Zwanglose Blätter, Nr. 31, vom 1. Juli 1848

Ordnung haben gesiegt — Fürst Windischgrätz sagt: "Wir haben gesiegt“. Das müssen wir uns merken. Auch außer dem Lager des liberalen Fürsten Win= dischgrätz finden wir Männer, die sich vom Volke abseits stellen — die sich selber nicht zum Volke rechnen. So er= schien unser Landesgouverneur Skrbensky, als die Wiener Deputation dem Volke Oberösterreichs eine deutsche Fahne und eine Adresse überbrachte, bei der ganzen Feierlichkeit weder an der Spitze noch in den Reihen des Volkes. Rech= net er sich auch nicht zu uns? Will er zu jenen stehen, die die Revolution besiegte? Wir haben unsere Bruder= hand schon so oft ehrlich hingehalten, warum haben die an= dern „Wir“ noch immer nicht eingeschlagen? Zum Schluße auf die denkwürdige Antwort des Für= ten Windischgrätz noch eine Frage: „Stellen Sie die Re= volutionen von Paris, Neapel, Berlin und Wien in eine Reihe mit der Revolution in Prag und etwa der in Car= lowitz? Ihre Antwort — Fürst — ist schwer anders zu deuten. Merken Sie sich Ihre Worte, Sie dürften bald Zeit finden „fern von Aranjuez“ darüber nachzudenken. Grundlinien einer zeitgemäßen Gewerbege= setzgebung. Dem Landmanne verbürgt die möglichst frei Benüt= zung von Grund und Boden das gesegnete Aufblühen einer Zukunft, aber eine maßlose Zerstückung der Grund= stücke müßte trotz allen Fleißes seine gewisse Verarmung zur Folge haben. Das einzige Mittel zur Erhaltung eines kräftigen Bürgerstandes liegt in der Sicherung vor Entwerthung seiner Arbeitskräfte durch schrankenlose Gewerbsvermehrung. Bauernwirthschaft, nicht Taglöhnerwirthschaft bedingt guten Landbau, der Betrieb der Gewerbe durch Meister mit Gesellen, nicht aber die Vereinzelung in Gesellen=Stu= ben frommt der Industrie. Die für den Gewerbsmann nöthige Sicherung seiner Arbeitskräfte ist nur in dem richtigen Verhältnisse seiner Erzeugnisse mit dem Bedarfe zu finden. Wo mehr erzeugt wird, als man bedarf, ist Arbeit und Mühe in dem Verhältnisse verloren als der Bedarf unter der Menge des Erzeugnisses steht. Wo die Ueber= zahl der Gewerbe so groß ist, daß nicht alle genügende Arbeit zu ihrer und der Familien Erhaltung finden kön= nen, wird jener Kampf um die Selbsterhaltung hervorge= rufen, der in jedem Gewerbsgenossen einen Feind auf Tod und Leben erkennt. Wir haben den Krieg Aller gegen Alle um des täglichen Brodes wegen. Die Quelle dieses bedauernswerthen Zustandes kann nur in unbeschränkter Anwendung des Grundsatzes freier Konkurrenz in Gewerbssachen gesucht werden, in Freige= bung der Gewerbe. 1. Gewerbs=Freigebung ist nicht erwünscht. Gewerbsfreiheit, unbedingt ohne alle Bürgschaft für erlangte Tüchtigkeit, gefährdet zu sehr alle Interessen um auf Anempfehlung rechnen zu können. Aber auch jene Ge= werbsfreiheit, bei welcher lediglich erlangte Gewerbstüch= tigkeit als Bedingung der Gewerbs=Erlangung bestände, muß dem allgemeinen Besten nachtheilig sein, und es muß sich dagegen ausgesprochen werden. 2. Schranken der Gewerbs=Verleihung sind nothwendig. Beschränkung der Gewerbsverleihung ist eine heil= same Nothwendigkeit, gebothen durch dieselben Rücksichten, welche jede vernünftige Freiheit dem Gesetze unterordnet. Um des Bestandes der Gewerbe selbst wegen, zum Besten der bürgerlichen Gesellschaft müssen Schranken gesetzt wer= den, welche den Antritt jeden Gewerbes bedingen. Einer= seits müssen die Gewerbe ihr Gedeihen und Fortschreiten finden, andererseits muß die bürgerliche Eristenz der Ge= werbtreibenden nach dem unabänderlichen, höchst wohlthä= tigen Gesetze für alle bürgerliche Gesellschaft gesichert sein, welches den Lohn nach dem Maße der geleisteten Arbeit verheißt. Diesen beiden Anforderungen der Gerechtigkeit kann nur genügt werden, wenn für vollständige Erlernung des Gewerbes gesorgt, wenn die nöthige Anzahl von Gewer= ben einer Gattung für einen bestimmten Bedarfsumkreis ermittelt wird. Die Bedingungen, also auch die Schranken der Ge= werbsverleihung sind Gewerbserlernung, d. i. persönlich Tüchtigkeit und dann Bedarf eines Gewerbes, d. i. säch= liche Nothwendigkeit. Ein Gewerbe kann nur jener Person verliehen wer= den, die sich hiezu tüchtig bewährt hat, und es kann nur dann dem tüchtigen Manne verliehen werden, wenn der Bedarf einer bestimmten Bevölkerung dieß fordert. Diese beiden Bedingungen der Gewerbsverleihung sind allgemein gültige, und die Unterscheidung zwischen Commerzial= und Polizeigewerben fällt als durchaus un= brauchbar hinweg. 3. Erlernung der Gewerbe. Bedarfs=Aus= mittlung. Die Erzielung vollständiger Erlernung eines Gewer= bes, die Prüfung der erlangten Fähigkeiten ist Sache der Gewerbe, Innungen, Zünfte selbst, weil sie hiezu die beste Befähigung besitzen. Die Ausmittlung des Bedarfes hingegen ist Sache der Gemeinden. Nur wo die Gewerbe die Tüchtigkeit des Be= werbers und die Gemeinden die Nothwendigkeit eines Ge= werbes anerkennen, wird die Verleihung eines Gewerbes stattfinden können. Gewerbe und Gemeinde stehen sich ge= genüber als Erzeuger und Abnehmer, dieser Stellung sagt es zu, daß erstere über Fähigkeit der Person, die letztere über Nothwendigkeit des Gewerbes zu sprechen hat. 4. Gewerbs=Erlernung. Die Leitung der Gewerbsbildung von den Gewerben ausgehend, setzt die Einigung der Gewerbs=Inhaber zur Erzielung dieses so gemeinnützlichen und edlen Zweckes voraus. Innungen, jedoch vollständig umgebildet und untergeordnet dem Ministerium für Handel und Industrie. Diese Vereine, in dem wahren und guten Sinne

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