Zwanglose Blätter, Nr. 13, vom 30. April 1848
dem sind fünf Wochen verflossen und man hätte zur Einsicht des in der Angst und Hast gemachten Fehlers gelangen, ihn sogleich verbessern und im ganzen Lande Urwahlen anordnen sollen. Dieß hätte das Land befriediget. An Gelegenheiten dazu hat es nicht gefehlt, diest beweisen die das Mißtrauen calculirenden Ministerial Erlässe und die mehrfäl= ligen Deputationen, welche die Folter der Ungewißheit über das Unbestimmte des Zugeständnisses an das kaiserliche Hoflager getrieben. Man muß es als einen neuen Stoff zur Auf= regung von Partikular=Interessen, Gährungen und Spaltungen bezeichnen und beklagen, daß die Re= gierung statt ein General=Mandat über die Natur der Zugeständnisse und einer Urwahlen=Ausschreibung die Deputationen speziell beschieden, dadurch neue hervorgerufen, — denn keine Provinz will hinter der andern zurükbleiben — und das Land der Un= gewißheit preisgegeben und zulezt gar zu den Glau= ben gebracht: es sei ihr mit der Ausführung der Zu= geständnisse nicht wahrer Ernst und man müsse drän= gen, agitiren und petitioniren um die Reaction zu wältigen um zum gewünschten Ziele zu gelangen. Welches heillose Gebahren! das mit der Auflösung aller Bande des Staates und der Anarchie enden muß. Unmöglich kann da die Idee der Staatsein= heit vorwalten, wo man jeder Provinz ein separa= tes Zugeständniß macht, statt ihnen zu sagen: Ihr werdet im ganzen Lande Deputirte wählen und was diese beschließen, wird gelten. Zu solchen Unzu= kömmlichkeiten und selbstbereiteten Verlegenheiten muß man gelangen, wenn man von keinem klar be= wußten Systeme, von keiner leitenden Idee des Gan= zen ausgeht und nur Einzeln, statt Alle zu befrie= digen sucht, nirgend die Initiative ergreift, Zwei= feln und Mißtrauen nicht durch allgemeine Maßre= geln zu begegnen weiß oder will und nur auf spe= zielles Andringen sich ausspricht. Das riecht noch nach bureaukratischer Exhibiten=Erledigung, zeigt eine Kraft, kein Selbstvertrauen und gibt das Land der Anarchie preis. Die neueste Erledigung der böh= mischen Petition ist ein großer politischer Fehler Mit der befriedigten Lösung der ersten Frage — Wahlen zum Nationalconvente — beantwortet sich die zweite Frage, nämlich das Maß der Volksfrei= heiten von selbst. Constituiren die Feudalstände al= lein, dann hängt es von ihrer Großmuth ab, was sie uns zuzugestehen für gut finden, daß dieß nicht viel sein dürfte, liegt in der Natur ihrer Verfassung, so viel ist aber jedem klar, daß der Löwenantheil ihnen bleibt. Für solche im Jahre 1815 versäum= te Gnaden weiß das Jahr 1848 keinen Dank. Werden aber die aus den Urwahlen hervorgehenden Deputirten unsere Constitution festsetzen, dann be= kommen wir genau das Maß der unseren Bedürf= nissen und unserer Kulturstufe angemessenen Volks= freiheiten. Denn wie das Volk werden sie durch unsere Organe selbstbestimmen und der Herrscher sanctioniren. Österreich, das so viele Jahrhunderte unter dem Drucke des bureaukratischen Despotismus ge= schmachtet, das dennoch an Gesittung, Hochherzig= keit und Intelligenz keinem andern Volke nachsteht, will auch im Gebiete der politischen Berechtigung keinem nachstehen, daher namentlich mit seinen deut= schen Brüdern auf gleicher Linie der Volksfreiheiten stehen. Soll anders die Einheit Deutsch= lands eine Wahrheit sein, so müssen nicht Alle gleiche Uniform tragen, son= dern dieselben Volksrechte besizen; denn die Reinheit ist die Seele des Staates. Wir erachten zur Beruhigung der aufgeregten und von Besorgnissen gefolterten Gemüther die un= verzügliche Kundmachung eines in der Wesenheit und Form mit dem vom König Ludwig von Baiern am 6. März 1843 an sein Volk gerichteten Placat, identischen Patentes Sr. Majestät, worin dem öster= reichischen Volke dieselben Rechte zugesichert wer= den, wie dem bairischen und die sofortige Anord= nung der Urwahlen, für unerläßlich. Zum Behuf der Lezteren soll ein Wahlkatechismus, wozu sich eine Uebersezung des Französischen eignen dürfte, auf Staatskosten gedruckt und an alle Wähler ver= theilt werden. Das Ministerium möge beherzigen, daß es nicht blos für seine Handlungen, sondern auch
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