen und die Centralisation der ganzen Militärmacht unter ein Commando sehnlichst zurück wünschten.“ Wir erlauben uns diesem Briefe unseres geehrten Correspondenten einige Bemerkungen anzufügen. Die kroa= tische Bewegung wird von vielen Seiten als eine re= aktionäre bezeichnet. Das Volk längst wund vom Drucke der Großen, will gewiß nirgends gegen die neue Freiheit reagiren. Gleiches darf man aber von seinen Führern nicht behaupten. Jellachich, Thun, Windischgrätz, Laczans= ky dürften so ziemlich auf gleicher Linie stehen. Mit der kroatischen Bewegung wird es wohl dasselbe Bewandtniß haben, wie mit der czechischen. Diese ist gegen das frei= sinnige Volk der Deutschen, jene gegen das freisinnige ma= gyarische Volk gerichtet, beide sind geleitet von Aristokra= ten, offenbar begünstiget von der Camarilla. Mehrere öf= fentliche Blätter haben die Nachricht gebracht, Jellachich habe erklärt, er habe nichts ohne Mitwissen des Erzherzog Franz Karl, des Gemals der Erzherzogin Sofie, un= ternommen. Das ist freilich darum noch nicht bewiesen aber auch nicht einmal noch widersprochen. Jellachich wird als Hochverräther an den Hof nach Innsbruck berufen, dort mit Rührung empfangen, kehrt frei und als Banus zurück und beruhigt in des Kaisers Auftrag das Volk Kroatiens, Slavoniens und Dalmatiens! Wie hängt das zusammen? Die rechte Oeffentlich= keit herrscht in unseren Staatsgeschäften noch lange nicht und sie werden noch lange nicht in einer Art und Weise betrieben, daß sie die Oeffentlichkeit nicht zu scheuen hätten. Die Slaven unseres Kaiserstaates mögen sich recht sehr vor ihren hoch= und höchstgebornen Freunden hüten. Es dürfte diesen wohl um ein slavisches Reich, aber nur darum um ein solches zu thun sein, um unter dessen Schilde in die goldenen Tage des paradisischen Absolutis= mus zurück zu kehren. Absolutismus ist aber für den Herr= scher unbeschränkte Herrschaft, folglich für den Unterthan unbeschränkte Knechtschaft. Die Kroaten mögen sich ein Beispiel nehmen an den Czechen. Als es der Reaktion nicht gelang mit ihnen zu siegen, so wurde Böhmens schöne uralte Hauptstadt von dieser bombardirt, und so mußten die Leiber und das Eigenthum der Czechen dazu dienen, die Militärgewalt wieder einmal zu Ehren zu bringen. Wenn die Völker Oesterreichs, gleich begeistert für die Freiheit, wie sie sind, sich eng an einander schlössen und keinen Ein= flüsterungen Gehör gäben, dann würden sie sehen, daß ihr Feind ein kleines, im Capua des Absolutismus entnervtes Häufchen ist, grollend zerstreut in den Vorzimmern der Burg zu Innsbruk und in den Badelogis von Ischl. Veranwortlicher Redacteur Alex. Jul. Schindler; Mitedacteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Sandböck und Haas in Steyr.

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