vernahmen auch persönlich sämmtliche inzwischen eingetre= tenen Herren aus Salzburg, und namentlich Hr. Landgraf Fürstenberg, Hr. M. Gschnitzer, Hr. Dr. Fischer, Hr. Mar= tin von Reichl und Andere. Hiernach erfolgte noch in Anwesenheit der Hrn. Gra= fen Hoyos und Wilczek eine freundliche Mittheilung über allfällige, weitere Maßnahmen, weil in dieser Stunde nicht bekannt sein konnte, welchen Fortgang die Ereignisse in Wien nahmen. Sogleich wurde beantragt, daß von Salzburg aus und auch im Namen von ganz Oberösterreich eine De= putation sich nach Innsbruck verfüge, und daselbst die glei= chen Gesinnungen und Bitten an Se. Majestät vorbringe. Ferner wurde beschlossen, daß auch die anderen Pro= vinzen aufgefordert werden, gemeinschaftlich Maßregeln zu berathen und zu ergreifen, welche zur Sicherstellung des konstitutionellen Staatslebens unter der gegenwärtigen Dy= nastie nöthig befunden würden; daß allenthalben auf Ein= heit, Beruhigung und Herhaltug der öffentlichen Sicherheit mit der gesammelten Kraft und Energie der echten Vater= landsliebe hingewirkt werde. Es wurde als Ziel des Ge= ammtstrebens festes Zusammenhalten aller Provinzen, ins besondere der gesammten deutschen Bevölkerung im Anschluße an Deutschland, erklärt, und bestimmt, Se. Majestät dringend zu bitten, den bisherigen, unverantwort= lichen Beirath zu entfernen und durch verantwortli= che Ministerial=Organe zu ersetzen. Zu einer allfälligen Berathung als Vorbereitung zum bevorstehenden Reichstage und zur Besprechung des Nöthi= gen wurde der 1. Juni d. J. bestimmt, und Linz der Ort der Versammlung bezeichnet. Die Deputation trat nun eilig ihre Rückkehr an, emp= fing unterwegs von sehr achtbaren, wohlunterrichteten Per= onen und Überbringern wichtiger Depeschen des Ministe= riums von Wien nach Tyrol die weitere, beruhigende Nach= richt, daß zu Wien den aufwühlenden konstitutionswi= drigen Tendenzen mit Kraft und Energie ein Ziel gesetzt werde und daß der gesunde Sinn der edlen Bewoh= ner Wien's den Sieg davon zu tragen im Begriffe sei. Die Deputation hielt es für ihre Pflicht, hiervon öf= fentlich die Kunde zu geben. Linz den 20. Mai 1848 W. Brunner. Ignaz C. v. Figuly. Vincenz Fink. J. H. Jungwirth. CLarl v. Planck. Die Abreise. Sonst gehen die Revolutionen vom Volke aus; dieß ist eine Hofrevolution. Kein Vorgang hätte Thron und Dynastie so tief erschüttern können, als dieser Schritt; das Haus Habsburg hat sich in die fürchterlichste Gefahr bege= ben. Aber auch für Land und Volk achten wir die Bege= benheit der heutigen Nacht als ein Unglück. Und fragen wir nach den veranlassenden Grund dieses ungeheuren Schrit= tes, so mischt sich in unsere Bestürzung der tiefste Unwil= len, denn wir finden zwischen Ursache und Wirkung ein fast komisches Verhältniß, und jede Maßgabe der Vernunft ver= chwindet. Ja, des Schrecklichen ist schon genug, wenn in einer verzweifelten Lage alles gewagt werden muß, um Al= les zu gewinnen; maßlos aber ist der Schmerz, der jede Seele ergreift, wenn das Gefährlichste gewagt wird, wenn Volk, Land, Dynastie mit einem schwindelnden Abgrund liebäugeln müssen — um ein Nichts! — Oder ist Jemand seicht genug, die Sturmpetition vom 15. Mai als einen ge= nügenden Grund von des Kaisers Abreise bezeichnen zu wollen? Wer verschuldete ihren ernsten Charakter, als die hartnäckigen Zögerungen der Minister? Wer kann behaup= ten, daß selbst in dem Momente der fieberhaftesten Aufre= gung die drohende Stimmung gegen Kaiser und Dynastie gerichtet war? Ja, sie war so gegen die Majestät gerich= tet, wie in den vulkanischen Märztagen, wo wir mitten un= ter dem heftigsten Feldgeschrei gegen die Tirannei das Haus Habsburg hoch leben ließen. — Und hätte sich am Morgen den 16. Mai der Monarch dem Volke gezeigt und fuhr er durch die Stadt, wie zwei Monate früher, so spannten sich wieder die Nacken der Unterthanen in das Joch seines Wa= gens, und der Jubel des Volkes trug ihn zu den Sternen empor. Warum haben die Satelliten des Kaisers ihm diesen Schritt nicht gerathen? Warum haben sie ihn nach Inns= bruck geschickt? Nicht der Kaiser war gefährdet, aber sie selber waren es in ihren feudalistischen Fantomen. Und darum mußte der Kaiser die Stadt verlassen. Der Adel war gebrochen, zur Strafe dafür sollte auch das Volk al= len Schrecken einer republikanischen Anarchie preis gegeben werden, darum mußte der konstitutionelle Kaiser einen Schritt thun, wie Ludwig XVI., darum sollte seine Abreise das Signal zu jedem gräuelvollen Verderben eines hauptlosen Staatskörpers geben. Ja wir schreiben diesem Tage seine Devise: Die Aristokratie benützte den Kaiser als Mittel ihrer Privatrache! — Aber feierlich erheben wir die Hände, und schwören im Angesichte von 34 Millionen verrathenen Mit= bürgern: nicht eher darf Österreich ruhen, als bis es dieses Verbrechen bestraft hat. Es muß untersucht werden, wer die Person des Kaisers in der Stunde seiner Abreise um= gab, und auf seinem Entschluß zu diesem Schritte Ein= fluß übte. Es muß untersucht werden, wer auch dem populären Erzherzog Franz Karl seinem künftigen Volk raubte, damit der Schlag vollständig würde. Die ganze Verschwörung der aristokratischen Hofcamarilla muß ans Licht eines öffentlichen Gerichtes — und wehe den Schul= digen! Des Hochverrathes klagen wir sie hiermit im Na= men der ganzen österreichischen Nation an; denn wenn Hoch= verrath kein leerer Schall ist, und irgend ein Verbrechen an Majestät und Volk diesen schrecklichen Namen trägt, so haben sie todeswürdigen Hochverrath begangen, die einen konstitutionellen Fürsten in nächtlicher Stunde ohne vorher= gegangenen Bekanntmachung, ohne den blassesten Schein= grund für diese unwürdige Eile zu einer fluchtähnlichen Ab= reise überredet. Gericht begehren wir schon für die Verle= tzung eines Privateigenthums, Gericht und Urtheil fordern wir für die Majestätsverbrecher welche an der österrei= chischen Nation in der Nacht des 17. Mai einen Regenten=Diebstahl begingen. Wiens Haltung am 18. Mai. Wenn der Monarch aus dem Lande weicht, so steht die Moral des Volkes auf der Probe. Die Majestät ist das verkörperte Gesetz, für Tausende kann es in der Idee aufgehoben scheinen, wenn es in der Person nicht mehr an= wesend ist. Die Majestät ist der Punkt, der alle Fäden des Staatslebens zusammenhält, das Gewebe löst sich auf und alles kreuzt und zerrüttet sich nach vereinzelter Will= kühr wenn dieser Einigungspunkt hinwegfällt. Aber Preis und Ehre und unsterblicher Ruhm unserer Stadt! sie hat in der Geschichte der Kultur einen bleibenden Lorbeer ge= wonnen. Wien hat d. 18. Mai das Signal zur tiefsten Ge= setzlosigkeit bekommen, und es ist ihm nicht gefolgt. Wien hat seinen höchsten Richter verloren und ist nicht schuldig geworden. Wien hat von seinem Oberhaupte sich verlassen gesehen, und jedes einzelne Glied wurde ein denkendes Haupt! Diese Thatsache ist einzig in der Geschichte der Völker, oder nicht viele dürften zur Herrlichkeit dieser moralischen Erschei= nung hinanreichen. Glänzend hat Wien die Berechnungen seiner Feinde Verderber und Wühler, jener aristokratischen Monarchen=Diebsbande zu Schanden gemacht, welche die Stadt dem äußersten Verderben preis zu geben, alle Par= theien zu entfesseln, alle Elemente zu verwirren und das Volk durch das Volk aufzureiben gedachte, indem es das
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