Zwanglose Blätter, Nr. 18, vom 18. Mai 1848

Zwanglose Blätter für Oberösterreich. Nro. Steyr am 18. Mai 1818. 18. Polonius: Was lest Ihr Herr? Hamlet: Worte, Worte, nichts als Worte. Shakspeare. Oesterreich und der deutsche Bund. Der Herr Redakteur dieser Blätter hat in Nro. 14 seine Ansicht über den Anschluß Oesterreichs an den deutschen Bund offen dargelegt, und sich auf ehrenhafte Weise barüber ausgesprechen, unter welchen Prinzipien dieser Auschluß Statt finden müße, wenn er zum Heile Deutschlands und seiner Völker ausschlagen soll. Derselbe wolle aber meiner, und einer übergroßen Anzahl meiner Mitbürger Gegenmeinung ebenfalls seine Spalten öffnen. Man wirft uns Verrath an Deutschland vor, weil wir zuerst ein starkes mächtiges Oesterreich wollen, und nur mit der Wahrung vor jeder Schwächung desselben den Anschluß an den sich konstituirenden deutschen Bund wünschen können; wir könnten diesen Vorwurf in Beziehung auf unser Oesterreich unschwer unsern Gegnern zurück geben, wir glauben aber darthuen zu können, daß die Grundbedingungen, unter welchen allein wir den Verein aller deutschen Bundesstaaten wünschenswerth, ja zuläßig erkennen, eben im höchsten Interesse des gesammten Deutschlands selbst gelegen seyen, und daß, wer es gut mit Deutschland meint, seine Wünsche mit den unsern vereinigen müße. Auch wir wollen ein inniges, festes, treues Anschließen des konstitutionellen Kaiserreiches Oesterreich an den deutschen Staatenbund, aber wir können es nicht unter Bedingungen wollen, welche die Existenz dieses Kaiserreiches selbst in Frage stellen. Oesterreich darf bei aller Innigkeit des Anschlusses an Deutschland sich selbst nicht aufgeben; die Souveränität und Integrität Oesterreichs muß vor Allem gewahrt werden, und wenn erstere auch in Beziehung auf die allgemeinen deutschen Fragen, als: Bundeswehr, Handel, Maß und Gewicht, Münzund Postwesen ec. im Interesse eines einigen starken Bundes beschränkt werden kann, so darf selbe doch auf keinen Fall ganz aufgegeben werden, weil unser Vaterland, als ein mehrere Nationalitäten umfassender Staat nur durch Aufrechthaltung einer kraftvollen inneren Regierung sich erhalten, nur durch selbe allen Nationalitäten als Gleichberechtigten, auch gerecht seyn kann. Wir sehen nicht ein, warum nicht auch auf diese Grundlage hin ein festes, kräftiges, einiges Deutschland in einem völkerrechtlichen, mit einer aufrichtigen und auf breiten Grundlagen basirten Volksvertretung ausgestatteten Staatenbunde sollte erzielt werden können, warum sollte eine friedliche freisinnige Reform des Bestehenden nicht genügen, warum wollt ihr die Revolution auch in die ehrwürdigen Räume des Frankfurterrömers tragen? ja wir sind der innigen Ueberzeigung, daß nur durch einen sogearteten Anschluß Oesterreichs an Deutschland, letzteren die Vortheile zugehen können, welche selbes von diesem Anschluße wünschen und erwarten muß. Man sagt uns, daß eine innige rücksichtslose Verschmelzung Oesterreichs in einen deutschen Bundesstaat schon aus dem Grunde unerläßlich und unausweichlich sey, weil die dem österreichischen Staate angehörigen nicht deutschen Nationalitäten schon gegenwärtig in ihrer Treue schwanken, und vielleicht in naher Zukunft die Bande ganz lösen werden, die sie an Oesterreich knüpfen. Leider sind diese Befürchtungen nicht aus der Luft gegriffen, zu bitter haben wir in dieser jüngsten Zeit die Erfahrung mit einem stets für hochherzig gehaltenen Brudervolke gemacht, das durch Jahrhunderte mit uns vereint, jetzt scham= und lieblos sich gegen seine gebeugte Mutter wendet, als daß wir die Möglichkeit solcher Treulosigkeit bezüglich anderer Nationalitäten in Abrede stellen könnten. Ist aber die Trennung der nicht deutschen Völkerstämme des österreichischen Kaiserreiches von seinem Mutterstaate bei dieser bewegten, erzentrischen Meinungen nur zu zugänglichen Zeit möglich, oder wirklich zu befürchten, so ist selbe gewiß, sobald eine Schwächung Oesterreichs an seinen Souveränitätsrechten um eines Atoms Schwere durch die deutsche Reichsverfassung eintritt, weil der Schutz und die Sicherung ihrer Nationalität, den diese nicht deutschen Provinzen von Oesterreich, (nicht von Deutschland) erwarten und verlangen können, nur von einem starken ungeschwächten Oesterreich selben geleistet werden kann. Trennt sich aber das slavische Element von Oesterreich, so fallen mit selbem nicht Böhmen, Mähren und Schlesien allein, sondern auch Illirien und Dalmatien

hinweg, und wenig wird Deutschland gedient seyn, wenn Oesterreich bei seiner neuen Vereinigung mit Deutschland nicht das adriatische Meer zur Morgengabe bringt. Wenn aber, die Wirklichkeit der Trennung der slavischen Provinzen von Österreich eintritt, wohin werden dieselben sich wenden können, als zur Vereinigung mit dem Volke, das ihnen sprach= und stammverwandt ist. Nicht Sympathien ziehen die österreichischen Slaven zu dem mächtigen Nachhar, diesem Erzfeind jeder Volksfreiheit, nein, nur die starre Nothwendigkeit wird sie ihm in die Arme werfen, und diese Noth veranlaßt den russischen Raubadler berechtigt zu haben, seine Krallen bis ins Herz Deutschlands auszustrecken, werden die verantworten müßen, welche jetzt so gierig auf eine Schwächung Oesterreichs in seinem gegenwärtigen Bestande zum Heile Deutschlands hinarbeiten. Rüttelt nicht an den ohnehin nur lose zusammengefügten Grundpfeilern unsers Kaiserstaates, rüttelt nicht, sie werden sonst zusammenstürzen, und euch und uns unter ihren Trümmern begraben; laßt uns vielmehr mit Liebe und Versöhnung alle noch zu Oesterreich haltenden Provinzen unsers Vaterlandes fester und fester binden, und so vereint und gekräftiget dem deutschen Banner folgen, wohin Pflicht und Ehre uns rufen. Fürchtet nicht, daß in unserm schönen deutschen Oe= sterreich die slavischen Elemente das Deutsche überwältigen und knechten werden; in allen sogenannten slavischen Provinzen blühet ein kräftiges, freiheitsfrohes Deutschthum mit auf, welches mit uns rein deutschen Ländern vereint, der deutschen Farbe die volle Geltung sichert, und so in seiner ganzen Kraft wird Oesterreich mit treuen Herzen dem deutschen Bunde sich anschließen, und eben so ein mächtiges Mitglied im Verein mit selbem erstarken und blühen, als der Bund ein mächtiges, kräftiges Oesterreich als die Ostmark seiner Länder bedarf. Habt ihr die Stimmen überhört, die in jüngster Zeit laut an unsern westlichen Marken um Hülfe nach Frankreich hinnüberriefen? jetzt sind sie bewältiget, glaubt ihr aber sie werden schweigen, wenn die Fahne der französischen Republik am rechten Rheinufer weht? dann wird allen Deutschen ein kräftiges, mächtiges Oesterreich Noth thun, dann werden sich, wie schon so oft und nie vergebens die Blicke der wahren deutschen Patrioten nach den österreichischen Doppelaar wenden, um ihnen im Kampfe zur Seite zu stehen, aber nur dann wird er kraftvoll und entscheidend wie früher auftreten können, wenn Oesterreich in seinem ihm gebührenden Machtumfan ge verbleibt. Durch mehr als zwanzig Jahre hat Oesterreich in seiner gegenwärtigen Gestaltung für die deutsche Sache in den Waffen gestanden, es hat in heißen Kampfestagen allein (?) das Herzblut seiner Söhne für die Freiheit und die Rechte Deutschlands hingegeben, zu einer Zeit, als unsere westlichen deutschen Nachbarn, eben jene deutschen Einheitsprediger mit an den Triumpfwagen des Soldatenkaisers, jenes mächtigen Unterdrückers Deutschlands zogen, glaubt ihr daß Oesterreich je diese Fahne verlassen könnte? — Nein, treu und ehrlich laßt uns die Hand zum Bunde dem deutschen Bruder reichen, laßt uns ihn überzeugen, daß wir nichts als eine innige feste Verbindung mit dem gesammten Deutschland wollen und verlangen, daß es aber in seinem eigenen höchsten Interesse gelegen sey, daß Oesterreich als ein mächtiges, durchaus selbstständiges Reich dem deutschen Staatenbunde beitrete, laßt uns ihn überzeugen, daß eine völlige Hingebung der Souveränität der einzelnen Staaten Deutschlands in Einen deutschen Bundesstaat, den Verfall des Kaiserreiches Oesterreich zur unausweichlichen und unmittelbaren Folge haben müße, eine Folge, welche eine gänzliche totale Störung aller unserer sozialen Verhältniße, den Ruin des Nationalkredits einen allgemeinen Staatsbankeroutt nach sich ziehen muß, weil alle bisherigen Verhältniße Oesterreichs auf seine Integrität als großer Kaiserstaat gegründet sind, laßt uns sie endlich überzeugen, daß die Umgestaltung der einzelnen souveränen Staaten Deutschlands in einen Bundesstaat, die Lösung aller Bande der Liebe, Treue und Anhänglichkeit der einzelnen deutschen Völkerstämme an ihre angebornen Landesfürsten nach sich ziehend, nur der Vorläufer einer deutschen Republik seyn würde, für welche die deutschen Völker weder reif, noch geschaffen erscheinen, und die den Untergang Deutschlands unausbleiblich nach sich ziehen würde. F. Appold. Mein Herr Gegner beschuldigt die Parthei, zu der ich mich offen bekenne, und die ich gerne von ihm im Allgemeinen charakterisirt gesehen hätte, folgender Absichten: 1. Wolle sie zwar ein festes, inniges, treues Anschließen des konstitutionellen Kaiserreiches Österreich an den deutschen Bund jedoch unter Bedingungen welche die Eristenz (!) dieses Kaiserreichs selbst in Frage stellen; 2. es genüge ihr nicht eine friedliche freisinnige Reforn des Bestehenden, sondern sie wolle die Revolution in die ehrwürdigen Räume des Frankfurter=Römers tragen; 3. daß sie eine rücksichtslose Verschmelzung Österreichs (des Kaiserthums?) in einen deutschen Bundesstaat für unerläßlich halte, 4. daß sie gierig auf eine Schwächung Österreichs in seinem gegenwärtigen Bestande hinarbeite und dadurch die nicht deutschen Brudernationen zwinge sich den Russen in die Arme zu werfen. und zuletzt ermahnt er sie die Hand treu und ehrlich dem deutschen Bruder zu reichen. Ich meine diese Mahnung hat unsere Parthei nicht bedurft. Übrigens hat mein Hr. Gegner die schweren Beschuldigungen die er gegen die Parthei der ich angehöre, und daher auch gegen mich erhoben hat, nicht bewiesen. Ich erwarte rutzig diesen Beweis. Alex. Jul. Schindler. Offener Brief an das verehrliche Wahlkomité des fünften oberösterreichischen Wahlbezirks zu Steyr zur Deputirtenwahl nach Frankfurt. *) Ich finde mich durch die Verhältnisse aus mancher Rücksicht aufgefordert, meine Ansichten, so wie den Hergang *) Dieser Brief wurde der Redaktion vom Herrn Alois Redtenbacher jun. zum Abbruck gefälligst übergeben. D.R.

vor, bei, und nach der Deputirtenwahl nach Frankfurt am 25. April zu Papier zu bringen, mit der Bitte an das verehrliche Wahlkomité, diese Schrift zu hinterlegen, um für jeden Fall spätre Mißdeutungen und Entstellungen, die ich durchaus nicht von den geehrten Herren Wahlmännern ohne Ausnahme, wohl aber von andrer Seite möglich denke, zu verhüten. Vor Allem bemerk' ich auf mein Ehrenwort, daß ich mich im Wahlbezirk Steyr bei Niemanden um seine Stimme bewarb, und auch nicht Einen der Herren Wahlmänner direkt oder indirekt darum anging. Eine Äusserung zu dem mir befreundeten Wahlmann Arming „daß ich gerne nach Frankfurt ginge,“ geschah viele Tage vor der Urwahl, aber schon am anderen Tage nach dieser Aeußerung sagt' ich zu Arming: „da ich wohl kaum gewählt würde, so soll er von meinem Wunsche zu Niemanden Notiz nehmen." Auf die freundliche Aufforderung des Regierungsraths und da ich erfuhr, daß mehre Hiesige sich als Kandidaten gemeldet hatten, ließ ich mich am Sonntage (23. April) auf die Kandidatenliste setzen. Bei der Versammlung der Wahlmänner von Steyr, zu denen ich selbst gehörte, so wie bei der Wahl selbst wirkte ich eifrigst für Professor Redtenbacher, ein Umstand, der mit Hinblick auf meine eigne Kandidatur vielleicht sonderbar erscheint, sich jedoch daraus erklärt, weil ich Anfangs ein so gütiges mich innigst erfreuendes Vertrauen von so vielen Seiten bei meiner Zurückgezogenheit nicht hoffte, später aber bei der Wahl selbst mit meinem Antrag auf Redtenbacher, der mir als ein ausgezeichneter Mann dem Rufe nach bekannt war, konsequent bleiben wollte. Bei der Wahlvornahme um meine Ansicht befragt, erklärte ich, daß ich mich in die Wortspielereien: Bundesstaat? Staatenbund? nicht einlassen könne, daß ich von dem innigsten Anschluß Österreichs an das übrige Deutschland unsre alleinige Rettung und die Konsolidirung unsrer zerrütteten Verhältnisse erwarte ohne unter diesem Anschluß das Aufhören eines selbstständigen Oesterreichs zu verstehen, daß ich überhaupt nur eine organische Entwicklung Deutschlands und Österreichs mit Beobachtung des Rechtsbodens und der gegebenen historischen Verhältnisse zu dauerndem Heil führend glaube, daß ich in allen gewaltsam und vorschnell nivelliren wollenden Maßregeln, vor allem in den republikanischen Bestrebungen nur dem Keime der Monarchie und des bedauerlichsten Bürgerkriegs erblicke, daß mich überhaupt nur meine beste Ueberzeugung von den wahren Interessen meines Vaterlands Österreich in Wort und Meinen bestimmen werde, daß aber den Ergebnißen der gemeinschaflichen Berathung und Debatte durch eine vorzeitige Meinungsäußerung nicht vorgegriffen werden könne. Diese Ansichten sprach ich unverholen aus, und erhielt als Deputirter 9, als erster Ersatzmann 86 (87?) als zweiter Ersatzmann 6 (5?), in Summa 102 Stimmen. Zum Deputirten wurde mit 90 Stimmen Professor Redienbacher erwählt. Auf die mir andern Tags gemachte Mittheilung einer Adresse des Wahlkomite's an Professor Redtenbacher, erklärt ich mich mit deren Abfassung nicht einverstanden, ja ich bemerkte selber als Ersatzmann die Wahl nicht anzunehmen, falls der Brief in der schroff vorzeichnenden Form hinausginge, obgleich die in dem Briefe niedergelegten Ansichten für mich keineswegs wie immer verpflichtend sein konnten, da meine Wähler meine Ansicht zum Voraus aus meinem eigenen Munde hören und ihre Wahl darnach bestimmen konnten. Der Brief wurde ganz umgeändert. Dennoch glaubte Professor Redtenbacher die Wahl nicht annehmen zu können, so ferne das Wahlkomite nicht unbedingt von den in seiner Zuschrift vom 26. April ausgedrückten Voraussetzungen abginge. Für mich aber lag keine Veranlassung vor, von der ehrenhaften und mich zu innigem Danke verpflichtenden Wahl Gebrauch zu machen. Dieß von Anfang zu Ende die Sachlage, welche mir die Herren Wahlkomiteglieder, die übrigen Herren Wähler und das ganze Publikum bezeugen werden. Steyr am 8. Mai 1848. Kamillo Wagner Zu Nro. 17 dieser Blätter. Eines der „Streiflichter auf die hierortigen Wahlen in die Frankfurter=Nationalversammlung“ kömmt auf die Behauptung zu stehen: „daß das politische Glaubensbe- „kenntniß., welches man von dem zu wählenden Deputir- „ten allgemein und mit der größten Entschiedenheit for- „derte, darin bestand: er müsse eher zehnmal öster. „reichisch, als einmal deutsch gesinnt seyn.“ Da ich nicht nur selbst Wahlmann war, sondern auch Ersatzmann des Deputirten bin,*) so finde ich mich zur Erklärung veranlaßt, daß weder ich selbst (in meiner erstern Eigenschaft) von den zu wählenden Vertrauensmännern eine potenzirte oder größere, als eben die einzig wahre Liebe zu Oesterreich in Deutschland gefordert habe, noch aber (während meiner Candidatur) von irgend einem Wähler eine andere als meine eigene Ueberzeugung von mir erlangt worden ist, nämlich: der Vertreter des deutsch=österreichischen Volkes dürfe das Baumateriale zum deutschen Bundespallaste nicht aus den Trümmern unsers Kaiserstaates ziehen wollen; es müsse vielmehr allen seinen Bestrebungen die Idee eines durch Deutschland gestärkten einigen freien und konstitutionell=monarchischen Oesterreich zur Folie dienen. Rudolf Riegler Herr Riegler! Ihre Zeilen habe ich mit aller Bereitwilligkeit auf genommen. Bei dem was sie bezüglich der andern Wahlmänner behaupten, erlaube ich mir jedoch Sie aufmerksam zu machen, daß die schönen Worte, die sie ihnen in den Mund legen, ausser dem Denk= und Bildungskreise der überwiegenden Mehrzahl derselben liegen, und es wär daher nöthig gewesen die schlichten schmucklosen Worte dieser Leute, die mir noch recht gut erinnerlich sind herzusetzen. Die einzige wahre Liebe zu Oesterreich in Deutschland (!) müssen Sie erst definiren, und dann *) Was soll hier der Ersatzmann? das Resultat der Wahlen ist ohnehin bekannt. D.R.

fehlt erst noch die Definition von Seite aller übrigen Wahlmänner, um meine Behauptung Lügen zu strafen. Es muß erst bewiesen werden, ob Ihre einzige wahre Liebe und mein eher 10mal österreichisch als 1mal deutsch wirklich zwei verschiedene Begriffe sind. Sie sagen kein Wähler hat von Ihnen eine andere als ihre eigene Ueberzeugung verlangt. Das dürfte wohl so zu lesen sein: die Wähler verlangten etwas von Ihnen, was zufällig Ihre eigene Ueberzeugung war. Denn ob man es dem Gewählten überlassen wollte, ganz frei nach seiner wie immer gearteten Überzeugung zu handeln darüber dürften in dem Briefwechsel des Hr. F. Redtenbacher mit dem Comite Aufschlüsse zu finden sein. Alex. Julius Schindler. Beitrag zur Geschichte der Kabinette. Aus höchst glaubwürdiger Quelle wird uns folgende Begebenheit als Grund von Zaninis Rücktritt angegeben: Derselbe wollte um doch dem bedauernswerthen Zustande unserer Armee in Italien abzuhelfen, alle sich hier und in den angränzenden Ländern befindlichen Artillerie Bespan¬ nungen als Abhülfe dahin absenden. Als er jedoch diesen Entschluß dem Artillerie=Direktor Erzherzog Ludwig mittheilte verweigerte dieser entschieden seine Zustimmung. Der Kriegsminister, anstatt dem Artillerie Direktor ganz ruhig zu sagen, dieß ist mein Wille, zog es leider vor, unter dem Vorwande, daß, wenn der Krieg in Italien nicht nach Wunsch gehen sollte, man in seinem wälschen Namen (er ist jedoch von der dalmatinischen Gränze) einen Grund zur Gehässigkeiten suchen würde, seine Entlassung zu nehmen. Dieß die Darstellung der Thatsache ohne jede weitere Bemerkung. Zur Geschichte des Tages. In vielen Blättern lesen wir, daß es eben eine kindische Befürchtung sei, das slavische Element im Kaiserstaate wolle und werde uns knechten. Ein neuerlichster Vorgang der sich am 8. d. M. im Schooße des zechischen NationalComites zu Prag (in Spanien würde man es eine revolutionäre Junta nennen) ereignete, beweißt zur Genüge, daß es unsern slavischen Brüdern keineswegs an der gedachten Absicht fehlt, und daß sie in der Wahl der Mittel, sie zu erreichen, eben nicht ängstlich sind. Was war das vor einem Jahre noch für ein Zusammenrotten und Protestiren um die Jesuiten aus Prag hinaus zu bringen, und heute werden Stimmen im National=Comite laut, so giftig, verläumderisch, eigennützig und scheinheilig listig, wie man sie je von Jesuiten in kurzen Reden vernahm. Es trafen am 8. d. M. im Comité Briefe ein, welche die in Wien gegen den Minister Fiquelmont (doch nur gegen diesen) gerichtet gewesene Demonstration berichteten, in deren Folge der einer absolutistischen und russenfreundlichen Politik verdächtige Staatsmann abdankte. Graf Wurmbrand machte sogleich dem Comité den Antrag: „Nachdem man nach den eben erhaltenen Nachrichten nicht zweifeln könne, daß selbst die geheiligte Person des angestammten Königs (so nennt eine Provinz den konstitutionellen Kaiser des einigen starken Oesterreichs) gefährdet erscheine, so trage er darauf an, durch eine Deputation Se. Majestät bitten zu lassen, bis zu ruhigeren Zeiten, seinen Aufenthalt in Prag zu nehmen. Das ist eine der saftigsten Früchte der Hinterlist und Tücke, wodurch sich die slavische Nation in der Geschichte, nebst manchen unantastbaren Tugenden (darunter ein kräftiger Sinn für Nationalität, der den meisten Deutschen abgeht) bemerkbar gemacht hat. Wann war in und seit den Märztagen die Person des Kaisers auch nur einen Augenblick gefährdet? Nicht die gewagte Oktroyrung der Constitution, nicht das miserable Wahlgesetz konnten es dahin bringen, daß sich auch nur eine Hand gegen ihn erhob! Was wollen also die Czechen mit ihrer Verläumdung? Das Wasser trüben um drinnen zu fischen. Der Kaiser in Prag. Da ließe sich mancher Handstreich ausüben. Die Ungarn wollen ihn nach Ofen. Ich sehe gar nicht ein, warum wir Deutsche uns da bedroht fühlen und uns gerne zu Schutz und Trutz mit unsern deutschen Brüdern draußen verbünden. Die adriatischen Häfen, die schöne Morgengabe Oesterreichs an Deutschland, werden uns die Slaven mit ihrer Uebermacht allerdings erobern helfen, — oder besser gesagt, wir werden ihnen bei dieser Eroberung helfen und beschämt froh sein müssen, wenn die schöne Braut unsere leere Hand nicht verschmäht. Pfefferkörner. Die unverantwortlichen Minister werden wir, wie es scheint durchaus nicht los. Den Grafen Hartig lese ich so eben auf einem Edikte, das die Einwohner der Provinz Friaul beruhigt, daß auch sie die Früchte der Constitution, die für das Lombardisch=Venetianische Königreich zwar nicht gegeben ist, mit genießen werden als Staatsminister unterschrieben. Kann darin gar keine Änderung getroffen werden? Müssen den diese Anomalien in einem konstitutionellen Staate fortbestehen, wo die Verantwortlichkeit der Minister verfassungsmässig garantirt ist? In Konstantinopel besteht eine recht brave Sanitätspolizei. Namentlich ist das Hinschütten des Mistes und Unrathes auf offene Strafsen in Städten sammt Vorstädten, so wie das Ausmünden der Kloaken auf dieselben strengstens untersagt. Das Ministerium der Justiz hat veranlaßt, daß eine Kommission in diejenigen Länder abgesendet werde, wo Schwurgerichte und mündl. und öffentl. Gerichtsverfahren bestehen, damit sie dort die nöthigen Erfahrungen einsammle, um auch bei uns diese Institute einführen zu können. Wie wäre es denn, wenn wir aus unsern Mauern eine Kommission nach Konstantinopel absenden würden, die dort die nöthigen Erfahrungen zu sammeln hätte, auf welche Weise die oben erwähnten und in der Hauptstadt der Türkei bereits abgeschafften Mißstände auch bei uns zu beseitigen wären. Mit einem Ergänzungsblatte Nr. 6, u. Anzeiger Nr. 12. Verantwortlicher Redacteur Alex. Jul. Schindler; Mitredakteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Sandbök und Haas in Steyr,

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