Zwanglose Blätter für Oberösterreich. Nro. 23. Steyr am 4. Juni 1848. Cedant vetera! Auf einer alten Scheibe in der Schießstätte zu Schloß Steyr. Noch immer die Ministernoth. Nicht wir regieren; sondern die Zeit regiert. So sagte jüngst ein einflußreicher Staatsmann. Der Satz ist alt; die bevormundete Zeit ist ihren Aufsehern entsprun= gen. Sie spottet der alten Beaufsichtigung, läßt das Gold= gelocke der Freiheit keck über ihre frischen Schultern wallen, und wird bisweilen übermüthig, übermüthig im schwellen= den Bewußtsein ihrer Kraft und ihrer Reize. Die Zeit regiert. Der Satz ist alt. Die Jesuiten verließen die Schweiz. Die Zeit wollte es. Lola Montez floh mit der bezaubernden Macht ihres Leibes aus München. Die Zeit wollte es. Der Klügste der Klügsten, Louis Philipp irrt rathlos aus seinem Palläste; ein alter, gebeugter Greis sucht er fern von seinem Throne, fern von seinem schönen Frankreich eine Stelle, wo er sein müdes Haupt hinlegen kann. Die Zeit wollte es. Metternich, diese räthselhafte Gestalt des neunzehnten Jahrhunderts, diese seltsame Er= scheinung in der neueren Geschichte, der Mann mit dem colossalen Geiste, den man nur dann richtig beurtheilt, wenn man ihn wie Attila, und Napoleon zum Träger der Idee des strafenden Himmels macht, Metternich darf sein schö= nes, europabeherrschendes Haupt fast nirgends in Europa zeigen ohne gegründete Todesangst. Die Zeit will es. Der philosophische Soldatenkönig in Berlin spricht: „Liebe Berliner“ und durch ganz Deutschland geht ein unheimlich ironisches Gelächter, das einen Mann der Krone und des Scepters niederhöhnt. Die Zeit hat es so gewollt. Nicht wir regieren, sondern die Zeit regiert. So sprach jüngst Graf Fiquelmont. Bald nachher erlag er selbst der tirannischen Regentschaft der Zeit, die ihm eine Katzenmu= sik veranstaltete. Die Zeit regiert. Der Satz ist alt. Er wird aber für uns neu durch den Mund, der ihn gespro= chen, durch den Ort, wo er gesprochen wurde. Er ist das politische Glaubensbekenntniß eines Ministeriums, welches ohne Plan und ohne Verständniß des wahren Bedürf= nisses des Volkes von der Nothwendigkeit sich ein Stück Gesetz um das andere abdringen läßt, ohne zu denken, daß dieser Bau ohne bindenden Mörtel einer Idee endlich über seinem eigenen Haupte zusammenstürzen muß. Es liegt wenig daran, wenn ein Ministerium fällt, das im Volke nie wurzelte, und ein solches Ministerium ist das Ministe= rium Pillersdorff, werden nur nicht Unschuldige unter sei= nem Schutte begraben. Alle Männer desselben sind in diesen Blättern bereits characterisirt worden, und um uns nicht zu wiederholen, bemerken wir nur im Allgemeinen, daß sie im alten System ergraut sind, wo sie als Einäugige unter Blinden Könige waren. Unsere Zeit aber braucht zwei scharfe, offene Augen, die nicht am Schaume, der die Spitze der empörten Wogen krönet, haften bleiben dürfen, die nicht nur den Zug des Sturmes, der durch die Welt geht, rich= tig verfolgen, sondern die cosmischen Bewegungen des Meeresgrundes beobachten müssen, von denen See und Luft zunächst bewegt werden. Männer mit solchen Blicken fordert die Zeit, und sie muß sie haben, denn sie regiert. Sie muß sie haben — darum wird sie sich ihre Männer aus den Reihen derer greifen, die jetzt seitab stehen, wie die Böcke in der Bibel, die zur Linken geschieden sind. Aber sie stehen nur denen zur Linken, die von oben herabsehen auf das Volk. Dem Volke, das von unten hinauf sieht, stehen sie zur Rechten, und es wird sie hinaufheben auf die Stühle der Minister. Wer die Zeit kennt, der wird wissen, daß wir dieses von ihr zu erwarten haben — und die Zeit regiert. Was hat unser Ministerium seit seinem Bestande ge= than. Es hat schlechte Gesetze erlassen und hat sie selbst nicht zu befolgen gewagt. Es ist ein Ministerium der Schwächen und der Rücksichten, ein Ministerium des Ta= ges umrauscht von dem Jubel, des Nachts von den Katzen= musiken des Volkes — das Ministerium und wir mit ihm haben Tag und Nacht keine Ruhe zu arbeiten — und da= rüber kann der Staat zu Grunde gehen. Das Ministe= rium hat in seiner Lebensgeschichte einen einzigen lichten Punkt; sein Benehmen unmittelbar nach der unheilvollen Entfernung des Kaisers aus seiner Residenz. Gegenüber der Beschränktheit des Spießbürgerthums, das alle Dru= ckerpressen und alle Bajonnete der Nationalgarden zehn tau= send Klafter unter die Erde wünschte, gegenüber den Ge= lüsten der jesuitisch geschäftigen Reaktion, gegenüber den Begriffsverwirrungen der betrogenen Provinzen hat es ge= wagt zu erklären: es halte es für seine Pflicht die Errun= genschaften des 15. Mai zu bewahren. Die Presse reichte ihm dafür eine Bürgerkrone. Aber schon wenige Tage darnach vergaß das Mini= sterium mit der Bürgerkrone auf dem Kopfe, die Zuge=
ständnisse des 15. Mai, selbst das Eine, daß sich sei Er= richtung der Nationalgarde von selbst verstanden hätte: daß das Militär im Innern nur dann einzuschreiten habe, wenn die Nationalgarde sein Einschreiten verlangt. Am 26. Mai rückte auf Befehl des Ministerrathes ohne Wissen der Nationalgarde das Militär auf die Universität um die aka= demische Legion zu entwaffnen. In demselben Augenblicke fiel die Bürgerkrone vom Haupte der Minister und ver= zagte, zweifelnde Kahlköpfe beugten sich, wie Mohnköpfe im Sturme dem heranbrausenden Unwillen des betroge= nen Volkes. Das Ministerium versprach nun wieder eine Menge, was es früher widersprochen hatte, und wird in wenig Tagen wieder vieles widersprechen, was es heute versprach. Das Staatsschiff ist durch die unsichere Hand des Steuermannes, der Wind und Wogen nicht kennt, neuerdings in so heftige Schwankungen gerathen, daß die Passagiere sich kaum auf den Beinen zu erhalten vermö= gen. Neapolitaner rufen in solchen Nöthen den heil. Ja= nuarius an, Spanien den heil. Jakob von Compostella Franzosen den heil. Michael, wir rufen nach Männern, gebildet von unserer Zeit für unsre Zeit. Die Zeit regiert — das ist ein alter Satz; aber sie verwaltet nicht! Diesen neuen Zusatz möge ein neues Ministerium wohl bedenken! Die Stimme der österreichischen Abgeordneter in Frankfurt über die Abreise des Kaisers. In Frankfurt einigten sich am 25. Mai die österrei= chischen Mitglieder der Nationalversammlung über eine energische Petition an Se. Majestät den Kaiser um die Rückkehr desselben nach Wien. Das Aktenstück lautet: Euere Majestät haben sich bewogen gefunden, Ihre Haupt= und Residenzstadt zu verlassen. In vollem Vertrauen, daß Ew. Majestät bei der bewährten Gesin= nung eines jeden in Wien lebenden Oesterreichers nichts für Ihre geheiligte Person zu besorgen haben, und in der innigsten Ueberzeugung, daß die Entfernung Ew. Majestät von der Residenz, dem Zentrum unserer konstitutionellen Gesammtmonarchie, entschiedenes Unglück von unabsehba= ren Folgen für Oesterreich und das gesammte Deutschland herbeiführen werde, fühlen sich die unterzeichneten, zur deut= schen Reichsversammlung abgeordneten Oesterreicher ver= anlaßt und verpflichtet, Ew. Majestät in tiefster Ehrfurcht zu bitten, zur Beruhigung Ihrer getreuesten Unterthanen in Ihre Residenz Wien zurückzukehren. Frankfurt a. M., 24. Mai 1848 (Folgen die Unterschriften.) Zugleich wurde beschlossen, nachstehende Adresse an die Bürger Wiens abzusenden Bürger Wiens! Wir Abgeordnete Oesterreichs zu konstituirenden National=Versammlung in Frankfurt haben eine Petition an Se. Maj. unsern konstitutionellen Kai= ser übersendet, ihn zur Rückkehr in seine Haupt= und Re= sibenzstadt zu bewegen. Wir sind überzeugt, daß Se. Ma= jestät in Eurer Mitte sich vollkommen sicher befinden werden Frankfurt, den 25. Mai 1848. (Folgen die Unterschriften). Bei den Debatten, die sich bei dieser Gelegenheit entspannen, sprach man sich abermals mit größter Entschie= denheit gegen die Camarilla aus, die es unbe= kümmert um den Frieden der Monarchie in ihrer Verblendung gewagt hatte, Sr. Maj. dem Kaiser unbegründete, bei der bewährten Treue und Anhänglichkeit der Residenz ganz haltlose Besorgnisse vorzuspiegeln. Wir hät= ten gewünscht, (so schreibt man aus Frankfurt) daß ein recht zahlreiches Publikum den höchst interessanten Debat= ten beigewohnt hätte. Hoffentlich werden beide Aktenstücke die heilsame beabsichtigte Wirkung nicht verfehlen, und Se. Majestät bewegen, in ihre Residenz zurückzukehren. Von einer gefährlichen, republikanischen Partei, welche in Wien bei den letzten Ereignissen thätig gewesen sein soll, wollte die Versammlung nichts hören. Gleichwie aus diesem Vereine unserer Deputirten er= heben sich täglich aus allen Kreisen des Inn= und Aus= landes Stimmen, die vor der in stiller, partheiloser Zukunft zu Gerichte sitzenden Geschichte eine volksfeindliche Cama= rilla, sammt ihrem mit vollen Säcken und einträglichen mü= helosen Anstellungen versehenen schleichenden Anhange, als die Urheber des unheilvollen Schrittes anklagen, der das österreichische Kaiserthum an die äußersten Marksteine sei= nes kräftigen Bestandes gerückt hat. Hört man die ver= einzelten Stimmen, welche die geheime Abreise des Kaisers als das Klügste, was er in diesen Tagen thun konnte lo= ben und den Bestand und somit die Einwirkung einer Ca= marilla hartnäckig in Abrede stellen, so erinnert dieses un= verkennbar an eine strafrechtliche Untersuchung, in der alle Zeugen übereinstimmend aussagen, und nur die Schuldigen beharrlich läugnen. Die Zehentfrage. „Die Theoretischen — die verstehens, könnens aber nicht machen.“ „Die Praktischen — die verstehens nicht, könnens aber machen.“ „Die Theoretisch=Praktischen — die verstehens auch nicht, könnens aber auch nicht machen.“ Düsseldorfer Blätter. Von dem ständischen Ausschuße in Linz sollen ehe= stens die Zehentverhältnisse des Landes, die Ablösung be= treffend, in Verhandlung genommen werden. — Da es uns sehr erwünscht sein kann, die verschiedenen Absichten ken= nen zu lernen, um daraus das Geeignetste zu wählen, so lege ich auch die Meinigen vor, indem ich es den Beur= theilern überlasse, mich nach vorstehendem Motto in die erste, zweite oder dritte Klasse zu setzen. Das Patent vom 31. Dezember 1848 erklärt im Ein= gange: „Es sind Sr. Majestät in Betreff der Zehente Wün= sche bekannt geworden, sowohl von Seite der Berechtigten als der Verpflichteten, nach welchen dieselben den jetzigen Kultus=Verhältnissen nicht mehr angemessen seyen.“ Von diesem Gesichtspunkte aus begibt sich nun die Staatsver= waltung der politischen und Taxrechte, welche einer freiwilli= gen Ablösung bisher im Wege gestanden sind um eine solche leichter möglich zu machen. Leider haben diese Erleichte= rungen nur wenige Ablösungen von Privat=Eigenthümern gar keine von geistlichen Besitzern zur Folge gehabt. Auf solche Weise wurde das Patent als eine Halbheit von Seite
der Fortschrittsmänner verschrien, während es von der Conservativen selbst als Eingriff in die Eigenthumsrecht dargestellt ward. In Bezug auf die Culturs=Verhältnisse des Landes wird jeder Betheiligte und Unbetheiligte, der halbwegs die Zehentbehebungen kennt, eingestehen müssen, daß sie den Ertrag des Grundes oder Bodens im Allgemeinen schmä= lern. Hier in Oberösterreich sind diese Aushebungen auf das Dreifelder=Sistem in der Wirthschaft gegründet, ein Grundlage, welche in neuester Zeit in allen ökonomischen Schriften mehr oder weniger und mit vollem Rechte ange= griffen worden ist. Diese Bewirthschaftungsart betrachtet sich als voll= kommen ausgebildet, indem sie nur die bisher üblichen Ge= treidegattungen und Futterkräuter zulässig findet, jede pe= rennirende Pflanze aber schon dadurch ausgeschlossen ist, daß sie schon im zweiten Jahre des Turnus stört, abgese= hen davon, daß eine Absindung mit den Zehentherren noth= wendig erscheint, und eine solche manchmal gar nicht er= zweckt werden kann. Die Aufgabe der Acker=Cultur, sich so viel möglich der Garten=Cultur zu nähern, ist also durch die Zehentaushebungen gänzlich behindert, die Rente des Grundes und des Bodens eine bei weitem geringere, als sie sein könnte und würde, wenn jene Rechte nicht bestün= den. Diese Rente trägt bis 40 Millionen Besteuerung für den Staat. Wenn der Bauer sich frei und ungebun= den bewegen kann in der Bewirthschaftung seiner Acker= gründe, so wird er manches Stück Feld zu Wiese liegen lassen, manchen Acker zwei= auch dreimal mit einer ihm zu= sagenden Fruchtgattung besäen, und dadurch einen mehr sicheren und vortheilhafteren Ertrag für seine Mühen ha= ben, als dieß jetzt der Fall ist. In Märkten, welche Grund= tücke besitzen, ist die Dreifelder Wirthschaft gänzlich abge= schafft und gewöhnlich Wechselwirthschaft mit Benützung der Brache eingeführt, und doch wird man im Vergleich mit anrainenden Bauerngründen wenig Unterschied im Er= trage finden. Der Bauer hat aber bei der Dreifelder= Wirthschaft das dritte nur zur Hälfte mit Futterkräutern benützt, der zweite Drittheil ist reine Brache, der sechste Theil seines Grundes ohne Ertrag, da die Weide fast gar nicht in Anschlag zu rechnen ist; das macht 16 2/3 Prbt., welche wegen einen Zehntheil=Berechtigten, dem National= vermögen verloren gehen. (Fortsetzung folgt.) Gewerbliches. Wir haben in einem unserer früheren Blätter durch Mittheilung des Aufrufes und der Beschlüsse der hessischen Gewerbtreibenden zu Offenbach, die Gewerbtreibenden die= ser Provinz aufgefordert, die Wünsche und Vorschläge zur Hebung ihres durch eine unvernünftige Gewerbfreiheit be= drohten Gewerbetriebes den öffentlichen Blättern zu über= geben, damit so die Bedürfnisse der Betheiligten durch of= fene Besprechungen sowohl beleuchtet, als auch höheren Ortes vernommen werden. Daß die Regierung gedruckte Wünsche und Vorschläge berücksichtigen wird, dürfen wir mit aller Sicherheit hoffen. Die Regierung hat es noch vor wenig Wochen unter ihrer Würde gefunden, die Stimme der Buchdruckerpresse zu beachten und sie hat schon dafür gebüßt. Die Schriftsteller sind in einem constitutionellen Staate die Minister des Volkes und alles hochmüthige und vornehme Schimpfen und Lästern gegen sie, wird diese be= neidenswerthe, wichtige Stellung ihnen nie entwinden. Wer ein Herz für das Volk hat und muthig und offen spricht, der erntet, so wankelmüthig auch die Menge ist, doch zuletzt mehr Rosen als Dornen. Wir haben noch weit hin zu jenem erwünschten Rosensegen, nichts desto weniger ha= ben wir doch Beweise von Vertrauen erhalten, die wir als den ersten Lohn unserer erschöpfenden und durchaus nicht gefahrlosen Thätigkeit mit einer wahren Christ= baum=Freude empfingen. Unter diese Beweise rechnen wir das Ansinnen mehrerer Innungen hiesiger Gewerbsleute, ihren Wünschen bezüglich der Verbesserungen ihrer Ge= werbe in diesen Blättern Raum zu gönnen, welchem Ansin= nen hier mit Freude entsprochen wird. Darum stimmen wir aber noch nicht mit jeder Aeußerung, die wir hier mit= theilen überein und behalten uns vor unsere abweichenden Meinungen, so oft wir es nöthig erachten, geltend zu ma= chen. Einschlägige Entgegnungen werden uns von jeder Seite willkommen sein, wenn sie in anständigem Tone und in möglichster Kürze gehalten sind. Schuhmacher Die Schuhmacherinnung zu Steyr erklärt sich be= stimmt gegen die allgemeine Gewerbfreiheit und will 1. Schutz und Aufrechthaltung der Verkäuflichkeit der protokollirten oder radizirten Gewerbe, in demselben Sinne als sie bis jetzt bestanden haben. Denn im gegen= theiligen Falle wäre der Ankaufspreis gänzlich verloren und es kommt jedenfalls zu berücksichtigen, daß in Zeiten der Noth der Werth dieser Gewerbe dem hart betroffenen Ge= schäftsmann zu Anleihen und somit zu einem neuen Be= triebskapital verhalf. 2) Aufhebung des Hausierhandels. 3) Die gegenwärtig verliehenen Personalgewerbe sol= len auf Absterben der betheiligten Personalisten fortbestehen, in Zukunft soll aber nur die Gemeinde das Recht haben, die erforderlichen Personalge= werbe zu ertheilen. Da jedes Gemeinde=Mitglied es mag was immer für ein Gewerbe treiben, doch auch in der Lage ist, von anderen Gewerbtreibenden Bedürfnisse zu kaufen, so wird von der vorgeschlagenen Maßregeln weder eine Uebersetzung, noch ein Mangel von Gewerben zu fürch= ten sein. Da man für jeden Fall nicht die ganze Gemeinde zusammenrufen und Mann für Mann abstimmen lassen kann, so ist es in dieser, so wie zum Heile jeder andern Gemeinde=Angelegenheit freilich höchst nothwendig, daß die entscheidende Gemeinderepräsentation aus Mitgliedern be= stehe, welche das wahre Wohl der Gemeinde klar begreifen und gänzlich unbestechlich sind. Beides ist nicht immer schon dadurch allein erreicht, daß man die Gemeinde nicht von Beamten vertreten läßt. Ebenso soll die Heirathsbewilligung für Gesellen nur von der Gemeinde ertheilt werden können. 4) Die Innungen sollen bei ihren zeitgemäßen Rechten erhalten werden, und namentlich die Beurtheilung
der Meisterprobe ihnen allein, ohne Einfluß eines politi= schen Kommissärs überlassen bleiben. Färber. Die Färber sprechen den Wunsch aus, daß Drucker= gewerbe nur an gelernte Drucker, nicht aber auch an ge= lernte Färber verliehen werden sollen. Die Färber schlie= ßen sich dadurch dem Punkte d. in den Beschlüssen der hessischen Gewerbetreibenden an, welcher verlangt, daß jede Gewerbtreibende sein Fach erlernt haben soll. Sie be= gründen ihr Verlangen so: die Druckerei war vor Jahren eine freie Beschäftigung, es gab nie verkäufliche Drucker= gewerbe. In älterer Zeit war der Färber, wie noch mei= stens heut zu Tage, zugleich Drucker. Drucker, die keine Färber waren, gab es nicht. Diese entstanden erst in neuerer Zeit, und da sie als solche von Farbwesen keine Kenntnisse haben, beeinträchtigen sie, blos ihre Druckerei ausübend, den Erwerb der Färber gar nicht. (Von Fabri= ken ist hier freilich nicht die Rede, gegen deren Bestand aber auch nichts eingewendet werden will). Gegen die Ver= leihung von Drucker=Befugnissen an gelernte Drucker, wird somit keine Einsprache erhoben, nur sollen Druckerbefugnisse nicht an gelernte Färber verliehen werden, denn dieser Vorgang ist nur immer ein Unterschleif. Sieht der Ge= werbtreibende Färbergeselle und der Beamte, der ihn pro= tegirt, daß ein neues Färbergewerbe der Gemeinde durch= aus nicht aufzudrängen ist, so bekommt der Geselle ein Dru= ckerbefugniß und übt unter diesem falschen Aushängschilde das Gewerbe eines Färbers mit allen Rechten öffentlich aus. So wird der Wille der Gemeinde, so werden die Gesetze und die Innungsvorschriften umgangen und der neue Drucker und der Beamte haben ihren guten Nutzen. Der Letztere hat ihn ganz gewiß. Al. Jul. Schindler. Pfefferkörner. Im Anfange unseres Jahrhunderts, der sich ebenso gestaltete, wie sich die Mitte desselben, in der wir jetzt le= ben, nur in noch großartigeren Umrissen entfaltete, lebte ein französischer Artillerie=Offizier Namens Paul Louis Cou= rier. Er war ein ebenso gelehrter als tapferer Mann und übersetzte aus dem Griechischen ins Französische eben so gewandt, als aus dem Diesseits in das Jenseits. Im Jahre 1807 befand er sich mit Napoleons Schwager, den pracht= liebenden und heldenmüthigen Mürat im Neapolitanischen der dieses Königreich an der Spitze einer auserlesenen Armee für sich, oder vielmehr für die Dynastie Bonaparte er= kämpfte. Dynastie! was ist das für ein gewaltiges Ding, daß man Völker dafür in den Tod führt, als gälte es einen Kampf für die Freiheit, für die Religion, für die Nationalität? Dynastie! ist dieser Begriff ebenbürtig mit den hohen Begriffen, die wir ihm hier an die Seite ge= stellt haben! Diese gewichtige Frage beantwortet der Fran= zose Courier in einem Briefe auf die seinen Landsleuten angeborne, leichtfertige Weise: „Liebe Cousine! (schreibt er) Sie fragen mich was wir hier treiben? Wenig: wir erjagen ein kleines Königreich für die kaiserl. Dynastie — was ist das? das kann ihnen Moet, der berühmte Koch meines gnädigsten, noch um seine Krone kämpfenden Königs sagen; Mürat pflegt nämlich diesem Manne eine gewisse Achtung zu zollen, jedenfalls mehr Achtung als mancher gediegene Arzt, Justizmann, Künstler oder Offizier von ihm genießt, — wie dieß schon bei grossen Herren zum guten Ton gehört. Neulich sagte der König zu diesem Küchen= genie: Moet! für dich ist doch gar nichts auf der Welt, als deine Familie, die du ganz allein berücksichtigest. Deine Vettern, deine Muhmen, alle deine Verwandten, sie mö= gen viel, wenig oder nichts verstehen, stellst du in der Hofküche als Köche oder Saucen=Verderber (wie es nun eben ausfällt) an und machst große, dicke Herren aus ihnen.“ „Majestät“ erwiederte ihm der Koch „es ist meine Dynastie.“ Kurfürst Joachim II., ein Verehrer Luthers, besuchte diesen Reformator einst in Wittemberg. Dem guten Luther ging es damals auch nicht besser, als vielen Andern, die nach ihm gegen den Uebermuth und die Mißbräuche der Gewaltigen auf Erden schrieben. Vor Allem war er den ruhigen Leuten die Haus und Hof, ein gutes Ge= schäft, ein einträgliches Amt oder sonst werthvolle Sieben sachen besaßen, viel zu wenig gemäßigt. Alle wünschten immer, er sollte lieber alles mit der Ruthe Sanft, als mit dem Stabe Ernst schlichten. Luthern machte das oft viel Spaß, oft wurde er aber auch recht ärgerlich, wenn es ihm so scheinen mußte, als würde den Leuten vor ihrer eigenen Freiheit bange Als ihm bei jenem Besuche auch der Kurfürst Joa= chim vorwarf, warum er doch gar so heftig gegen die Großen schreibe — antwortete Luther: „Ein weidenes Rüth= lein kann ich mit einem Taschenmesser zerschneiden aber zu einer harten Eiche muß man eine scharfe Axt haben. Bei Franz Sandböck, Buch= Kunst= und Musikalien= händler in Steyr ist zu haben: Beiträge zum Verständniß der ständischen Bewegung in den deutsch=österreichischen Provinzen. Von Alexander Jul. Schindler, Redacteur der zwanglosen Blätter. Mit einem Anzeiger Nr. 15. Verantwortlicher Redacteur Alex. Jul. Schindler; Mitredacteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Sandböck und Haas in Steyr.
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