Zwanglose Blätter, Nr. 27, vom 18. Juni 1848

Seiten errichteten Barrikaden mußten im Sturme genom= men werden. Gegen 200 Kartätschenschüsse sollen bis 10 Uhr Abends gefallen sein. Es war dieß aber nicht nur ein Conflict zwischen dem Militär und dem Swornost, sondern auch zwischen den Czechen und den Deutschen. Denn auch gegen letztere legte man, wo man mit ihnen zusammentraf, an. Windischgrätz occupirte, nach langem Widerstan= de der in der Altstadt und auf der Kleinseite ihm ent= gegengesetzt wurde, endlich dem Hradschin. In der Nacht hörte man nur einzelne Kanonen= und Flintenschüsse. Um 2 Uhr Morgens, wo eine Familie zur Eisenbahn sich flüch= tete, fand sie die Straßen, die sie durchging, leer, und nur von dem dort campirenden Militär besetzt. Beim Ab= gange des Trains hörte sie aber wieder eine starke Kanonade. Neuere Nachrichten. Gleich beim Beginn des Kampfes wurde auf dem Graben das Museum, der Sitz des Swornost, von wo aus man allerhand Möbeln zur Errichtung von Barrikaden herabwarf, gestürmt. Am Roß= markte wurde dem wachhabenden Offizier, da er auf die Frage, warum die Kanonen aufgefahren seien, etwae la= konisch geantwortet von einem Swornostoffizier der Kopf gespalten, und das Militär hielt da eine dreimalige Salve des Volkes aus, bevor es mit dem Gewehre einschritt. Ein Kapuziner, der hier eine Schaar anführte, wurde erschos= en. Der Sohn des Fürsten Windischgrätz, der voll Grimm über den Tod seiner Mutter, das Pferd bestiegen, stürzte im Schenkel, stark verwundet, von demselben und dem Of= fizier, der an seiner Stelle den Befehl übernahm, ging es nicht besser. In der Zeltnergasse, wo Barrikade an Barri= kade stieß und aus den Fenstern und Kellern der Häuser auf das Militär geschossen und mit Steinen geworfen wurde, fielen sehr viele Opfer. Von einer Compagnie Wel= lington, die hier stürmte, sollen nur einige Wenige übrig geblieben sein. Faster, im czechischen Herzogsornate, fand hier einen originellen Tod. Umgeben von Amazonen und Swornost, auf der Spitze einer Barrikade stehend, wollte er beim Anzuge der Truppen fliehen, wurde aber in dem selben Augenblicke von einem neben ihm stehenden Waffen= bruder, der darüber empört war niedergestoßen. Die gan= ze Abtheilung aber hielt nicht Stich, sondern zog sich in die Häuser zurück. Aus einem Keller, den die Soldaten durchsuchten, wurden 15 der Swornost hervorgebracht, in die Cavalleriecaserne getrieben und dort geknebelt. Auch in der Jesuitengasse und vorzüglich auf der steinernen Brücke floß viel Blut. Auf letzterer wurden Leichen und Verwun= dete in die Moldau geworfen. Zwei Compagnien von deutschen Studenten, heißt es, haben sich in Anbetracht dessen, daß die ganze Bewegung gegen die Deutschen ge= richtet war, dem Militär angeschlossen, und wurden bei Er= stürmung der Barrikaden verwendet. Nachfolgende Depesche theilen wir zur Vervoll= ständigung der Tagsgeschichte hier mit: Nach einer an dem Minister des Innern aus Prag eingelangten telegraphischen Nachricht vom 14. d. M. um 2 Uhr Mittags sind den Aufrührern Bedingungen gesetzt worden, zu deren Ausführung nunmehr geschritten wird, die Barrikaden sind theilweise abgeräumt, und in der Stadt herrschte bei dem Abgange der Nachricht Ruhe. Ueber die nähere Veranlassung der ausgebrochenen Unruhe fehlen noch verläßliche Auskünfte. Der Gubernialpräsident Graf Thun, ist bereits seit gestern wieder auf freiem Fuße. Innsbruck, 11. Juni. Von wohlunterrichteten Personen höre ich, daß Se. Majestät der Kaiser nicht so bald nach Wien zurückkehren wird. Noch immer glauben Personen seiner nächsten Umgebung, daß die Sicherheit sei ner geheiligten Person in Ihrer Hauptstadt nicht hinläng lich gewährleistet sei. Das ist ein großes Unglück, denn welchen Eindruck wird es machen, wenn es sich bestä= tigt, daß das kaiserliche Versprechen, den constituirenden Reichstag in Wien zu eröffnen und dann den getreuen Ungarn in Budapest einen Besuch zu machen, nicht zur Ausführung kommt. Der Plan zur Reise des Kaisers war vollkommen fertig, die Tage der Abreise und des Aufenthal= tes in Salzburg, Linz und Wien genau festgesetzt und nun ist Alles wieder vereitelt. Die Wohlgesinnten hoffen nun Alles von dem Einfluß des Grafen Stadion. Möge dieser sich mit Erzherzog Johann, Wessenberg und Dobblhof vereinigen, um der unseligen Weiberherrschaft, welche Oesterreich an dem Rande des Abgrundes zu bringen droht, ein Ende zu machen. Programm des Central=Wahl=Comités für den bevorstehenden con= stituirenden Reichstag. Mit Sehnsucht und Hoffnung blickt jeder Freund des Vaterlandes der Eröffnung des Reichstages entgegen. Wien hat der Idee der Freiheit Anerkennung ver= schafft, der Reichstag muß ihr Geltung verschaffen, sie verwirklichen. Er muß sie verwirklichen durch ein neues Staatsgrundgesetz, durch eine Constitution; verwirkli= chen in allen Einrichtungen — von der Verantwortlichkeit der Minister bis zum unbedingten Selbstbestimmungsrechte der kleinsten Dorfgemeinde. Der alte Schutt muß wegge= räumt und Alles neu gestaltet werden. Der Geist der Freiheit muß alle Organe des Staatskörpers mit den be= lebenden Grundsätzen einer auf der breitesten Basis ruhen= den volksrechtlichen Monarchie durchdringen. Zur Lösung dieser Aufgabe fordert das Vaterland ein besten Kräfte. Der Ausschuß der Bürger, Nationalgarde und Stu= denten zur Aufrechthaltung der Ordnung und Sicherheit und zur Wahrung der Volksrechte hält es für seine heiligste Pflicht, durch alle ihm zu Gebote stehenden erlaubten Mit= tel dahin zu wirken, daß am Reichstage Männer erschei= nen, welche den Willen, die Kraft und die Fähigkeit be= sitzen, dem Staate eine auf der breitesten Basis der volksrechtlichen Monarchie ruhende Consti= tution zu geben. Zu diesem Behufe hat der Ausschuß ein Central= Wahlkomité gebildet, und er fordert hiemit alle jene Männer auf, welche als Candidaten zur constituirenden

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