Zwanglose Blätter, Nr. 28, vom 22. Juni 1848

soll ich es sagen? — das Verhängniß in Frage gestellt und doch hoffe ich noch immer das Volk von Oesterreich wird diese Frage lösen, und die Geschichte wird reicher sein um das schönste ihrer Blätter. Ich habe viel Mitleid mit dem Aristokratischen Con= gresse in Ischl, recht viel Mitleid und dieses ist durchaus kein staatsmännisches, sondern ein rein menschliches. Die Mitglieder dieses Congresses haben viel verloren und hät= ten so viel gewinnen können: Achtung, Blüthe, neue Kraft und Bestand — ach — und sie verloren alles, nur die Vergangenheit nicht — die niemand besitzt. Sie grol= len und schmollen und was sie wagen, thun sie zur Unzeit. Sie haben kaum mehr einen gewaltigen Sturz zu erwar= ten — bleibt das Volk rechtlich, christlich und ei= nig — und ich hoffe das — so verrinnt ihr Dasein im Sande — und der Enkel Hadmars von Kuenringen wird zurückkehren zum Pfluge, zur Kammer, zur Feder. Die Guten von ihnen fühlen sich schon unheimlich in ihren Sälen, Salons, und sehen sehnsüchtig hinab in das stolze, unbeneidete, unangefeindete Treiben des fleißigen Bürgers; schon will der junge Graf aus dem Saale treten der neuen Zeit und ihren Kindern sich zu gesellen, — da wendet ihm ein Bleigewicht das Haupt zurück und ihm ists als schüt= telten die Ahnenbilder an der Wand die Köpfe: Kennst du das Haus auf Säulen ruht sein Dach, Es glänzt der Saal, es schimmert das Gemach, Und Marmorbilder stehen und schauen dich an: Was hat man dir du armes Kind gethan? Trau ihnen nicht, das sind Gespenster, junger Mann! Wir rufen dich als Mensch, als Bruder. Wir sprechen die Sprache der Lebendigen und nur der Lebende hat Recht. Al. Jul. Schindler. Neuestes. Die Nachrichten von Prag. Wir erleben es nun, wie es den Provinzen mit den Ereignissen der Hauptstadt ergangen ist. Wie lange Zeit brauchte es, bis das im Herzen der Monarchie pulsirende Blut an den entfernt liegenden äußersten Enden der Schlag= adern empfunden wurde. — Wie erzürnt, wie erstaunt wa= ren wir, wenn die durch Eisenbahn und Dampfschiff uns so nahe gerückten Sädte uns so arg mißverstehen konnten? Geht es nun etwa anders? Wie widersprechend sind die Nachrichten aus Prag! Nur in dem Einen letzten gräßli= chen: Blut und Plünderung, stimmen alle Berichte zusam= men! Die Ursachen des schrecklichen Zustandes in Prag werden widersprechend angegeben. Die Einen sprechen von einem Kampfe der Nationalitäten, die andern von einem der Czechen gegen das Militär, dem sich die Deut= schen anschlossen. Die „Swornost“ hat sich mit dem Pro= letariat verbunden und plündert, erzählen Viele, und eben so Viele, daß das Militär plündert. Die Berichte kreuzen sich wild und blutig, und die Fantasie malt ein vielleich noch grelleres Bild als die grelle, brennende Wahrheit. In 12 Stunden kann die Eisenbahn Berichterstatter brin= gen. Warum kommen sie nicht, Flüchtlinge sind selten verläßliche Erzähler; ihre Ankunft beweist eben wenig Muth und ohne dies steht man selten im Mittelpunkte der Ereignisse, aus dem allein sich ein Blick über das Ganze gewinnen läßt. Zwei, drei bewährte glaubwürdige Män= ner sollten es sich zur heiligen Pflicht machen zu uns zu kommen und uns über den Stand der Dinge zu belehren durch Wort und Plakat. Oder besser: Warum schickt un= ser Ministerium nicht solche Männer nach Prag, um uns in klare Kenntniß dessen zu setzen, was sich in der so na= hen Hauptstadt Böhmens begiebt? Telegraphische Nach= richten sind nur Schlagworte und diese? Das Ministerium vorenthält sie uns unbegreiflicher Weise. Wenn wir von der politischen Wichtigkeit auch absehen, welche authentische ausführliche Berichte gewähren müssen, so wäre man es den Tausenden von hiesigen Familien schuldig, die mit eber so vielen in Prag durch heiligsten Banden verbunden sind? Wie sollen wir helfen? Zu welchem Entschlusse aber sollen wir gelangen, wenn uns die Grundursachen des namenlo= sen Unglücks in Präg noch immer unbekannt sind. Der Schreiber dieser Zeilen war gestern im Nordbahnhofe und hörte von etwa zwanzig sich zu uns nach Wien Flüchten= den die widersprechendsten Aussagen, deren eine, daß viel tausende mit Sensen bewaffnete Bauern gegen Prag rü= cken, vielleicht die schrecklichste ist. So sehen wir es an zwei äußersten Punkten der Monarchie in brennender Lohe leuchten und verzehren: aus Italien wird uns gestern ein Sieg, der vernichtend für viele Tausende ist. Und zwi= schen diesen beiden Polen, zwischen diesen Flammen, die immer näher gegen uns heranfressen, sollen wir unsere Wahlen halten, sollen wir uns vorbereiten für den neuen Staatsbau, sollen wir — ja was sollen wir eigentlich? Wir sind rathlos, wir — unser Ministerium. Und wer verbürgt uns die Ruhe in unserer Mitte? Bewährt sich nicht wieder die unendliche Gutmüthigkeit der Wiener, wel= che die czechischen Brüder in unserer Mitte friedlich und unangefochten läßt, als ob Deutsche und Czechen in Prag die innigsten Freunde wären. Wir preisen die Wiener da= rum, die sich selbst durch die unbegreiflichsten Verletzungen der Gastfreundfchaft, die in den letzten zwei Wochen vor= gekommen sind, nicht beirren ließen. Weniger Besonnen= heit und Güte der Wiener — und die Ereignisse in Prag finden hier den blutigsten Wiederglanz. Man wird es den Wienern, wie vieles Andere in der Geschichte nachrühmen müssen, wie ihr Geist hell und ihr Herz mitten im Sturme gut und edel war. Bericht eines Flüchtlings aus Prag. Seit Montag 8 Uhr Abends ist von Seite des Militärs kein Schuß gefallen, es wird fortgesetzt kapitulirt und Bar= rikaden gebaut, man kann jedoch zu keinem Abschluß gelan= gen, da die Swornost immer zögert, indem sie auf einen Landsturm hofft. Die anwesenden Gäste des slavischen Tages sollen einen großen Theil der Schuld tragen, daß die Revolte ausbrach die Fremden waren es, die zuerst

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2