schen in der Fremde, die wir schon mehr Routine besitzen dem armen Fräulein in seinen Kindesnöthen beizustehen." So ließ sich Georg Herwegh der begabte Dichter, der überlaute Freiheitsapostel im März d. J. aus Paris vernehmen. Schleunigst organisirte er von dort aus brodlosen Arbeitern ein Legion, welche die Hebammendienste bei der mit dem Kinde Freiheit kreissenden Jungfrau (Herwegh war so charmant eine unbeflekte Empfängniß anzunehmen) Germania verrichten sollte. Die Legion zählte 900 bei 1000 Mann und war zu spät gegen Freiburg gekommen um an der Nieberlage der badischen Republikaner Antheil nehmen zu können. Sie suchte daher in die Schweitz zu entkommen. Auf den Dinkelsberg bei Dossenbach im Schwarz walde traf die Legion mit einer Kompagnie des 6. Würtembergischen Infanterieregimentes, die unter dem Kommando des Hauptmann Lipp stand, zusammen. Der Hauptmann Lipp ließ seine Leute hinter Bäumen und Felsstücken in zerstreuter Ordnung Stellung nehmen; sie wurden alsbald mit Heftigkeit angegriffen; das gut gezielte, auf nahe Entfernung abgegebene Tirailleurfeuer machte den Feind stutzen; — nach wenigen Augenblicken kehrte er verstärkt zurück, ward aber wiederum abgewiesen; nun verlängerte er seine Linie und suchte der Compagnie in Flanke und Rücken zu kommen. In diesem kritischen Momente erschien, den Feind selbst flankirend, ein halbe Compagnie des 1. Infanterie=Regiments, geführt von Oberlieutenant Karl, der, ohne Befehl abzuwarten, von Schörstedt vorrückte, als er das Feuer hörte. Hierdurch ward für den Augenblick die Gefahr beseitigt, — doch ließ der Angriff an Ungestüm nicht nach. Der Gegner war so nahe gekommen, daß Hauptmann Lipp mit dem feindlichen Anführer handgemein wurde, und ihn tödtete. Der Fall dieses Anführers entschied das Gefecht. Die Feinde wichen in den Wald zurück, und als nun auch das Bataillon des 6. Infanterie=Regiments anrückte, löste sich Alles in die wildeste Flucht auf. Wo die Flüchtlinge aus dem Walde traten, stießen sie auf Truppen. Nur die Vordersten hatten Zeit, bei Beugen über den Rhein zu kommen, weil die dahin beorderte Infanterieabtheilung noch nicht eingetroffen war. Von der Mannschaft ist keiner verwundet oder gefallen. Ihre große Ausbildung in der zerstreuten Fechtart und in der Terrain=Benützung macht diese in einem so ungleichen Kampfe gewiß seltene Thatsache erklärbar. Das Pferd eines Reiters vom dritten Regiment, der Flüchtlinge verfolgte, erhielt einen Schuß in die Brust. Von den Arbeitern sind 30 geblieben, viele verwundet, und 400 gefangen. Daß so viele Gefangene gemacht wurden, hat seinen Grund darin, daß sie im Walde die Waffen wegwarfen und unbewaffnet heraustretend nicht im mindesten Widerstand versuchten. Von den Arbeitern sind, außer dem erwähnten Rheinhard, noch ein Bataillons=Chef (nach weiteren Nachrichten ein Franzose) und zwei Hauptleute geblieben. Unter den Gefangenen befindet sich der dritte Bataillons=Chef; — die wichtigste Person aber ist Bornstedt, Vice=Präsident des Comités der Arbeiter. Herwegh selbst mit seiner Frau, die ihn in Männertracht begleitete, ist nach eingegangener Nachricht, sobald er die Annäherung der Truppen erfahren noch vor Beginn des Kampfes entflohen.*) Die Colonne machte die ganze Legion Herweghs aus, sie war in 4 Bataillone getheilt. Herwegh selbst begleitette ie als Comité=Mitglied. Ein kleiner Theil derselben war auf der Schusterinsel bei Hüningen geblieben; er ist in der letzten Nacht, als die Nachricht vom Gefechte einlief, nach dem Elsaß abgegangen Dieses ist der Ausgang eines Unternehmens das so großmaulig begann um so gar erbärmlich zu enden. Das sind die Männer, die uns aus Paris schrieben: „Wir wollen die Freiheit nicht, die ihr armen, redlich trotz Noth und Druck im Vaterlande gebliebenen Deutschen euch selbst erkämpft habt und ausbilden werdet. Wir wollen euch etwas ganz Apartes an Freiheit bringen, das Neueste, das Modernste aus Paris.“ Was sie uns brachten gefiel uns weden in der Form, noch in der Haltbarkeit. Um Herwegh ist mir offen gesagt leid. Ich theilte nie den Enthusiasmus der ihm in Deutschland für seine Lieder geworden war. Zumuthungen, wie die in die Kreutze aus der Erde zu reissen und während man sie beim kürzeren Ende faßt, wie mit Schwertern dareinzuschlagen und noch viel Anderes in einen Liedern eines Lebendigen, klang mir doch gar zu überschwenglich, um nicht glauben zu müssen, der Dichter habe sich hinaufgeschraubt und werde eines Tages nicht Stand halten. Dieser Tag ist über die Tannenwipfel des Schwarzwaldes heraufgezogen, er ist hinter den Tannenwipfeln des Schwarzwaldes verblichen und Herwegs Ruhm mit ihm Herwegh hat schöne Lieder gedichtet. Sein „Ich bin ein freier Mann und singe Mich nie in eine Fürstengruft, Und Alles was ich mir erring Ist Gottes freie Himmelsluft.“ gehört mit unter das Beste was wir in deutscher Sprache besitzen. Aber ich fürchte seine Lieder werden über seine Waffenthaten vergessen werden — und seine Waffenthaten sind nicht glänzend. *) Neuere Berichte erzählen, daß Herwegh gleich am Anfang des Gefechtes vor Schreck fast ohnmächtig wurde und schnell die Flucht ergriff. Die Entschlossenheit seiner Frau (eine gebildete Dame aus einer reichen angesehenen Familie) rettete ihn in einem Wäglein, unter dessem Spritzleder er sich versteckt hielt. So entkam er den streifenden Reitern die das fahrende Weib (und das flüchtige Weib unterm Spritzleder) nicht anhielten. Zur Geschicht des Tages. Nach der Wienerzeitung ist das Ministerium im Begriff das provisorische Wahlgesetz für den endlich im Laufe des Monats Juni einzuberufenden Reichstag bekannt zu machen. Diese Nachricht ist ausser dem Abtreten gewisser Minister und des Erzherzoges Ludwig das Erfreulichste, was wir seit dem 15. März aus Wien vernommen haben. Sind die Reichsstände einmal in Thätigkeit, so dürfte wenn sie ihre Aufgabe begreifen und ihr gewachsen sind, für die innere Ruhe des Kaiserstaates die beste Bürgschaft vorhanden sein. Damit wir aber die rechten Leute in die Kammern bekommen, bitten wir um schleunigste Publizirung der
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