Zwanglose Blätter für Oberösterreich. Nro. Steyr am 21. Mai 1848. 19. Rabennest, eine Camarilla: O Majestät, o seid gewarnt! Wir hörtens deutlich eben: Ihr seid von schlechtem Volk umgarnt, Man strebt euch nach dem Leben! Waldmärchen von Rollett. Den 15. Mai und die Abreise des Kaisers von Wien. Nachdem wir in der außerordentlichen Beilage zu Nr. 18 dieser Blätter auf Grundlage der uns zugekommenen dürftigen Nachrichten eine gedrängte Erzählung der Ereig= nisse von 14. und 15. d. M. in Wien gegeben haben, sind wir jetzt im Stande nach Empfange genauer und zuver= läßlicher Berichte von vielen Seiten nicht nur eine erschö= pfendere Erzählung der an diesen Tagen eingetretenen Ereig= nisse sondern auch aller jener nachgefolgten Thatsachen zu liefern, die jetzt die ganze Monarchie aufs Tiefste erschüt= tern und jedem Gutgesinnten mit Bangigkeit erfüllen müß= ten für — die Sache der kaum errungenen Freiheit, wenn diese in sich selbst in ihrer menschlich heiligen Würde nicht den festesten Halt gegenüber den verrätherischen Rathschlä= gen einer in ihrem Ansehen und ihrem Einkommen arg be= schränkten Bureaukratie, gegenüber einem kleinen Häuflein unverbesserlicher Hofschranzen finden müßte, das da glaubt: der Schmid schlage nur darum vom grauenden Tag bis in die sinkende Nacht auf den Ambos, der Bauer führe nur darum seinen Pflug, damit es sich seine Uniformen reicher sticken, seine Equipagen glänzender halten, seine Beutel fetter spicken könne. Die Nationalgarde Wiens errichtete ein Central=Komité, dessen Absicht es war, die Geschike und Bedürfnisse unseres Vaterlandes in diesen Tagen zu erwägen, darüber Be= schlüsse zu fassen, die Nothwendigkeit eines festeren und entschiedeneren Auftretens durch Vorstellungen, nöthigenfalls bei dem Kaiser selbst klar zu machen, und so das Vertrauen das die Nationalgarde bei allen Klassen der Bevölkerung besaß, auf eine dem Vaterlande fruchtbringende Weise, zu benützen. Hierzu war die Nationalgarde vollkommen berech= tigt, da die seit dem 15. Mai aufgehobene Verfassungsurkunde vom 25. April, das freie Versammlungsrecht den Staates= bürgern zugestand, die Nationalgarde selbst aber um so mehr zu einer solchen Wirksamkeit sich berufen fühlen durfte, da ihre ausgesprochene Ansicht, ihre dargelegte Überzeugung jedenfalls für die des Kernes des Volkes, der Männer von 20 bis 50 Jahren zu halten ist; der Männer, die jung genug zum Handeln und alt genug zur richtigen Würdigung der Verhältnisse, durch tausend Bande des Gewerbes, des Fa= milienlebens, der Nationalität und der Ehre an den Boden des Vaterlandes geknüpft sind, und die wol wissen, daß jede Wunde, die sie diesem schlagen, in ihr eigenes Fleisch geht. Über die Berechtigung sich in dieser Weise zu ver= sammeln entstanden Zweifel bei den Ministern, wozu wol übergreifende Beschlußfassungen, die man der Neuheit der Mitglieder in den jetzigen Verhältnissen zu Gute halten darf, beigetragen haben müssen. Das Ministerium aber statt auf gesetzlichem Wege die etwa ins Unrechtmässige schweifenden Schritte des Komités zu hemmen, griff sogleich zu den äußersten Mittel, und beschloß, ohne vorher gegan= gener Untersuchung gegen die einzelnen Mitglieder, ohne Berücksichtigung des §. 19 der Verfassungsurkunde die Auf= hebung des Komités. Dieser Beschluß wurde der National= garde vom 13. Mai d. J. bekannt gegeben. Jeder einzel= ne Nationalgarde sah sich dadurch in seinem Rechte als konstitutioneller Staatsbürger gekränkt, und sie versammel= ten sich in Masse. Aber nicht nur dieses Tagesbefehl, das ganze Verfahren des Ministeriums wurde jetzt besprochen. Man erinnerte sich, daß das Preßgesetz so schlimm wie die alte Censur war, — man erinnerte sich, daß uns verspro= chen war, die Verfassung des Staates werde uns von den Reichsständen gegeben werden, und daß man uns dieselbe, ohne die Reichsstände gefragt zu haben, vorgeschrieben hatte. Man erwog, daß durch das schlechte Wahlgesetz wenig freisinnige Männer zu den Reichsständen erwartet werden konnten, — man erinnerte sich, daß man den Tsche= chen Zugeständnisse gemacht hatte, zu denen nur die Reichs= stände berechtigt gewesen wären, und die kränkend für die deutschen Provinzen sein mußten. Man sah nur Männer von der Farbe der alten Regierung zu hohen Staatswür= den befördert — man sah das Spionirsystem der verhaßten Polizei aus allen Winkeln wieder lauschen und lauern. Man sah die Person des Kaisers noch immer von Hofleuten um= geben, die trotz ihres freundlichen Lächelns doch den alten Haß, den alten Übermuth gegen das arme, brave, treue aber leider nicht adelig gevorene Volk in ihren verstokten Herzen trugen.
Es wird Niemand läugnen, das England das Mu= ster eines konstitutionellen Staates ist; doch ist es dorten für unvermeidlich anerkannt, so oft ein anderer Regierungs= grundsatz zur Herrschaft kommt, d. h. so oft das Ministe= rium gewechselt wird auch alle Personen, welche die näch= ste Umgebung der Königin bilden, von ihr zu entfernen und alle Hofchargen mit Männern und Frauen zu besetzen, die als Anhänger des neuen Grundsatzes hinlänglich erprobt sind. Dieses geschah in Wien nicht. Das Ministeriun „Metternich“ war gefallen, jedoch um die Person des Kai= ers bleiben dieselben Männer, die durch ihre treue Anhäng= lichkeit an die Absichten des Fürsten Metternich, die durch ihre blinde Hilfeleistung bei allen seinen Plänen sich ihre hoch besoldeten Posten erworben haben. Als die Nationalgarden diese Zustände reiflich erwo= gen hatten, beschlossen sie, eine Petition dem Kaiser zu über= reichen: er wolle den Tagsbefehl vom 13. Mai aufheben, das provisorische Wahlgesetz umändern, für den ersten Reichs= tag vor der Hand nur eine Kammer bewilligen, und statt der gegebenen Constitution eine neue und bessere von den schnellstens einzuberufenen Reichsständen berathen lassen. Die Nationalgarden und die übrigen Bürger beschlossen die Deputation, welche die Petition überreichen sollte, in Masse in die Burg zu begleiten, und als die Nachricht kam, daß auf dem Glacis die ganze Garnison mit 40 Kanonen aus= gerükt stand, so rükten auch die Nationalgarden in Waf= fen aus, zur Sicherheit ihrer eigenen Personen gegenübe den Gewaltmitteln, die man gegen sie entwikelt hatte. Der Kaiser aber bewilligte der Deputation ohne allem An= stand, die gebetenen Abhilfen und jubelnd empfing das Volk diesen neuen Beweis der Herzensgüte der aufrichtigen Frei= heitsliebe seines Monarchen. Es stellte sich nach und nach die Ruhe wieder her; als am 17. Mai dem Ministerium die mündliche unerwartete Kunde zukam, der Kaiser habe aus Gesundheitsrüksichten, in Begleitung der Kaiserin, des Erzherz. Franz Karl, dessen Gemalin und dessen 3 Prin= zen Wien verlassen, und sei nach Innsbruck abgereiset. Das Ministerium ließ hierüber nachstehende Kundmachung auf alle mögliche Weise verbreiten Kundmachung Heute in der neunten Abendstunde ist dem Ministe= rium die mündliche unerwartete Mittheilung zugekommen, daß Se. Majestät der Kaiser aus Gesundheits=Rücksichten in Begleitung der Kaiserin und des durchlauchtigsten Erz= herzogs Franz Carl sammt seiner erlauchten Gemalin und drei Prinzen die Residenz verlassen, und die Route nach Innsbruck eingeschlagen haben. Das unterzeichnete Ministerium, welches die Gründe und näheren Umstände dieser Reise nicht kennt, sieht sich verpflichtet, dieselbe zur Kenntniß der Bevölkerung der Resi= denz zu bringen. Dasselbe hat es als seine erste Pflicht erkannt, in der Person des Obercommandanten der Nationalgarde Grafen Hoyos eine vertrauenswürdige Person an Se. Majestät sogleich in der Nacht abzusenden, und die drin= gende Bitte zu stellen, daß die Bevölkerung durch die Rück= kehr des Kaisers oder durch eine offene Darstellung der Gründe, welche dieselbe unmöglich machen beruhiget werde. Derselbe dringende Wunsch wird dem Herrn Erz= herzoge durch die Absendung des Präsidenten Grafen Wilc= zek vorgetragen werden. Der Ministerrath erkennt eben so in diesem wichtigen Augenblicke die heilige Pflicht den Interessen des Vater= landes seine ungetheilte Sorge und Aufmerksamkeit zu widmen, und unter seiner Verantwortung so zu handeln, wie es die Umstände erheischen. Die Unterstützung der Mitbürger und aller Gutgesinnten wird ihn in den Stand setzen, Ruhe und Ordnung aufrecht zu halten, und zur Be= ruhigung der Gemüther beizutragen. Was über dieses Ereigniß zur Kenntniß der Minister gelangt, wird jedes= mal getreu und vollständig zur allgemeinen Kenntniß ge= bracht werden, so wie dieselben, sobald sie directe Auf= träge oder Mittheilungen von dem Monarchen erhalten, dieselben veröffentlichen werden. Wien am 17, Mai 1848. Die interimistischen Minister: Pillersdorff. Sommaruga. Krauß. Latour. Doblhoff. Baumgartner. Dieser Schritt des Kaisees hat unser geliebtes Va= terland in die gefährlichste Lage gebracht. Es haben sich hier die Gerüchte verbreitet, die Person des Kaisers sei bedroht gewesen, und er habe darum flüchten müssen. Alle Briefe, alle Zeitungen, alle Mauer= anschläge, alle Flugschriften, die uns seit dem 15. Mai zahlreich aus Wien zugekommen sind erwähnen mit keinem Worte der minde= sten Bedrohung, auch nur der kleinsten Ge= fahr der Sicherheit der Person unsers Mo= narchen, — ja, das verantwortliche Ministerium erklärt laut in seiner Kundmachung vor ganz Wien, vor der ganzen Monarchie, vor der ganzen Welt, daß es die Gründe der Abreise des Kaisers nicht kenne. Wer will uns gegenüber dieser Thatsache glauben ma= chen, daß die Person des Kaisers wirklich bedroht war? Wer will uns glauben machen, wenn Ereignisse wirklich statt gefunden hätten, die bedrohlich für die Person des Kaisers waren, daß sie allen sechs verantwort= lichen Ministern bis auf den 17. Mai 1848 um 9 Uhr Abends unbekannt bleiben konn= ten? Wir müssen daher offen erklären, daß wir die Abreise des Kaisers von Wien, dieses unheilvollste Er= eigniß in der Geschichte unsers Vaterlandes lediglich dem böswilligen oder hirnlosen Rathe einer Partei zuschreiben müssen, die durch das Aufblühen der Freiheit in allen ihren angemaßten Rechten verletzt, Tag und Nacht nur darauf sinnt, die ihr so verhaßte Freiheit zu verdächtigen, das Volk in die unglückseligsten Verwiklungen zu führen, damit es betroffen schreien soll: gebt uns unsere alten Hofräthe und Kammerherren ,— gebt uns den Metternich und sein System gebt uns den Sedlnitzky und seine Schaaren, — gebt uns die geheime Polizei und die öffent= liche Verschwendung der Staats= und Armeegelder wieder,
mit denen wir so glücklich waren, daß die ganze Welt über unser Glück lachte! Vor der Camarilla, die den Kaiser umgab die ihn bis zum 15. März gefangen hielt, die ihn am 17. Mai entführte, kam dieser Rathschlag, den sie wird nie veransworten können, wenn ihr Stammbaum noch so alt, ihr Tiel noch so hoch, ihr boßhafter Uebermuth noch so ungeheuer wäre. Wißt ihr was eine Camarilla ist? Eine Camarilla ist ein kleines Geschwür am Staatskörper das aber alle gesunden Säfte desselben selbst aus den äußer= sten Gliedern in sich saugt, und nachdem es dieselben in sich gesogen hat, verdirbt es sie alle zu einem eckelhafter Gifte. Endlich stirbt die Liebe des Monarchen zu seinem Volke, das Vertrauen des Volkes zu seinem Monarchen, alles löst sich auf in allgemeiner Verwesung und alles dieses ist das Werk der Camarilla, - der Camarilla, die uns unsern Kaiser entführt hat. Die Camarilla baute ihren Plan darauf, daß un= mittelbar nach der Abreise des Kaisers die Republik aus= gerufen, die Bürger gegen einander zu den Schwertern greifen, die besser gesinnte Mehrzahl vielleicht die Ober= hand gewinnen, jedenfalls aber die überwundenen Schlech= ten und die ermüdeten Guten zugleich von einer heran= rückenden Waffenmacht unter das alte Joch werden gebracht werden können. Nach den uns bis jetzt zugekommenen Nach= richten hat sich die Camarilla getäuscht und wir leben der Hoffnung, daß die Republik in Wien nie eingeführt, der Kaiser aber bald unter den Segenswünschen seiner ver= läumdeten Unterthanen seinen Einzug in die Burg seiner Väter halten wird. Sollten es aber dennoch Unsinnige wagen, die Re= publik in Wien auszurufen, sollte der Unsinn siegen und Wien für den Augenblick sich als Republik erklären, so protestiren wir im vorhinein feierlichst gegen diesen Schritt. Wir wollen keine Republik, — wir wollen einen Staat auf den Grundfesten einer freisinnigen Verfassung, die zu Stan= de gekommen durch Berathung und durch den Willen der Volksvertretung einer= und des Kaisers andererseits, die Rechte des Regenten und des Volkes festsetzt, — wir wol= len die konstitutionelle Monarchie aber wir wollen auch die Beseitigung einer unverbesserlichen Bureaukratie die nach metternichischen Mustern fortarbeiten will, die Besei= tigung einer unerträglichen Camarilla, der es noch nie klar geworden ist, daß das Glück des Volkes der Zweck des Staates ist. Alex. J. Schindler. F. W. Arming. Welche Vortheile gewährt die so oft ange= regte Gewerbefreiheit vor vernünf= tiger Beschränkung derselben? Der allgemeine Umschwung der polit. Verhältnisse wird ohne Zweifel auch auf den Gewerbestand einen bedeuten= den Einfluß üben. Nach dem Vorgange der freien Staaten in Nordamerika, der Schweiz und einiger konstitutionel= len Staaten Europas und nach den Stimmen mancher öffent. Blätter wird es wahrscheinlich auch bei uns zu einer Frei= gebung der Gewerbe kommen. Es ist mir — einem schlich= ten Bürger und Gewerbsmann — ein auffallendes Faktum, daß in volksvertretenden Staaten einer Sache das Wort gesprochen wird, die nach meiner Ansicht den völligen Ruin des Gewerbestandes herbei führen muß. In meinem — und ich bin überzeugt, im Interesse der ganzen gewerbetreiben den Klasse — möchte ich über diesen Gegenstand genügende Belehrung und Erläuterung erhalten. Von der gewährten Rede= und Preßfreiheit Gebrauch machend, will ich in diesen Zeilen meine Ansicht von viel= eicht beschränktem, aber, wie ich meine, nicht unpraktischem Gesichtspunkte in Kürze darlegen, hoffend daß ein, mit umfassenderen Kenntnissen ausgerüsteter Mann die Sache auffassen, gründlich und mehrseitig beleuchten möge. Jeder Gewerbsmann weiß, und wird es mit mir be= kennen müssen, daß bei der bisherigen Verfassung der Ge= werbe überhaupt, und besonders die sogenanten Kommer= zial=Gewerbe, unter dem Drucke einer maßlosen Konkurrenz seufzen; so zwar, daß, abgesehen von der Entwerthung der bürgl. Gewerbe, auf dessen Besitz noch in der Regel die meisten Lasten ruhen, sein Einkommen so geschmälert ist, daß allmählich eine gänzliche Verarmung des Bürgerstan= des in Aussicht steht. Sehen wir uns um in größern und kleinern Städten, und das Gesagte wird seine reichliche Bestätigung finden. Wie viele aus dem Mittelstande der Gewerbetreibenden ge= hören noch zu den Wohlhabenden, und welche Gewerbe zu den noch einiger Massen einträglichen und guten? Der Wohlhabende bedarf aller Umsicht und allen Fleiße um seinen Besitz durch das Gewerbe (ohne Geldmäkelei und In= teressenwucher) in einigem Gleichmasse zu erhalten. Die größte Zahl der Unbemittelten aber, die ihr Gewerbe mit Schulden übernehmen, haben eine Last zu gewältigen, die sie oft zeitlebens zu bedauernswerthen Sclaven ihrer Noth macht, einer Noth, einer Armuth, die, weil verschämt, den Bettler noch glücklich preiset, der ungenirt von Thür zu Thür um Allmosen wandert. — Oder ist es nicht so ? — Und was ist die Ursache? — Was anders als die un= gemessene Konkurrenz des Gewerbsgenossen. Wie hat sich nicht durch die Staats=Concessionen seit einigen Jahrzehn= ten ihre Zahl vermehrt! Nicht blos verdoppelt, vervierfacht oft ins 10fache gehen manche Gewerbe. In größern, wie in kleinern Städten sind die Posten überfüllt, selbst in Märk= ten und Dörfern sind Gewerbe entstanden, die zu ihrer Exi= stenz nothwendig eines größern Bezirkes brauchen. Es ist nicht in Abrede zu stellen, daß durch die ver= mehrte Konkurrenz des Guten manches erwachsen sei. Der dadurch veranlaßte Wetteifer der Mitbewerber hat ihre Verstandeskräfte angeregt und geschärft, was im Allgemei= nen schönere und auch oft wohlfeilere Waare her= vorbrachte, als sie vordem geliefert wurden. Es verdient dieses billige Anerkennung jedes denkenden Geschäftsman= nes, und es wäre thöricht und ungerecht dem früheren Mo= nopole und Zunftzwange das Wort sprechen zu wollen. Dem ungeachtet aber mag ich weder der bisherigen Verfassung noch einer in Aussicht stehenden Gewerbefrei= heit beistimmen. Soll eine Konkurrenz heilbringend sein, so
muß sie — nach meiner Ansicht — innerhalb gewisser Schran= ken sich bewegen. Keine Konkurrenz soll dem bestehenden Gewerbsmanne so beeinträchtigen, daß da= durch der Ruin seiner Subsistenz herbei ge= führt werde. Ist der Grundsatz richtig: Jedem Bürger des Staa= tes soll Gelegenheit gegeben werden, sich auf rechtliche Weise seinen Unterhalt zu verschaffen; so ist es nicht minder rich= tig, daß der bereits bestehende Gewerbsmann das ältere Recht hat vom Staate Schutz seiner Erwerbsquellen zu verlangen. Der bürgl. Gewerbsmann hat sein Gewerb oft theuer erkauft, hat es vielleicht mit Schulden überneh= men müssen, und überdieß gewöhnlich größere Staatslasten zu tragen, als der, der ganz wohlfeilen Preises in die glei= chen Rechte eingesetzt ist. Will Ersterer als ein ehrlicher Mann fortbestehen, so muß er seinen Verbindlichkeiten genau nachkommen, er hat als Familienvater die heil. Pflicht nicht blos für die Gegenwart, auch für die Zukunft der Seini= gen zu sorgen. Er bedarf bei den verschiedenen Wechsel= fällen des Lebens eines ersparten Nothpfennigs um in Ta= gen des Unglücks und die Stockung des Erwerbes nicht darben müssen; mithin dürfen dem Geschäftsmanne die Quel= len nicht zu sehr beengt werden, es muß ihm ein angemes= senes Feld seiner Thätigkeit ihm gesichert bleiben. Nur wenn es unbeschadet der Existenz des beste= henden Gewerbsmannes geschehen kann, kann die Zulassung bei sonstiger Qualifikation eines Mitbewerbers gestat= tet werden. Diese Verhältnisse wird aber nicht immer die Regierung*) sondern viel richtiger (?) der Gemeinde=Aus= schuß oder Bürgerrath des Ortes beurtheilen und entscheiden können. Wie verkehrt das bisherige System war, und wie drückend für die Lage des stabilen Gewerbsmann, wird keinem unbekannt sein. Die traurigen Folgen liegen zu sehr am Tage. Dem Bewerber eines Kommerzial=Gewerbes sind bis= her seitens der Regierung soviel als gar keine Schran= ken gesetzt worden; hat er sein Lehr= und Sittenzeugniß bei= bringen können, so durfte er, trotz der triftigsten Gegen= vorstellungen der Orts=Obrigkeit, eines günstigen Bescheides versichert sein. Ob dadurch das betreffende Gewerbe ver= doppelt oder vervierfacht wurde, ob er sich selbst oder einen Genossen, oder sich beide zugleich zu Grunde richten werden, galt ihr gleich. Hauptsache war für sie, daß er seine Steuer bezahle, und so der bodenlose Säckel des Staa= tes wieder einen Zuwachs erhalte; das Übrige blieb unbe= rücksichtigt. In dem Befolgen eines so schlechten Systems sind denn auch die traurigen Folgen zu suchen, die das Gewerbe= und Gemeindewesen erfahren hat. Der Bürgerstand ist vor seiner Wohlhabenheit herab gekommen und verarmt, und mancher koncessionirter Neuling hat in seiner Unerfahren= heit und jugendl. Leichtsinne nur das gewonnen, daß er *) Einverstanden. D. R. nicht blos für sein persönliches Fortkommen, sondern für eine immer stärker anwachsende Familie zu sorgen hat. Für sich also hat er nichts gewonnen, den andern aber gescha= det. — Soviel von der bisherigen Verfassung. Wird und kann es mit der Freigebung der Gewerbe besser werden! Der Gewerbestand der an den Segnungen der ga= rantirten neuen Verfassung auch mit Recht An= theil nehmen möchte, blickt mit größerer Bangigkeit denn je in die Zukunft. In der Gewerbefreiheit sieht er kein Heil. Talent gepaart mit günstigen pekuniären Verhält= nissen wird die Oberhand gewinnen und den strebsamen Un= bemittelten erdrücken. Es wird dann, wie in England rei= che Fabrikanten und in der großen Mehrheit abhängige Arbeiter geben, und der goldene Mittelstand die Säule und Grundfeste des Staates zu Grabe gehen. Der Zusammentritt der Reichsstände wird in Bälde erfolgen. Die Vertreter der verschiedenen Stände werden ihre Stimme erheben. Werden und können sie aber bei der Neuheit der Sache in ihre Interessen und Bedürfnisse gehö= rig eingeweiht und davon durchdrungen sein? Gewiß wird es nicht ohne Nutzen sein, das Wichtigste schon vorher ei= ner öffentlichen Beleuchtung auszustellen, und dürfte wohl für den Gewerbestand eine Frage wichtiger wie die oben angeregte sein? — Möchte es ein wahrer Volksfreund über= nehmen. Ob das Urtheil für diese oder jene Ansicht aus= fällt, kann gleichgiltig sein, wenn es nur das Beste ist. Gebe Gott, daß wir einer bessern Zukunft entgegen gehen St—r Unsere Zeit. Deutschland. Der Fünfziger=Ausschuß zu Frankfurt am Main hat es endlich laut ausgesprochen, daß die treulosen und wider= spänstigen Böhmen mit der Schärfe des Schwertes dem deutschen Bunde einverleibt werden müssen. Die Böhmen sind bundesbrüchig. Ans Werk. Die Ungarn werden un= sere natürlichen Bundesgenossen gegen die Slaven sein, die von Deutschland nur für ihren Treuebruch einen Zwang, keinerlei Zwang aber für ihre Nationalität, für ihre kon= titutionelle Freiheit werden zu fürchten haben. Ein Sieg des deutschen Bundesheeres in Böhmen wäre das wirksam= ste Mittel gegen die Absonderungsgelüste in den übrigen Provinzen. Das Erscheinen deutscher Bundestruppen in Italien würde einen entschiedenen Sieg bald herbei führen, der Besitz der adriatischen Küsten wäre gewonnen, und der innigste Anschluß an Deutschland würde unsre alten Wun= den heilen, statt uns neue zu schlagen, wie Viele dem Volke glauben machen wollen. Polen. Der Kaiser von Rußland hat sich erklärt Polen als ein selbständiges Reich unter dem Herzog von Leuchtenberg, einem Schwiegersohn, herzustellen. Ein selbständiges Po= len unter der Regierung eines Königs der seine Krone und seine Frau dem Kaiser Nikolaus verdankt! Würde dieser König mehr sein als ein kaiserl.=russischer Beamter, mit einer ungeheuern Besoldung, zu deren Vergrößerung Österreich durch Abtretung Galiziens, Preußen durch Ab= tretung seiner polnischen Landestheile beitragen müßte? Die Preußen können noch immer nicht dem polnischen Aufstande Herr werden, obwohl sie die Sensenmänner auf vielen Punkten geschlagen haben. Eine Nachricht die In= surgenten hätten sich auf Gnade und Ungnade ergeben, hat sich bis jetzt nicht bestätiget. Mit einem Anzeiger Nr. 13 Verantwortlicher Redacteur Alex. Jul. Schindler; Mitredakteur F. W. Arming Druck und Verlag von Sandbök und Haas in Steyr.
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