Zwanglose Blätter, Nr. 29, vom 25. Juni 1848

Zwanglose Blätter für Oberösterreich. Nro. Steyr am 25. Juni 1848. 29. Kraft unserm schwer erworbnen Rechte protestiren Wir gegen diesen Vorgang —! Keine Macht Kein Ansehn, keinerlei erschlich'ner Unfug Sey fürder mehr von Wirkung. Recht ist Recht, Und Wahrheit — Wahrheit! das ist unser Wille. Altes Trauerspiel. Aufruf an die Natinnalgarden Oberösterreichs. *) Laut uns vorliegender Originalverfügung des k. k. Militär=Kommandos Linz hat dasselbe eine complete Di= vision nach Ischl commandirt, um dem Kaiser bei seiner Anwesenheit dort eine Ehrenwache zu bilden. Die Ehrenwache des Kaisers in Innsbruck bezogen die Tyroler=Schützen. Sind wir Männer Oberösterreichs eine geringere Ehrenwache als sie? Wir fordern daher die Nationalgarden in Oberösterreich auf, sich Sr. Majestät als Ehrenwache während seines Aufenthalts in Ischl anzubieten. Wozu das Militär, das auf dem Kriegsschauplatze so nothwendig wäre, seiner ursprüng= lichsten Bestimmung entziehen, da die Nationalgarde zu den Friedensdiensten ohnehin zur Disposition steht. Folgt diesem Rufe. Einigkeit zur Ehre unsers Kaisers, zur Ehre der Volksbewaffnung! Steyr am 24. Juni 1848. Die Nationalgarde in Steyr. *) Alle Redaktionen werden ersucht, diesen Aufruf in ihre Blätter aufzunehmen. Der hohe Congreß in Ischl fürchtet sich! So ist es und der Militär=Kommandant in Linz F. M. L. Graf Wrbna hat Mitleid mit der furchtbaren Lage empfunden in der sich viele hochgeborene Häupter befinden und hat mit gräflichem Hochsinne den Entschluß gefaßt die Angst und Noth an den fernen Ufern der Traun zu mildern und in die Nacht von Tannen und in die düstere Umgebung von Volk und Volk und wieder Volk, in dessen muthigen Herzen überall die Freiheit wur= zelt, den milden Glanz von Bajonneten zu streuen, der hoffähigen Herzen so frühlingshaft erquickt. Der Agentie der Traunsee=Dampfschiffahrts=Gesell= schaft kam nachstehende Zuschrift des Linzer Militär=Kom= mandos zu, die namentlich in der Darlegung der Beweg= gründe, aus denen die Truppensendung schon jetzt dring= lich erscheine, nicht ungeschickter stylisirt sein könnte: „An die Löbliche Agentie der Traun=See= Dampschiffahrt zu Gmunden. Es sollen für die Rückreise Sr. Majestät Unseres Allergnädigsten Monarchen und für Allerhöchst dessen Auf= enthaltes in Ischl eine complette Division mit 8 Oberoffizie= ren, 28 Unteroffizieren und 360 Gemeinen, von hieraus als Ehrenwache dahin gesendet werden. (sic!) Bei dem Umstande als der Tag des Eintreffens Sr. Majestät des Kaisers in Ischl bis jetzt noch nicht be= kannt ist, jedoch erst kurz vor diesem Termine hier bekannt werden dürfte, so liegt dem gefertig= ten Militär=Kommando in Rücksicht der sohinnigen Dringlichkeit (?.?.) dieser Absendung des genann= ten Detachements sehr angelegentlich daran, daß diese zwei Kompagnien schnellmöglichst dann nach Ischl befördert werden. Das Militärkommando rechnet hierbei zuversichtlich auf die Bereitwilligkeit der löbl. Agentie, in Erreichung des beabsichtigten Zweckes und stellt hiermit das Ersuchen, daß diese Divisionen, deren Transportirung von der bewährten Bereitwilligkeit der Gmundner=Eisenbahn=Lokal=Direction und zwar in zwei Abtheilungen je zu 192 Mann und 4 Oberoffizieren in einem Tage nach Gmunden zu erwarten steht, nach dem dortigen Eintreffen in den bezeichneten Ab= theilungen mit dem Dampfschiffe nach Ebensee überführt werden. Es wolle demnach die löbl. Agentie die dießfällige Entscheidung über diesen Antrag im Wege des k. k. Salinen= Oberamts=Präsidiums ehemöglichst hierher bekannt geben, wobei man nur noch auf die Ermässigung des Fahrpreises für den einzelnen Mann rechnen zu dürfen glaubt, wie sol= ches schon wiederholt für Mannschafts=Transporte von der Eisenbahn=Direktion und zwar mit der Hälfte des Fahr= preises gewährt wurde. Linz den 17. Juni 1848.“ Wrbna F. M. L. Nach dem uns vorliegenden Briefe eines sehr ge= achteten Gmundner Bürgers hat sowohl das Gmundner Oberamt, als auch eine Anzahl Bewohner von Ischl, so= gleich durch Stafette energische Proteste gegen diese un= sinnige Maßregel abgesandt, zu deren Bemäntlung der Name Ehrenwache nur mißbraucht wird. Kommt der Kaiser wirklich nach Ischl, so wird ihm die dortige und die Gmundner Nationalgarde eine Eh= renwache stellen, die ihm zu aller Sicherheit und zur ho= hen Ehre gereichen wird.

Resultat der Wahl des Deputirten zum kon stituirenden Reichstage für die l. f. Stadt Steyr am 31. Juni 1848. I. Sermtinium 19 Stimmer Alex. Jul. Schindler 16 Lebzeltermeister Anton Halle Berggerichts=Affessor Em. Vacano zu Klagenfurt Zwei Einzelstimmen Summa 44 Stimmen Haller erklärt in keinem Falle anzunehmen II. Scrutinium: 23 Stimmen Vacano 20 Schindler Eine Einzelstimme 1 Summa 44 Stimmer Das bekannt gewordene Resultat der Wahl erzeugt in der Be= völkerung Steyrs eine durchgreifende Mißstimmung, es wird er= klärt, daß Vacano nicht der Mann des allgemeinen Vertrauens sei. ..... Die Arbeiter beschweren sich von den Urwahlen ausgeschlossen gewesen zu sein, man schreibt das Ergebniß der Wahl den Umtrieben einer nicht lieberalen Parthei zu, die ohne Ver= trauen des Volkes, ohne das Gewissenhafte, die hohe Wichtigkeit ihrer Sendung als Wahlmänner zu begreifen, lediglicher Pri= vat=Interessen und Gehässigkeiten sich zum Dienste hergab. Man geht der Spur dieser Umtriebe nach und erkennt nach genauer Erwägung des prov. Wahlgesetzes und der nachträglich dazu er= lassenen Verordnungen im Zusammenhalt mit der Art und Weise wie die Urwahl der Wahlmänner geleitet worden ist, diese Wahl als eine ungesetzliche und beschließt beim Ministerium des In= nern Protest einzulegen. Noch in der Nacht des 21. Juni begab sich eine Deputation zum l. f. Wahlkommissär, um ihn von die= sem Vornehmen in Kenntniß zu setzen. Der Protest ist bereits abgeschickt. Wir werden nachstens Umständliches über diese An= gelegenheit mittheilen. Neuestes. Die Nachrichten von Prag*). Noch immer fehlt, unbegreiflicher Weise ein offizielle Bericht aus Prag. Allgemeinste Umrisse, Erzählungen von Flüchtlingen haben uns bis jetzt eine große Zahl von Thatsachen zur Kenntniß gebracht, aber noch immer muß die Meinung schwanken, über die Grundursachen des gro= ßen Unglücks in der alt ehrwürdigen, prächtigen Haupt= stadt Böhmens Das gleichzeitige Verbrechen gegen Kar= lowitz von den Südslaven läßt mit Bestimmtheit auf ein Vorbedachtes, Beabsichtigtes schließen. Unbegreiflich bleibt es, warum kurz vor dem Ausbruche 150 böhmische Stu= denten ihre Brüder in Wien besuchten, ihre Sympatien in der Aula deklamatorisch verkündeten, beim Sperl vom Mu= sikchore mit den „deutschen Liede“ begrüßt einstimmten, wenn sie, nicht uns eben zu täuschen, uns zu beruhigen, die Absicht hatten, damit wir keines bereits beschlossenen Streiches gewärtig, in vollem Vertrauen zu der deklamir= ten Brüderlichkeit, nichts Arges voraussetzen. Diese Stu= denten, die im fürchterlichen Widerspruche zu den Freiheit begeisterten Studenten Wiens sich im Kampfe bewährt ha= ben, fielen aber gar oft in Wien aus der Rolle. Denn Kühnheit, doch das Wort ist zu edel, dumme Frechheit war es von Einzelnen, die in einer deutschen Stadt gastfrei auf= genommen, im Prater böhmische Spottlieder auf die Deut= chen sangen! Zwei Wiener Studenten zwangen sie zur Abbitte. Es wurde seltsamer Weise durch die Presse nicht bekannt, daß zehn böhmische Studenten, als sie höhnend von Deutschen und Ungarn sprachen, von einem achtzehn= jährigen Studenten aus Debreczin zur Mäßigung aufge= fordert wurden und als der Wortwechsel lebhafter wurde, zogen die Böhmen ihre Säbel. Der Ungar that desglei= chen und sprang gegen einen Baum, um seinen Rücken zu decken und brachte Dreien von ihnen so tüchtige Wunden bei, daß sie zu Boden sanken, während er selbst nur einen schwachen Hieb über die Schulter erhielt. Aber als sein drit= ter Gegner hinsank, brach sein Säbel und er wäre unver= meidlich verloren gewesen, wenn er nicht zwei zufällig vor= *) Wir entnehmen diesen Artikel den Sonntagsblättern und werden unsere An= sicht über die Prager Begebenheiten dann aussprechen, wenn wir über ihr Veranlassung, die wir ahnen, Bestimmtes wissen. D. R. übergehende ungarische Grenadiere gesehen und herbeige= rufen hätte, die ihren jungen tapferen Landsmann retteten. Eine solche Scene im Prater! bei hellem Tage! von gast= frei Aufgenommenen! Wir schreiben diese Thatsache nieder, wie sie von dem jungen Ungar auf der Aula erzählt und von Zeugen bestätiget wurde. Es kam vor, daß sie in Wien! deutschen Studenten das deutsche Band herabzer= ten, in Hainbach, beim großen Burschenkommerse die deutsche Fahne eben nicht mit Achtung behandelten. Wir wollen glauben, daß die Verständigeren, die besser Gesinn= ten unter ihnen, ein solches Betragen gewiß tadeln, aber es läßt denn doch die Grundstimmung Aller erkennen. Im National=Gasthofe saß ich mit Schuselka zusammen, wäh= rend das Spottlied auf ihn am nachbarlichen Tische ge= sungen wurde. Ich rief die Herren an unseren Tisch, führte ihnen Herrn Schuselka auf, der sie bat, das ihm bis dahin unbekannte Lied vorzutragen; was auch geschah. Wir suchten möglichst zu beruhigen und dieselben Studen= ten brachten als wir gingen, uns ein Hoch! Ueberhaupt schienen Alle nicht aus einem Gedanken heraus thätig zu sein, jeder Einzelne widersprach der Ansicht des Anderen: Ein grosses slavisches Reich von der Nordsee bis zum Hel= lespont ist der poetische Gedanke vieler, Andere wollen ein selbstständiges Königreich Böhmen, mit einem Könige, der im Lande wohnt, Gemäßigtere, nur ein eigenes Ministeri= um, ein Verhältniß, in welchem Ungarn zu Oesterreich teht und ich sprach Mehrere, die nichts als die Erhaltung und freie Entwicklung ihrer Sprache verlangen, und als ich ironisch fragte: Ist also die ganze Bewegung nur eine philosophische? mir naiv antworteten: „Nur philoso= phisch.“ Heil der Intelligenz der drei böhmischen Studen= ten, die mir dies auf der Aula sagten. Was wollten die böhmischen Studenten, die doch im Herzen wußten, was sich vorbereitet, was wollten sie in Wien? Etwa die friedlich zwischen uns wohnenden Landsleute aufwiegeln? Ist es nicht ein neuer, schöner Zug des vielgepriesenen Wiener Gemüthes, daß während der Greulscenen in Prag gegen die Deutschen die Böhmen in Wien friedlich unter uns einhergehen. Während wir unsere Familien am Le= ben bedroht wußten, während andere geplündert zu uns

kamen, versäumten wir nicht die zahlreichen — böhmischen Arbeiter mit ihren Familien, für — Nichtsthun, fast täg= lich zu versorgen. Es ist ein heilloses Unglück über uns hereingebrochen. In diesem Augenblicke ist es in Prag ruhig. „Die Ruhe eines Friedhofs.“ Das Standrecht hat seine rothe Fahne aufgepflanzt. Wenn wir dem rohen Uebergriff, das Gegenüberstellen der be= waffneten Macht nur billigen müssen; so ergreift uns aus höherem Standpunkte betrachtet, ein namenloser Schmerz daß es wieder Kampf und Feindschaft werden mußte zwi= schen Bürger und Bürger, dem Militär und dem Civile. Wochen, Monatelang ist es unser Streben gewesen, die beiden fruher fremdartig, später auch feindlich sich gegen= überstehenden Kräfte zu versöhnen und zu einem Bunde zu vereinigen, und nun dieser Riß, diese furchtbare Spal= tung! Bürgern zum Nationaldienste durch das Gesetz verpflichtet, mußten ihre Waffen niederlegen und so des stolzesten Vorrechtes einer Nation: Waffen tragen zu dür= fen, wieder beraubt werden. Das Militär mußte seine Feuerschlünde öffnen und Bürgerblut mußte fließen. Für diesen großen Schmerz, der jedes vaterländisch fühlende Gemüth im Innersten erschüttern muß, sind uns die Cze= chen verantwortlich. Es wäre denn, daß sie andere Mo= tive, als die uns bis jetzt bekannt gewordenen und die alle sie belasten, unserer Erkenntniß näher zu bringen im Stande sind. Die Stadt hat kapitulirt, und zwar die Waffen sämmtlich, mit Ausname der Nationalgarde abgeliefert, und auf allen Seiten die weiße Friedensfahne aufge= pflanzt. Die ganze Bürgerschaft und Nationalgarde sind in Parade mit klingendem Spiele ausmarschirt, ließen die Volkshymne spielen und riefen: „Hoch lebe das Kaiser= haus, Tod den Verräthern!“ — Soeben ziehen sie mit klin= gendem Spiele dem Militär entgegen, um es in die Stadt einzuführen. Die Studenten kämpften muthig für Zwecke, die ihnen im Grunde unbekannt waren, man fanatisirte sie von gewissen Seiten, und verließ sie in der Gefahr! — Gestern war ein Blutbad in Piechowitz, das dort sta= tionirte Militär verlangte von den flüchtigen Studierender die Waffen, welche sie abzuliefern verweigerten, dadurch entstand ein Kampf, und 36 Studirende blieben todt. Eine Masse von Emissären wurde eingefangen, denen wird es schlecht gehen. In der Stadt sieht es furchtbar aus. Alle Mühlen beim Brückenthurm sind bis auf dem Wasser= serspiegel niedergebrannt. Der Wasserthurm der Altstadt ganz zerstört durch Bomben, wie man das Wasser auf die Altstadt bekömmt, das weiß Gott! Viele Strassen und einzelne Häuser sehen grausam verheeret aus. Der Scha= den ist ein unberechenbarer. — Metternich möge sich nun die Früchte seines Sistems ansehen. Kriegsscene aus Italien. (Von einem Tiroler Schützen.) Sako, am 1. Juni 1848. Letzten Sonntag den 28. v. M. war Vormittags große Kirchenparade, wo wir insgesammt die General=Ab= solution von Pater Josef erhielten, du kannst dir vorstel= len, wie leicht uns darauf geworden ist, und wie sich der böse Feind geärgert haben wird, daß ihm so viele schöne Seelen entgehen sollten; Nachmittag um 4 Uhr marschirten wir mit 40 Mann Badnern und 8 Chevaurlegers, die die Ordonanzen verrichten sollten von hier ab, fuhren unter ungeheuerm Platzregen über die Etsch nach Jera, stärkten uns dort noch mit einigen guten Tröpfchen oder vielmehr Tropfen, worauf wir über das große Dorf Mori auf das Gebirge nach Brentoniko marschirten, dort wurden wir elendlich einquartirt und ich schlief auf 5 Strohhalmen, die auf dem Steinpflaster des Kornhauses sich hin verloren hatten. Andern Tags früh den 29. hellte sich das Wet= ter wieder auf, und wir bestiegen den Monte Baldo, ka= men auf schrecklichem Wege über Geschröffe und Abhänge auf die Gränzscheide, wo wir durch den himmlischen An= blick des unter unseren Füßen liegenden Gardesees über= rascht wurden. Unten war Riva und Tarbole vis a vis das schöne Dorf Limone zu sehen. Der See war zuerst ganz mit Nebel überzogen und wunderschön war es anzu= sehen, wie plötzlich die Sonne die Nebel zerstreute und die schönste blaue Farbe des Wassers unsere Augen entzückte. Von dem Joche aus zogen wir ins Feindes Land, das Ve= netianische ein. 5 Stunden brauchten wir hinunter zu stei= gen über Steingerölle. Als wir in die Nähe des Seeufers kamen, erblickten wir auf einmal ein verdächtiges Dampf= boot mit 3 Booten im Schlepptau. Bevor wir ersehern konnten, ob die Flagge 2 oder dreifärbig sei, krachte mitten unter unseren Meditationen ein 12 Pfünder und tanzte auf dem Wasser daher. Einige hatten sich unten in ein einzeln stehendes Wirthshaus begeben, wo sie die Hausleute die Hände ringend mit dem Ausrufe „O Jesu Maria tedeschi Briganti“ empfingen, gleich darauf streute ein Kartäschen= schuß eine Masse eiserner Kugeln von bedeutender Größe über das ganze Terrain hin, worauf auch die Dampfboot= besetzung mit ihren Gewehren herüberfeuerten. Unser Haupt= mann verboth zu feuern, indem er eine Landung erwirken wollte. So wechselten die Schüsse hintereinander und wir zählten 26 Kanonen und Kartätschenschüsse nebst ungefähr einigen 2—300 Kleingewährfeuerschüßen. Eine einzige Kugel traf den Badner Lieutenant Meyr in die Brust, durchriß den Rock, die vollgestopfte Brieftasche und blieb auf dem Hemde sitzen. Nach jedem Kanonenschuß schlugen wir all ein grimmiges Gelächter auf, 2 Brandenberger ließen sich trotz dem Verbothe das Schießen nicht nehmen und erleg= ten einen von den Insurgenten auf dem Schiffe, worauf es ein schreckliches Geschrei und Spektakel auf dem Schiffe gab, das sich nun umwandte und dem Gardasee entlang hinabfuhr. Daß viele der Unseren etwas blaß wurden, und rechtsum machten, kannst du dir denken, ich dachte gar nicht daran, daß es treffen könnte, und fand Eduard schon unten am Wasser zunächst an der gefährlichen Stelle. Was sich die Insurgenten dachten, warum wir nicht geschossen, weiß der Himmel, aber wenigstens wurden sie dichtig bla= mirt, und haben einsehen können, daß wir schießen könn= ten, wenn wir möchten. Ich für meinen Theil dachte mir, daß die Italiener Grobians sind, denn gleich mit Kanonen

auf die Leute schießen ist doch etwas infam und imperti= nent. Eine halbe Stunde war zum Dorf, wo das Dampf= boot landete, und bald sahen wir piemontesische Chavalle= rie mit Fußgängern dasselbe besetzen. Da es noch Tag war, wurde es Freiwilligen überlassen, dasselbe zu nehmen worunter auch Eduard und ich mit 20 anderen Schützen nebst 20 Badnern waren. Wir besetzten die beiden Seiten und die Badner drangen auf der Strasse vor. Wir hatten hinter den Mauern der Oehlgärten eine Masse Köpfe ge= sehen, wir schliechen dahin, und siehe da, als wir hinkamen alles leer, alles verschwunden, die Hausthüren und Fen= sterläden verschlossen, welche jedoch bald mittelst Steinen gesprengt, und die Häuser visitirt wurden. Kein Mensch war zu finden, und alles zum Teufel gegangen, wahrschein= lich hat sich alles 2 Stunden weiter, wo das erste piemon= tesische Picket steht, zurückgezogen, wie es Nacht wurde, kehr= ten wir zurück, nachdem wir ein älteres Kälbelein oder wenn du willst eine jungfräuliche Kuh zum Mitspazieren eingeladen hatten, da wir alle todesmatt und hungrig wa= ren, die Leute im Wirthshaus jedoch wahrscheinlich alles versteckt, oder wirklich nichts hatten. Wasser war keines am Wege als das Seewasser zu finden, das so warm war wie halbgesotten und den Durst noch reizte. Wein war in Masse da, und obwohl stark getrunken wurde, war er doch nicht im Stande einen einzigen was anzuthun, so sehr wa= ren wir alle aufgeregt, da ein Ueberfall zu befürchten war. Die Kuh starb sogleich durch das Beil des Badner Zim= mermannes und in unzähligen Töpfen kochte das Fleisch am Wachfeuer in einem Oehlgarten am See. Die ganze Nacht brannten die feindlichen Wachfeuer, an allen Sei= ten, eine Menge Barken sah man auf dem See herum= fahren, alle möglichen Zeichen wurden mit Lichtern, Feu= ern ec. gegeben, so daß wir die ganze Nacht wachen und parat sein mußten. Eine Schildwache ein Badner wurde von dreien angegriffen, alle 3 feuerten auf ihn, fehlten ihn, so wie er sie fehlte. Früh um 3 Uhr wurde Fraß gehalten und um 4 Uhr brachen wir auf, denselben Weg zurück über den fürchterlichen Berg hinauf, da kein an= derer Ausweg war. Unsere Vorposten reichten bis auf das Joch, wir hatten daher nichts mehr zu besorgen. Droben erwartete uns bestelltes Fleisch, ich jedoch konnte vor Durst nichts genießen, und ging so ermüdet ich war auf die nächste Alpe und trank dort um 20 Kr. Milch, ohne meinen Durst tödten zu können. Der Rückzug war ohne weitere Begebenheit und wir kommen mit zerrisse= nen Hosen und zerfetzten Stiefeln unter fortwährendem Platzregen nach Brentoniko, wo wir auf Stroh mit den nassen Kleidern schlafen mußten. Ich erbettelte von einer deutschen Wirthin ein Schaffell, das mir jetzt gut that, und andern Tags rückten wir wieder durch Roveredo. Wiener Tagsberichte. Wien am 20. Juni 1848. Am 17. dieß machte ich die Anzeige, daß Arbeiterun= ruhe zu befürchten wäre, welche jedoch durch die ausgerückte Nationalgarde nieder gehalten wurden. Die meisten Arbeiter nahmen ganz friedlich ihren Wochenlohn, nur beim Bründl= Bad war unter diesen Leuten ein Complott und es durfte Keiner von ihnen den Lohn nehmen, weil man ihnen Erhöhung oder eine Auszahlung eines Lohnes fur die Feiertage gänzlich verwei= gerte. Man beging dabei ganz sicher einen Fehler, daß man dies Menschen nicht zwang den Lohn zu nehmen, und zwar unter Androhung, daß, wer ihn nicht gleich nimmt, später keinen erhalten werde. Am andern Tag kamen sie wieder und nahmen ihr Geld, weil sie es brauchten. Gestern ging die Geschichte mit den Arbeitern wieder von Neuem los, dieselben Androhungen wie am 17., dieselbe Plage für die Nationalgarde, nur mit dem Unterschiede, daß gestern Reveille geschlagen wurde und die ganze Nationalgarde ausrückte. Auch die Kanonen waren bespannt. Man wollte gegen diese Leute energisch auftreten, als jedoch die auf die Arbeitsplätze kon= signirten Garden ankamen, waren dieselben fromm wie die Lämmer, und nur wenige Arretirungen konnten gegen diejenigen vorgenommen werden, welche als Aufhetzer auf der That erwischt wurden. Man gibt die Zahl der von den verschiedenen Arbeits= plätzen eingebrachten Aufwieglern auf 50 an, welche Angabe ich jedoch nicht verbürgen kann, weil ich mit meiner Kompagnie beim Bründlbad stand, von wo wir nur zwei Männer arretirten. Die größere Zahl unter diesen Leuten ist ganz brav, sie müssen jedoch mit den Wölfen heulen. Unter diesen Wölfen sind sehr viele böhmische Arbeiter und ich begreife nicht, warum man diese Leute nicht in ihre Heimath schickt, wie können wir das aushalten, daß wir die Armen fremder Gemeinden erhalten sollen. Uebrigens ist es nicht zu verkennen, daß die Arbeiter von andern Leuten als aus ihrer Classe aufgewiegelt werden, manche unter ihnen bekannten es uns selbst. Allein man kennt die Leute nicht, und stehn wir den Arbeitern gegenüber, so werden sich diese hüten, in unserer Gegenwart zu haranguiren. Zwei wur= den wohl aufgegriffen, der eine, angeblicher Koch von Gr. Fi= quelmont, der jedoch nach Aussagen Einiger, als Küchenjung im Dienste des Grafen gestanden, und schlechter Aufführung wegen fortgejagt worden ist. Auch zwei elegante Dirnen wurden durch die Nationalgarde dem Stadtgericht überbracht, weil sie Pfeif= chen zum Auspfeifen der Nationalgarde aus ihren Körben ver= theilten. Obgleich Kreis und Buhne oder Pranger aufgehört haben, so wurden sie doch nach dem Wunsche des unten harren= den Volkes auf die Altane des Gerichtshauses geführt, wo an= gelangt sie mit ihren selbst vertheilten Pfeifchen ausgepfiffen wur= den. Möglich, daß diese der Justitz überbrachten Personen eini= ges Licht über die im finstern tappende Reaktion verbreiteten. Frage an meine Mitbürger! Aus welcher Ursache hat eine Anzahl meiner Mit= bürger, denen das hochwichtige Amt von Wahlmännern bei der Deputirten=Wahl zum konstituirenden Reichstage anvertraut war, im Gegensatze mit der allgemeinen Volks= stimme einen Mann erwählt, dem ein deutscher Name, wohl auch deutsche Abstammung mangelt, der sogar in einem ernen Lande ansässig ist? Gäbe es denn unter den 11000 Einwohner meiner Vaterstadt keinen Mann echt deutsch an Blut und Gesinnung begabt mit der nöthigen Gewalt des Geistes und der Rede um den Gesammtwil= len seiner Mitbürger erfolgreich zu vertreten? Steyr am 22. Juni 1848. Johann Millner. Verantworlicher Redacteur Alex. Jul. Schindler; Mitredacteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Sandböck und Haas in Steyr.

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