Zwanglose Blätter, Nr. 16, vom 11. Mai 1848

Erfahrung als der daß viel Genuß und wenig Arbeit am besten schmekt, stürzte sich, angeeifert von wenigen Ehrgeitzigen auf die bis dahin bestandene Ordnung des Staates und rief die Republik aus von der jeder alles das erwartete, wornach ihn lange gelüstete. Einige Männer voll Adel der Gesinnung, hob der Instinkt des Volkes au die Stühle der provisorischen Regierung, andere drängten sich auf diese Stühle und behaupteten sich vor dem Volke auf denselben dadurch, daß sie etwas versprachen, was Gott selbst nicht zu halten im Stande ist: die Organisation der Arbeit, d. h. alle Kräfte des Landes Geld, Kenntnisse körperliche Fertigkeit sollen in Einen Topf geworfen werden, und ohne Unterschied dessen, was Einer hineingewor en hat, soll jeder nur das Gleiche mit allen anderen für sich herausnehmen dürfen. Durch diese Ordnung der Dinge sieht sich das Genie, das Talent, der Fleiß, die Sparsamkeit um ihre Früchte betrogen, — alle diese Vorzüge verlieren Werth, Ausübung und Pflege, — alle diese Bevorzugten sehen sich in ihrem, angebornen Rechte, die Schmide ihres Glückes zu sein, wir möchten sagen, in den Rechte ein Schicksal, eine Zukunft zu haben, bedroht, und greifen zu den Waffen, zur Vertheidigung des höchsten bürgerlichen Gutes: der persönlichen Selbstständigkeit. Die erste Partei will eine Gleichheit vor dem Schiksale, die zweite Partei will eine Gleichheit vor dem Recht. Diese zwei Parteien kämpfen den Kampf im Inneren Frankreichs, und gelingt es der einen Partei, Frankreich dadurch zu beruhigen, daß sie die andere in Waffenröke stekt und über die Grenze in Nachbarländer wirft, so ist der äußere Zusammenhang unserer inländischen Bewegung mit denen Frankreichs hinlänglich dargethan, — der innere Zusammenhang braucht wol nicht erst nachgewiesen zu werden. Allenthalben schlagen die Flammen aus dem Boden hervor. Italien. Die Bestrebungen der Italiener gehen dahin, einen Italienischen Bundesstaat unabhängig von jeder fremden Macht zu begründen. Zu diesem Zweke zwingt Neapel und der Kirchenstaat seinen Fürsten eine Konstitution ab, die Insel Sicilien reißet sich los und bildet ein selbständiges Königreich, Mailand und Venedig kämpfen gegen Österreichs Oberherrschaft, — die kleinen Staaten rollen nach — Toskana weicht der Notwendigkeit, und Carlo Alberto spielt den Zuvorkommenden und sucht im Trüben zu fischen; nach Rom ist ein National=Parlament berufen, das den Bundesstaat konstituiren soll, — verfolgen wir nun die Geburt des Kindes von Stadium zu Stadium. Österreichs Heere stehen mit vorwärtswehenden Standarten in Oberitalien, und die schwimmenden Festungen Englands rüken immer näher an die Häfen des adriatischen und des mittelländischen Meeres. In den dunklen Mündungen die in den Stükpforten der englischen Kriegsschiffe gähnen, schlummert vielleicht die Lösung der Frage: ist jetzt die rechte Stunde an einen unabhängigen italienischen Bundesstaat zu denken Die Bewegung der Kriegsmacht zu Wasser und zu Land die Beschlüsse der Nationalversammlung, die Ränke des sardinischen und der anderen Höfe zu verfolgen, sei unsere Aufgabe England. Frankreich wird wenn es einen gesicherten Rechtszustand nicht wieder zu erzielen vermag, England unrettbar nach sich reißen. Die Elemente, die in Kampf gerathen müssen, sind in England dieselben wie in Frankreich; nur auf der einen Seite durch Besitz noch gesegneter, auf der anderen Seite sittlich noch verwahrloster. Ein Land ist berufen in diesem Kampfe der Gelüste gegen die Rechte, der Sinnlichkeit gegen die Sittlichkeit die rettende That zu vollbringen, wir meinen unser großes deutsches Vaterland. In Deutschland wohnen alle Elemente, aus denen ein Staat gebaut sein muß, der unsere Zeit zufrieden stellen, und ihren leicht erregten Stürmen widerstehen kann. Unter uns wohnt Rechtsgefühl und Religiosität, — wir sind bildungsfähig und bildungswillig. In den deutschen Eichenhainen werden sich die durch die Gelüste roher Massen und überreizter Filosofen bedrohten Menschenrechte zur alten Kraft erholen, wie der durch den Übergenuß der Weltfreuden geschwächte Kranke den balsamischen Duft des Waldes sucht, und in seinem Schatten, geschützt vor dem Sonnenbrande des hohen Mittags, gesundet. Deutschlands Geschichte ist eine große, Deutschland hat große Aufgaben gelöst, — seine größte ist ihm in dieen Tagen gestellt. Deutschland hat durch die Reformation die Vernunft zu Ehren gebracht; — jetzt bringe es das Recht zu Ehren. Archimedes hat in seinem Ringen nach Wahrheit ausgerufen: Gebt mir den Punkt wo ich stehe, und ich will die ganze Welt aus den Angeln heben, „Gebt uns den Punkt, wo wir stehen und wir richten die aus den Angeln gegangene wieder ein!“ rufen jetzt viele Männer, die nicht geringer wägen als der alte Mathematikus. Wir meinen, diesen Punkt wird der Musterstaat des Rechtes geben, und dieser Staat wird und muß Deutsch land sein. Dieses ist unsere friedliche Hoffnung, übrigens tragen wir auch ein Schwert an der Hüfte, und wollte Gott, unsere Macht wäre so groß als unser Muth. Wir bitten unsere gewogenen Leser uns die Begeisterung von Heute zu verzeihen; morgen treten wir als nüchterne Erzähler vor sie hin D. R. Georg Herwegh und die Niederlage seiner Arbeiterlegion bei Dossenbach. „Wie Jedermann bekannt, befindet sich die sogenannte Jungfrau Germania schon lange in guter Hoffnung. Die franz. Revolution scheint ihre Niederkunft beschleunigen zu wollen. Doch geht es etwas schwer ab. Diese Leibesfrucht darf keine so schlechte, so verkrüppelte werden wie die frühern. Da sich Michel nun bei solchen Affairen gewöhnlich höchst unpraktisch anstellt, so liegt es an uns Deut-

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