Zwanglose Blätter, Nr. 30, vom 29. Juni 1848

Der neutrale Badeort Ischl Ein Herr Doktor K. im Abendblatte der Wiener Zeitung Nr. 82 nennt in einem Willkommen an den Prin= zen Johann Ischl einen neutralen Badeort! Das ist der treffendste Witz, den die Wiener Zeitung gemacht hat, seit die beiden Morize, die sie leider redigiren das Licht der Welt erblickt haben, welche sie nun und nimmermehr ver= tehen. Neutrales Ischl! höre auch die Schweiz ist neutral. Was ist in der neutralen Schweiz geschehen? Dort wurden Jesuiten genährt, beherbergt und in alle Länder entsendet, dort wurde den Narren, Schurken und Taugenichtsen al= ler Welt Obdach gegeben, damit sie die Fackeln des Bür= gerkrieges für alle Länder vorbereiten konnten, von dort wurden Truppen gesendet nach Neapel, damit der falsch Bourbon auf der Toledostrasse die junge Freiheit morden könne — das alles ist in der neutralen Schweiz gesche= hen. Und Ischl? — Ischlisteinneutraler Badeort! Zur Geschichte des Tages. Wir haben es in diesen Blättern schon einmal als ein dem öffentlichen Wohle sehr nachtheiliges Ereigniß bezeichnet, daß der Kaiser den konstitutionellen Reichstag in Wien nicht in Person eröffnet. Der schlichteste Mann aus dem Volke theilt unsere Ansicht und nur die reaktio= nären Wühler und Kannengießer wagen es noch zu be= haupten, daß der Kaiser wohl daran thue, Wien noch lange nicht zu betreten. Der Heiland dieser Männer ist Fürst Win= dischgrätz und die Freiheit drückt sie so peinlich wie freie Männer die Knechtschaft. Zöge doch der Kaiser nach Wien. Seine Gegenwart stiftete in der Residenz und we= nigstens in allen deutschen Provinzen den Frieden und die gerechte Furcht vor einer Winkelregierung, vor jesuitisch= aristokratischer Reaktion müßte schwinden. Oder verdient Wien, das seinen Kaiser liebt und immer offen und ehrlich auftritt, das obendrein der Sitz der rechtmäßigen Regierung ist, nicht den Vorzug vor jenen Kreisen von Tirol, die gegen den kaiserlichen Befehl es wagen die Jesuiten und Liguorianer noch immer prassend und Zwietracht säend, in ihrer Mitte zu erhalten. Der Kaiser komme nach Wien, noch erwarten ihn dort Blummenkränze — aber das Schick= sal schüttelt gewaltige Lose in seiner verschlossenen Urne. Wie widersprechen sich doch die Nachrichten aus Inns= bruck? Der Kaiser ist krank, kann in dieser bedenklichen Lage den Thronfolger seinen Bruder nicht von der Seite lassen — gleich darauf ist die Krankheit wieder unbe= deutend, und der Kaiser, heißt es, kommt recht bald nach Ischl. Die mährische Deputation kann er nicht empfangen, gleich darauf wird mit dem gewaltigen Banus Jellachick unterhandelt! Statt des Prinzen Franz Karl kommt der Prinz Jo= hann als Stellvertreter des Kaisers zur Eröffnung des Reichstages nach Wien! Schwer fällt uns aber das Bedenken aufs Herz, warum eigentlich der Erzherzog Franz Carl, der natürli= che Nachfolger des Kaisers, nicht auch jetzt sein Stellver= treter ist. Gäbe es einen besseren Moment, sich die Sym= pathien des Volkes zu erwerben, als den jetzigen? Welche große Gewährleistung gäbe uns die Gesinnung des Vaters für den Sohn, den wir leider vom Grafen Bombelles er= zogen wissen. Es ist nicht gut, daß der Prinz Franz Carl sich selbst außerhalb der Schranken stellt, wo er die mäch= tigsten Sympathien für sich erobern könnte. Wer hinderte daß er nicht kommt? Gewiß kein Mißtrauen seines kai= serlichen Bruders. Die Kammerilla? Ueber einen freien Mann darf sie keine Macht haben. Die angegebene Kran= kenwärter=Sorge ist kein ausreichendes Motiv. Wir be= grüßen jedenfalls, wenn wir unser Befremden hier aus= drückten über das Nichtkommen Franz Carls, die Ankunft des Erzherzogs Johann, und wollen hoffen, daß er, volks= thümlich, wie er sich stets zu machen strebte, uns auch durch eine große That eine Gesinnung zeigen werde, welche vielleicht geeignet ist, sein greises Haupt zu verklären. Er hat seine Zukunft in der Hand. Wir hier in Steyr haben von diesen Prinzen viele Versprechungen vernommen, deren Erfüllung wir noch im= mer mit Sehnsucht erwarten. Vielleicht kommt jetzt nach so vielen Leiden der Tag der Freude. Segen und hei= ßen Dank jedem, an dessen Hand er heraufzieht! Die Republik Venedig hat die französiche Republik um Hilfe angegangen. Wird diese Hilfe mit bewaffneter Hand oder im Wege der Unterhandlung geleistet werden? Baiern läßt 20000 Mann Hilfstruppen nach Ita= lien marschiren. Kommt dieses Armeekorps als Bundes= hilfe zum Schutze des deutsch=österreichischen Gebietes, oder soll es den Krieg des Kaisers von Oesterreich mit seinen ungetreuen italienischen Provinzen zu Ende bringen helfen? Jedenfalls Dank den braven Baiern. Städte= und Landschafts=Bilder mit Figuren aus unsern Tagen. 1. Paris. Für das zarte Geschlecht bemerkt ein Engländer, der sich gegenwärtig in Paris aufhält, sind dies in der That harte Zeiten, die schönen Geschöpfe schmachten in Einsam= keit und Abgeschlossenheit von der Welt und keine einzige denkt ans Heirathen. Auf den wenigen Bällen — in der That werden sie immer seltener — werden die Herren sehr vermißt; ein schwarzer Frack muß oft zwanzig Damen be= friedigen. Von den Soiréen, die ebenfalls nicht zahlreich sind, gilt das Nämliche, die daran theilnehmenden Herren reichen oft kaum für die Damen vom Hause hin. Selbst in den Theatern fehlen die männlichen Zuschauer. Früher

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