Zwanglose Blätter, Nr. 31, vom 1. Juli 1848

aufgefaßt, sind nun die Innungen und Zünfte; daß sie wie alle menschlichen Vereine, mehr oder weniger vollkom= men entstanden, im Laufe der Jahrhunderte zur Entartung gekommen sind, benimmt der Güte der Sache nichts, wenn sie ein neuer belebender Gedanke zur Verjüngung ins Le= ben ruft. Gold bleibt Gold; wenn es unrein geworden, muß man es umschmelzen von den fremden Bestandtheilen rei= nigen. Für die Gewerbe soll ein bestimmter Umfang die Ausübung der Gegenstände auch allerdings festsetzen, dabei aber ist die zu große Zersplitterung des Gewerbes in Ein= zeln=Gewerbe zu vermeiden, vielmehr auf Vereinigung der verwandten Gewerbe hinzustreben. Die Gewerbe und Innungen sollen in ihrem Innern insbesondere was Vermögensverwaltung, Sorge für Arme Kranke ec. betrifft, den Gemeinden in selbstständiger Ver= waltung gleichgehalten, und die Staatsverwaltung nur das nothwendige Recht der Aufsicht haben. Störungen in Ausübung der Gewerbe soll eine künftige Gesetzgebung hindanhalten, damit jedem in einem Erwerbe der nöthige Schutz zu Theil werde. Der Beruf der neu konstituirenden Innungen ist vor= züglich für eine tüchtige Gewerbsbildung Sorge zu tragen, und dieß fordert, daß die Innungen sich von der Abge= schlossenheit des Stadt= Markt= und Pfarrbezirkes losma= che, in großartige, ganze Kreise und Provinzen umfassende Vereine zufammenthun; dann sind sie befähigt unter einem Ministerium für Handel und Industrie ein wohlgeordnetes Ganzes zu bilden, das die Bedürfnisse der gesammten Ge= werbe von unten nach oben geleitet zur Kenntniß des Mi= nisteriums zu bringen weiß, dagegen aber auch befähigt ist, von oben nach unten durch das Ministerium die Einwir= kung der Fortschritte in Gesetzgebung, Wissenschaft und Gewerbe aufzunehmen und bis in die fernsten Verzweigun= gen des Gewerbewesens zu leiten. Polytechnische Schulen als allgemeine Bil= dung zu Gewerben. Unverkennbar ist es angezeigt, daß die Innungen in ein richtiges Verhältniß mit Gewerbsschulen, Realschulen und polytechnischen Schulen zu treten haben. Hiedurch würden letztere mehr praktisch, für den Geschäftsmann schätzbar werden, erstere aber veranlaßt, sich nicht an das Handwerksmäßige, allein zu halten. Sie würden die Nei= gung gewinnen, bei Ausübung der Gewerbe auf wissen= schaftliche Grundsätze und Erfahrungen Bedacht zu nehmen, ein Vorgang, bei welchem der Erwerbsstand an Einsicht, kernhafter Bildung und gründlicher Geschicklichkeit gewin= nend, seine bürgerliche Stellung jedenfalls verbessern müßte. (Fortsetzung folgt) Zur Geschichte des Tages. Metternichs Privatverhältniß zu Rußland. Nachstehende Erzählung der Sonntagsblätter mög= man beherzigen und erwägen, welche Tage des Volksver= rathes die reaktionären Wühler wieder herauf zu beschwö= ren bemüht sind. Als Kaiser Alexander sich zur Abreise vom Kongresse anschickte, machte er dem österreichischer Staatskanzler den Antrag, nebst dem Kourierwechsel der Kabinete auch eine freundschaftliche nichtpolitische Privat= korrespondenz zwischen ihnen beiden in Gang zu setzen, zu deren Kostendeckung der Fürst jährlich fünfzigtausend Du= katen annehmen möge. Metternich dankte für diese He= rablassung und Gnade, meinte jedoch, er könne in ein ähn= liches Verhältniß ohne Vorwissen seines Monarchen nicht treten. Auf seine Anzeige schien Kaiser Franz anfangs be= troffen, und antwortete trocken, er wolle über den Gegen= stand schlafen; am andern Tage jedoch sagte er: „Hören Sie, Metternich, ich habe mir die Sache überlegt. Ver= bieten könnte ich Ihnen die Korrespondenz am Ende doch nicht, und bei der freundschaftlichen Beziehung unserer Ka= binete könnte eine solche Korrelation eher nützlich als schäd= lich sein, denn ich halte sie für einen ehrlichen Mann. Nehmen Sie also den Antrag an.“ In diesem Ver= hältniß stand Metternich bis zu Alexanders Tode. Nach der Thronbesteigung des Kaisers Nikolaus ward dieses Verhältnisses keiner Erwähnung gethan. Es trat zwischen den beiden Kabineten eine ziemliche Kälte ein, welche so weit ging, daß den mit der Bekomplimentirung beauftrag= ten Erzherzog Ferdinand unter Weges eine diplomatische Krankheit überfiel. Die Spannung nahm immer zu. Da erhielt Metternich ein Schreiben vom Czaar, in welchem er sich entschuldigt, erst jüngst zur Kenntniß jenes freund= chaftlichen Verhältnisses gelangt zu sein, welches zwischen dem Fürsten und seinem sel. Bruder bestanden. Es sei sein innigster Wunsch, daß der Fürst jene Anhänglichkeit auch auf ihn übertrage und ersuche ihn um Fortsetzung jener Correspondenz, zu deren Deckung Metternich fünf= und siebzigtausend Dukaten genehmigen möge. — Diesen Sold bezog Metternich bis zum 12. März l. J. Er liefert den Schlüssel zur österreichisch=russischen Politik in Bezug auf die Donaufürstenthümer, Serbien und Kroatien, der türkischen Krieg und Friedensschluß, vorzüglich aber auf die Donaumündungen. Was Metternich für jeden einzel= nen Hochverrath als Sündenlohn bekommen, ist eher zu vermuthen, als zu berechnen; er mag wohl nicht geringer gewesen sein, als die systematisirte Prozentuation bei jedem Staatsanlehen und jene endlose Reihe von Unterschlagungen öffentlicher Gelder, die nebst der heillosen Staatsverschwen= dung und Unterstützung des Absolutismus in allen Welt= gegenden endlich jene Finanznoth herbeiführte, die Oester= reich zu erdrücken droht, nachdem dessen politischer Einfluß im Orient vollkommen vernichtet ist, durch einen Hochver= räther, der größeres Uebel über die Monarchie gebracht, als die Türken, Gustav Adolf und Napoleon zusammen= genommen.

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