Zwanglose Blätter, Nr. 29, vom 25. Juni 1848

auf die Leute schießen ist doch etwas infam und imperti= nent. Eine halbe Stunde war zum Dorf, wo das Dampf= boot landete, und bald sahen wir piemontesische Chavalle= rie mit Fußgängern dasselbe besetzen. Da es noch Tag war, wurde es Freiwilligen überlassen, dasselbe zu nehmen worunter auch Eduard und ich mit 20 anderen Schützen nebst 20 Badnern waren. Wir besetzten die beiden Seiten und die Badner drangen auf der Strasse vor. Wir hatten hinter den Mauern der Oehlgärten eine Masse Köpfe ge= sehen, wir schliechen dahin, und siehe da, als wir hinkamen alles leer, alles verschwunden, die Hausthüren und Fen= sterläden verschlossen, welche jedoch bald mittelst Steinen gesprengt, und die Häuser visitirt wurden. Kein Mensch war zu finden, und alles zum Teufel gegangen, wahrschein= lich hat sich alles 2 Stunden weiter, wo das erste piemon= tesische Picket steht, zurückgezogen, wie es Nacht wurde, kehr= ten wir zurück, nachdem wir ein älteres Kälbelein oder wenn du willst eine jungfräuliche Kuh zum Mitspazieren eingeladen hatten, da wir alle todesmatt und hungrig wa= ren, die Leute im Wirthshaus jedoch wahrscheinlich alles versteckt, oder wirklich nichts hatten. Wasser war keines am Wege als das Seewasser zu finden, das so warm war wie halbgesotten und den Durst noch reizte. Wein war in Masse da, und obwohl stark getrunken wurde, war er doch nicht im Stande einen einzigen was anzuthun, so sehr wa= ren wir alle aufgeregt, da ein Ueberfall zu befürchten war. Die Kuh starb sogleich durch das Beil des Badner Zim= mermannes und in unzähligen Töpfen kochte das Fleisch am Wachfeuer in einem Oehlgarten am See. Die ganze Nacht brannten die feindlichen Wachfeuer, an allen Sei= ten, eine Menge Barken sah man auf dem See herum= fahren, alle möglichen Zeichen wurden mit Lichtern, Feu= ern ec. gegeben, so daß wir die ganze Nacht wachen und parat sein mußten. Eine Schildwache ein Badner wurde von dreien angegriffen, alle 3 feuerten auf ihn, fehlten ihn, so wie er sie fehlte. Früh um 3 Uhr wurde Fraß gehalten und um 4 Uhr brachen wir auf, denselben Weg zurück über den fürchterlichen Berg hinauf, da kein an= derer Ausweg war. Unsere Vorposten reichten bis auf das Joch, wir hatten daher nichts mehr zu besorgen. Droben erwartete uns bestelltes Fleisch, ich jedoch konnte vor Durst nichts genießen, und ging so ermüdet ich war auf die nächste Alpe und trank dort um 20 Kr. Milch, ohne meinen Durst tödten zu können. Der Rückzug war ohne weitere Begebenheit und wir kommen mit zerrisse= nen Hosen und zerfetzten Stiefeln unter fortwährendem Platzregen nach Brentoniko, wo wir auf Stroh mit den nassen Kleidern schlafen mußten. Ich erbettelte von einer deutschen Wirthin ein Schaffell, das mir jetzt gut that, und andern Tags rückten wir wieder durch Roveredo. Wiener Tagsberichte. Wien am 20. Juni 1848. Am 17. dieß machte ich die Anzeige, daß Arbeiterun= ruhe zu befürchten wäre, welche jedoch durch die ausgerückte Nationalgarde nieder gehalten wurden. Die meisten Arbeiter nahmen ganz friedlich ihren Wochenlohn, nur beim Bründl= Bad war unter diesen Leuten ein Complott und es durfte Keiner von ihnen den Lohn nehmen, weil man ihnen Erhöhung oder eine Auszahlung eines Lohnes fur die Feiertage gänzlich verwei= gerte. Man beging dabei ganz sicher einen Fehler, daß man dies Menschen nicht zwang den Lohn zu nehmen, und zwar unter Androhung, daß, wer ihn nicht gleich nimmt, später keinen erhalten werde. Am andern Tag kamen sie wieder und nahmen ihr Geld, weil sie es brauchten. Gestern ging die Geschichte mit den Arbeitern wieder von Neuem los, dieselben Androhungen wie am 17., dieselbe Plage für die Nationalgarde, nur mit dem Unterschiede, daß gestern Reveille geschlagen wurde und die ganze Nationalgarde ausrückte. Auch die Kanonen waren bespannt. Man wollte gegen diese Leute energisch auftreten, als jedoch die auf die Arbeitsplätze kon= signirten Garden ankamen, waren dieselben fromm wie die Lämmer, und nur wenige Arretirungen konnten gegen diejenigen vorgenommen werden, welche als Aufhetzer auf der That erwischt wurden. Man gibt die Zahl der von den verschiedenen Arbeits= plätzen eingebrachten Aufwieglern auf 50 an, welche Angabe ich jedoch nicht verbürgen kann, weil ich mit meiner Kompagnie beim Bründlbad stand, von wo wir nur zwei Männer arretirten. Die größere Zahl unter diesen Leuten ist ganz brav, sie müssen jedoch mit den Wölfen heulen. Unter diesen Wölfen sind sehr viele böhmische Arbeiter und ich begreife nicht, warum man diese Leute nicht in ihre Heimath schickt, wie können wir das aushalten, daß wir die Armen fremder Gemeinden erhalten sollen. Uebrigens ist es nicht zu verkennen, daß die Arbeiter von andern Leuten als aus ihrer Classe aufgewiegelt werden, manche unter ihnen bekannten es uns selbst. Allein man kennt die Leute nicht, und stehn wir den Arbeitern gegenüber, so werden sich diese hüten, in unserer Gegenwart zu haranguiren. Zwei wur= den wohl aufgegriffen, der eine, angeblicher Koch von Gr. Fi= quelmont, der jedoch nach Aussagen Einiger, als Küchenjung im Dienste des Grafen gestanden, und schlechter Aufführung wegen fortgejagt worden ist. Auch zwei elegante Dirnen wurden durch die Nationalgarde dem Stadtgericht überbracht, weil sie Pfeif= chen zum Auspfeifen der Nationalgarde aus ihren Körben ver= theilten. Obgleich Kreis und Buhne oder Pranger aufgehört haben, so wurden sie doch nach dem Wunsche des unten harren= den Volkes auf die Altane des Gerichtshauses geführt, wo an= gelangt sie mit ihren selbst vertheilten Pfeifchen ausgepfiffen wur= den. Möglich, daß diese der Justitz überbrachten Personen eini= ges Licht über die im finstern tappende Reaktion verbreiteten. Frage an meine Mitbürger! Aus welcher Ursache hat eine Anzahl meiner Mit= bürger, denen das hochwichtige Amt von Wahlmännern bei der Deputirten=Wahl zum konstituirenden Reichstage anvertraut war, im Gegensatze mit der allgemeinen Volks= stimme einen Mann erwählt, dem ein deutscher Name, wohl auch deutsche Abstammung mangelt, der sogar in einem ernen Lande ansässig ist? Gäbe es denn unter den 11000 Einwohner meiner Vaterstadt keinen Mann echt deutsch an Blut und Gesinnung begabt mit der nöthigen Gewalt des Geistes und der Rede um den Gesammtwil= len seiner Mitbürger erfolgreich zu vertreten? Steyr am 22. Juni 1848. Johann Millner. Verantworlicher Redacteur Alex. Jul. Schindler; Mitredacteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Sandböck und Haas in Steyr.

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