Zwanglose Blätter, Nr. 15, vom 7. Mai 1848
keit der Juristen einen höchst erfreulichen, segensreichen und lohnenden Wirkungskreis eröffnet hat, nehmen die bis= her zur Partheienvertretung nicht berechtigten Doktoren der Rechte in Böhmen die Freigebung der Advokatur zunächst für sich in Anspruch, und begehren im Wege einer an Se. Majestät gerichteten und auch bereits überreichten Petition daß alle Doktoren der Rechte, welche sich mit einer nach erlangtem Doktorsgrade genommenen dreijährigen Praxis ausweisen, zur Partheien=Vertretung bei allen Gerichtsstel= len ohne Beschränkung auf ein gewisses Domicil berechtig sein sollen. Sie erklären, „daß sie diesen Schritt im In= teresse der Menschheit thun; denn indem sie um die Frei= gebung der Advokatie bitten, suchen sie ein Princip zur Anerkennung zu bringen, das in seinen Konsequenzen nach allen Richtungen humaner Bestrebungen hin, höchst heilsam und wie in staatlicher und politischer, so in religiöser und socialer Beziehung überaus folgenreich ist. Es sei das Princip der freien Berechtigung jeder geistigen Thätigkeit und die Aufhebung eines Monopols, das, indem es den Einen über Gebühr und Recht begünstiget und hebt, desto drückender und entehrender auf dem Andern lastet." Die nicht graduirten Juristen des Königreichs sind zwar, wie uns die Bohemia meldete, mit dieser Ansicht der Doktoren einverstanden, protestiren jedoch dagegen daß die Ausübung der Advokatie ausschließlich nur an gra= duirte Doktoren freigegeben werden solle, und zwar aus dem Grunde, weil dieß eben so wenig mit den ältern Ge= setzen, als mit dem erwähnten h. Ministerial=Erlasse ver= einbar ist, und durch die Gewährung dieser Bitte eben nur ein neues Monopol der Partheien=Vertretung begründe würde. Sie sind vielmehr der Meinung, daß unter den ge= genwärtigen Verhältnissen das Befugniß zur Ausübung des Richteramtes in allen Fächern für die Berechtigten keine geringeren Ansprüche begründen, und auch keine ge= ringere Eignung für Partheien=Vertretung bewähren dürfte, als es bei dem Doktorshute der Fall ist, wenn erwogen wird, daß a. die mit dem Richteramtsbefugnisse versehenen Juristen zur eigenen Vertretung in streitigen Partheiangelegen= heiten nach dem Hofdekr. vom 29. Jänner 1813, Z 1028, berechtiget sind; daß b. diejenigen Justiziäre auf dem Lande, welche zur Zeit des Erscheinens des Hofdr. vom 22. Sept. 1821, Z. 1801, die Advokatur ausübten, sich dieses Rechtes während der Dauer der Ausübung des Richteramtes fortan unbeanständet erfreuen; c. daß dem Richter im Kriminal= Untersuchungsprozesse die Vertheidigung des Beschuldigten von Amtswegen obliegt, und daß derselbe nach dem §. 20 A. G. O. und nach der Vorschrift der a. h. Entschliessung von 18. Oktober 1845 in allen Fällen des mündlichen Verfahrens zur Vertretung jener Partheien, welche bei Verhandlungen in streitigen Rechtsangelegenheiten ohne einen Rechtsfreund erscheinen, gesetzlich ange wiesen, und für die getreue und sachkundige Erfül= lung dieser Pflicht strenge verantwortlich ist; endlich d. daß die Richter der ersten, zweiten und der höchsten Instanz das Richteramt auf Grundlage derselben Be= fugnisse ausüben, welche die Richteramtsdekrete er= theilen, und hierbei selbst die genaue Erfüllung der Advokatenpflichten zu überwachen haben. Wird überdieß berücksichtiget, e. daß in den österreichischen Gesetzen nie der Grundsatz ausgesprochen war, daß die Advokatur mit dem Rich= teramte absolut nicht vereinbar sei, daß f. in konstitutionellen Staaten die Befähigung zum Rich= teramte zugleich auch die Befähigung und das Recht zur Ausübung der Advokaten=Praxis in sich begreife ferner g. daß diese noch vor dem Jahre 1821 bestandene Ver= einigung in dem Vortheile und Wunsche des Publi= kums, besonders auf dem offenen Lande liege, wel= ches nur auf diesem Wege nahe, und daher auch minder kostspielige sachkundige Vertreter finden würde, während er sonst oft meilenweit nach einem graduir= ten Rechtsfreunde, der doch immer nur in der Stadt sein Domicil wählen würde, zu reisen bemüssigt ist: so dürfte die Vereinigung der erwähnten beiden Be= fugnisse weder der alten, noch der neuen Verfassung und eben so wenig dem allgemeinem Wunsche und Bedürfnisse widerstreiten. Auf Grundlage dieses Sachverhaltes haben nun die böhmischen nicht graduirten Juristen in einer am 19. April d. J. abgehaltenen Versammlung die Verfassung und Überreichung einer gehörig motivirten Petition, worin um Ausdehnung des Rechtes zur Advokaten=Praxis auf alle zum Richteramte bereits befähigte Juristen, insoweit diesel= ben durch das Hofdr. vom 22. Sept. 1821, Zahl 1801, hiezu nicht schon berechtigt sind, gebeten wird, einstimmig beschlossen, deren Erfolgen wir mit großer Begierde entge= gen sehen werden. Sollte der Bitte willfahrt werden, dann hätte die Konstitution an dem Doktorshute der juridischen Fakultät gewaltig gerüttelt. D. Zur Geschichte des Tages. Der gewesene Kriegsminister Zanini erklärt in der Wienerzeitung, daß nur seine, schon vor Annahme des Portfeuille des Krieges ausgesprochene Überzeugung, den Posten eines Kriegsministers nicht gewachsen zu sein, ihn veranlaßt habe, seine Stelle niederzulegen. Wie konnte aber Hr. Zanini mit einem solchen Bewußtsein jene Stelle je übernehmen? Es ist noch eine sehr dunkle Stelle in der Geschichte dieser Abdankung. Ein Hr. G. S. v. P. der im Abendblatt der Wie= nerzeitung vom 4. d. M. es ganz ehrenhaft findet, daß der Gesandte des konstitutionellen Österreichs am großbritani=
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