Zwanglose Blätter, Nr. 19, vom 21. Mai 1848

mit denen wir so glücklich waren, daß die ganze Welt über unser Glück lachte! Vor der Camarilla, die den Kaiser umgab die ihn bis zum 15. März gefangen hielt, die ihn am 17. Mai entführte, kam dieser Rathschlag, den sie wird nie veransworten können, wenn ihr Stammbaum noch so alt, ihr Tiel noch so hoch, ihr boßhafter Uebermuth noch so ungeheuer wäre. Wißt ihr was eine Camarilla ist? Eine Camarilla ist ein kleines Geschwür am Staatskörper das aber alle gesunden Säfte desselben selbst aus den äußer= sten Gliedern in sich saugt, und nachdem es dieselben in sich gesogen hat, verdirbt es sie alle zu einem eckelhafter Gifte. Endlich stirbt die Liebe des Monarchen zu seinem Volke, das Vertrauen des Volkes zu seinem Monarchen, alles löst sich auf in allgemeiner Verwesung und alles dieses ist das Werk der Camarilla, - der Camarilla, die uns unsern Kaiser entführt hat. Die Camarilla baute ihren Plan darauf, daß un= mittelbar nach der Abreise des Kaisers die Republik aus= gerufen, die Bürger gegen einander zu den Schwertern greifen, die besser gesinnte Mehrzahl vielleicht die Ober= hand gewinnen, jedenfalls aber die überwundenen Schlech= ten und die ermüdeten Guten zugleich von einer heran= rückenden Waffenmacht unter das alte Joch werden gebracht werden können. Nach den uns bis jetzt zugekommenen Nach= richten hat sich die Camarilla getäuscht und wir leben der Hoffnung, daß die Republik in Wien nie eingeführt, der Kaiser aber bald unter den Segenswünschen seiner ver= läumdeten Unterthanen seinen Einzug in die Burg seiner Väter halten wird. Sollten es aber dennoch Unsinnige wagen, die Re= publik in Wien auszurufen, sollte der Unsinn siegen und Wien für den Augenblick sich als Republik erklären, so protestiren wir im vorhinein feierlichst gegen diesen Schritt. Wir wollen keine Republik, — wir wollen einen Staat auf den Grundfesten einer freisinnigen Verfassung, die zu Stan= de gekommen durch Berathung und durch den Willen der Volksvertretung einer= und des Kaisers andererseits, die Rechte des Regenten und des Volkes festsetzt, — wir wol= len die konstitutionelle Monarchie aber wir wollen auch die Beseitigung einer unverbesserlichen Bureaukratie die nach metternichischen Mustern fortarbeiten will, die Besei= tigung einer unerträglichen Camarilla, der es noch nie klar geworden ist, daß das Glück des Volkes der Zweck des Staates ist. Alex. J. Schindler. F. W. Arming. Welche Vortheile gewährt die so oft ange= regte Gewerbefreiheit vor vernünf= tiger Beschränkung derselben? Der allgemeine Umschwung der polit. Verhältnisse wird ohne Zweifel auch auf den Gewerbestand einen bedeuten= den Einfluß üben. Nach dem Vorgange der freien Staaten in Nordamerika, der Schweiz und einiger konstitutionel= len Staaten Europas und nach den Stimmen mancher öffent. Blätter wird es wahrscheinlich auch bei uns zu einer Frei= gebung der Gewerbe kommen. Es ist mir — einem schlich= ten Bürger und Gewerbsmann — ein auffallendes Faktum, daß in volksvertretenden Staaten einer Sache das Wort gesprochen wird, die nach meiner Ansicht den völligen Ruin des Gewerbestandes herbei führen muß. In meinem — und ich bin überzeugt, im Interesse der ganzen gewerbetreiben den Klasse — möchte ich über diesen Gegenstand genügende Belehrung und Erläuterung erhalten. Von der gewährten Rede= und Preßfreiheit Gebrauch machend, will ich in diesen Zeilen meine Ansicht von viel= eicht beschränktem, aber, wie ich meine, nicht unpraktischem Gesichtspunkte in Kürze darlegen, hoffend daß ein, mit umfassenderen Kenntnissen ausgerüsteter Mann die Sache auffassen, gründlich und mehrseitig beleuchten möge. Jeder Gewerbsmann weiß, und wird es mit mir be= kennen müssen, daß bei der bisherigen Verfassung der Ge= werbe überhaupt, und besonders die sogenanten Kommer= zial=Gewerbe, unter dem Drucke einer maßlosen Konkurrenz seufzen; so zwar, daß, abgesehen von der Entwerthung der bürgl. Gewerbe, auf dessen Besitz noch in der Regel die meisten Lasten ruhen, sein Einkommen so geschmälert ist, daß allmählich eine gänzliche Verarmung des Bürgerstan= des in Aussicht steht. Sehen wir uns um in größern und kleinern Städten, und das Gesagte wird seine reichliche Bestätigung finden. Wie viele aus dem Mittelstande der Gewerbetreibenden ge= hören noch zu den Wohlhabenden, und welche Gewerbe zu den noch einiger Massen einträglichen und guten? Der Wohlhabende bedarf aller Umsicht und allen Fleiße um seinen Besitz durch das Gewerbe (ohne Geldmäkelei und In= teressenwucher) in einigem Gleichmasse zu erhalten. Die größte Zahl der Unbemittelten aber, die ihr Gewerbe mit Schulden übernehmen, haben eine Last zu gewältigen, die sie oft zeitlebens zu bedauernswerthen Sclaven ihrer Noth macht, einer Noth, einer Armuth, die, weil verschämt, den Bettler noch glücklich preiset, der ungenirt von Thür zu Thür um Allmosen wandert. — Oder ist es nicht so ? — Und was ist die Ursache? — Was anders als die un= gemessene Konkurrenz des Gewerbsgenossen. Wie hat sich nicht durch die Staats=Concessionen seit einigen Jahrzehn= ten ihre Zahl vermehrt! Nicht blos verdoppelt, vervierfacht oft ins 10fache gehen manche Gewerbe. In größern, wie in kleinern Städten sind die Posten überfüllt, selbst in Märk= ten und Dörfern sind Gewerbe entstanden, die zu ihrer Exi= stenz nothwendig eines größern Bezirkes brauchen. Es ist nicht in Abrede zu stellen, daß durch die ver= mehrte Konkurrenz des Guten manches erwachsen sei. Der dadurch veranlaßte Wetteifer der Mitbewerber hat ihre Verstandeskräfte angeregt und geschärft, was im Allgemei= nen schönere und auch oft wohlfeilere Waare her= vorbrachte, als sie vordem geliefert wurden. Es verdient dieses billige Anerkennung jedes denkenden Geschäftsman= nes, und es wäre thöricht und ungerecht dem früheren Mo= nopole und Zunftzwange das Wort sprechen zu wollen. Dem ungeachtet aber mag ich weder der bisherigen Verfassung noch einer in Aussicht stehenden Gewerbefrei= heit beistimmen. Soll eine Konkurrenz heilbringend sein, so

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